Burgtheater: Neue Details in der Affäre um Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky
In den vergangenen Jahren konnte man sich des tristen Eindrucks kaum erwehren, dass früher oder später alle ökonomischen Basisdaten der österreichischen Repräsentationskultur in einem tiefen schwarzen Loch landen. Für die Finanzen der Bundestheater, sprich Burgtheater, Akademietheater, Staatsoper und Volksoper, die seit 1999 der Bundestheater-Holding unterstellt sind, gilt dies definitiv. Eine 2008 durchgeführte externe Evaluierung der Häuser sowie der Holding selbst wurde nie veröffentlicht. Darin war von einem Sparpotenzial die Rede, das der Holding-Chef Georg Springer bis 2014/15 umgesetzt haben wollte.
Konkrete Zahlen, wie viel davon verwirklicht wurde, liegen bis heute nicht vor. Die aktuellen Querelen um die entlassene Vizedirektorin und frühere Geschäftsführerin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky, kamen vorvergangene Woche über das Magazin News ans Licht. Es bestand offenbar weder im Burgtheater noch seitens der Holding der Bedarf, eine offizielle Stellungnahme zur Causa abzugeben als wäre die fristlose Kündigung einer Vizedirektorin eine Kleinigkeit, die sich intern regeln ließe.
Wie profil-Recherchen nun ergeben, wurde Silvia Stantejsky entlassen, weil sich ein fünfstelliger Euro-Betrag aus dem Burgtheater-Budget auf ihrem Privatkonto gefunden hat; die Ex-Geschäftsführerin konnte diese Überweisung angeblich nicht zufriedenstellend erklären. Sie wurde bereits im November zuerst suspendiert, anschließend von Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann entlassen. Für Stantejsky gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Sie wird ihre Entlassung anfechten, wie sie öffentlich verlauten ließ, weil sie das Burgtheater stets nach bestem Wissen und Gewissen vertreten habe. Auf profil-Nachfrage ließ Stantejskys Anwältin Isabell Lichtenstrasser dieser Zeitung folgende schriftliche Stellungnahme zukommen: Bei der Überweisung vom Burgtheater an Frau Mag. Stantejsky handelt es sich um die Rückzahlung von Beträgen, die Frau Mag. Stantejsky aus ihrem Privatvermögen dem Burgtheater vorgestreckt hat. Dies ist dem Burgtheater bekannt. Frau Mag. Stantejsky wird deshalb von niemandem, auch nicht vom Burgtheater, vorgeworfen, sich hierdurch bereichert zu haben. Um jegliche schiefe Optik auszuschließen, hat Frau Mag. Stantejsky den Betrag sofort nach Aufkommen des Vorwurfs von Ungereimtheiten dies jedoch unter Vorbehalt der Rückforderung nach vollständiger Aufklärung an das Burgtheater rücküberwiesen. Das Ensemble des Burgtheaters hatte sich bereits vor Bekanntwerden dieser Details mit seiner ehemaligen Geschäftsführerin solidarisiert. Fraglich bleibt allerdings, warum Matthias Hartmann, der als künstlerischer Geschäftsführer jede Zahlung über 10.000 Euro mitunterzeichnen muss, nichts von diesen Unregelmäßigkeiten gewusst haben soll.
Finanziell weitaus gravierender als die Causa Stantejsky scheint das drohende Defizit des Burgtheaters zu sein, das sich bereits seit Längerem abzeichnet. Hartmann wurde in den vergangenen Monaten nicht müde zu betonen, man befinde sich in einer Abwärtsspirale; seit 1999 seien die Burg-Subventionen von 45,9 Millionen auf lediglich 46,4 Millionen Euro erhöht worden, die Gehälter dagegen um 43 Prozent gestiegen. Ein Defizit sei unausweichlich, so Hartmann. Holding-Chef Springer hatte im März 2013 erklärt, man habe das Stammkapital des Burgtheaters um 3,65 Millionen Euro herabgesetzt, damit sich für die Saison 2011/12 eine schwarze Null ausging. Für 2012/13 liegt zwar noch keine Jahresbilanz vor, allerdings dürften die Zahlen alarmierend sein. Dem Vernehmen nach soll es sich, auch wenn Hartmann diese Zahlen noch utopisch nennt, um ein Defizit zwischen zehn und zwölf Millionen Euro handeln.
Viele Fragen bleiben offen: Hat das Burgtheater mehr Geld ausgegeben, als es hatte, und darauf gehofft, dass der Staat die Schulden decken würde? Hat Ex-Geschäftsführerin Stantejsky, vielleicht tatsächlich unter Einsatz persönlicher finanzieller Mittel, versucht, diese finanziellen Lücken mit kreativer Buchhaltung schönzufärben?
Scharfe Worte findet der frühere Burg-Direktor Nikolaus Bachler, der heute die Bayerische Staatsoper in München leitet: Die Geschichte wirkt wie eine Farce von Qualtinger. Die Burg hat zwei Geschäftsführer und damit ein klares Vieraugenprinzip. Dann fährt man das Haus an den Rand der Pleite. Daraufhin entlässt ein Geschäftsführer den anderen der zufällig die verdienteste Frau des Hauses ist. Schuld an dem Dilemma soll dann die mangelnde Subvention sein und das in dem mit Abstand reichsten Theater der Welt. So viel Zynismus gibt es in keinem Theaterstück.
Frühestens Ende Februar sollen die Untersuchungen um die Unregelmäßigkeiten im Fall Stantejsky abgeschlossen sein; dann, so heißt es, könne das Budget fixiert werden. Zu klären wird dabei Folgendes sein: Wie viel Geld wurde in der aufwendigen Eröffnungssaison 2009 ausgegeben, als Hartmann mit sechs Premieren und fünf Wiederaufnahmen von Eigenproduktionen aus Zürich und Bochum startete? Woraus finanziert sich der offenbar sehr teure Kindertheaterbereich, den es vorher nicht gab?
Lässt sich ein Defizit tatsächlich, wie Hartmann gegenüber profil betont, allein auf unterschiedliche Buchungsmethoden zurückführen darauf, dass Bühnenbilder nicht mehr auf fünf, sondern nur noch auf drei Jahre abgeschrieben werden dürfen? Und welche Rolle spielt in dem drohenden Finanzdesaster die Bundestheater-Holding, die eigentlich als Kontrollinstanz über die Budgets wachen sollte und meist nur durch beharrliches Schweigen auffällt?
Der Grünen-Politiker Wolfgang Zinggl kritisierte kürzlich in einer Aussendung, dass durch die Holding die Kontrollrechte des Parlaments und damit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ausgehebelt würden. Selbst der Nationalrat erhalte auf die Bundestheater betreffende Anfragen seit Jahren keine Antworten. In der Tat agiert die Holding, obwohl von Steuergeldern bezahlt, oft selbstherrlich wie ein Privatbetrieb. Holding-Chef Springer, einer der bestbezahlten Manager des Landes, hält sich gern im Hintergrund. Bei journalistischen Anfragen werden Rückmeldungen möglichst lange hinausgezögert. Totstellen ist keine Kunst, jedenfalls keine subventionswürdige.kc
Mitarbeit: Michael Nikbakhsh