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Hochwasser

Das große Schwalben-Sterben

Die Hollenburger Winzerin Birgit Hoch kämpfte mit vielen Dorfbewohnern einen oft aussichtlosen Kampf gegen das massive Schwalbensterben während des Unwetters. Muss uns das beunruhigen?

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„Schauen’s, die lebt noch!” erklärt Christian Hoch und hält eine sichtlich am Ende ihrer Kräfte befindliche Schwalbe in Händen. Es ist die einzige von den vielen Geretteten, die noch übrig geblieben ist. Sie schwebt sichtlich zwischen Leben und Tod. Die restlichen wenigen Überlebenden, („schätzungsweise zehn Prozent”) haben sich am vergangenen Dienstag zu Schwärmen formiert, sind inzwischen weiter in den Süden – mit dem über 10 000 Kilometer entfernten Ziel Kapregion - geflogen oder nach Vösendorf ins Tierschutz-Heim gebracht worden, wo man in Windeseile eine Art AKH für die maroden Schwalben eingerichtet hat. 

In den hohen Balken und Mauernischen des Bioweinguts von Birgit Hoch im niederösterreichischen Hollenburg nahe Krems lagern auch noch Tage nach dem Unwetter Dutzende tote Schwalben, teilweise in ihren Nestern. 

Einige von ihnen wollten sich auf den Mauervorsprüngen und im Gebälk schützen, erfroren aber dennoch; andere wurden erdrückt, weil die alten Tiere die Jungen vor der Kälte schützen wollten und sich auf die gesetzt hatten. Birgit Hochs Mann Christian steigt in der Einfahrt in den Korb des Gabelstaplers, den seine Frau bedient, und lässt die letzten traurigen Funde in einen großen Korb segeln, in dem sich schon mehrere hunderte tote Vögel stapeln. 

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Der Versuch, unzählbar viele entkräftete Mehl-Schwalben vor dem Erschöpfungstod zu retten, war für das Winzerpaar und vielen beherzten Nachbarn wie Erwin Jetschko, der als Berufsbezeichnung Tierfreund angibt und zu Hause eine Art kleines Gut Aiderbichl für Pferde, Schildkröten und Schafe etabliert hat, auch ein Kampf gegen Windmühlen. Am vergangenen Hochwasser-Wochenende, als sich klar abzeichnete, dass der Kälteeinbruch, Dauerregen und der damit verbundene Nahrungsmangel zu einem Massensterben der Schwalben führen würde, machte sich das Ehepaar Hoch und einige andere Hollenburger (wie auch in Nachbarschaftsorten) auf in den strömenden Regen, denn viele Schwalben waren einfach auf dem nassen Asphalt liegen geblieben, weil sie die schillernd glänzende Oberfläche mit dem Wasser verwechselten, wo sie normalerweise im Flug ihre Insekten picken. Gleichzeitig hatten sie während der Unwetter auch keine Nahrung finden können und waren durch den plötzlichen Kälteeinbruch völlig energielos geworden, so dass an einen Flug in den Süden nicht zu denken war. Auch das Aufpäppeln der geborgenen Tiere verlangte bestimmte Fertigkeiten und gestaltet sich nicht unkompliziert. Denn dadurch, dass die Vögel im Flug die Nahrung zu sich nehmen, muss der Schnabel behutsam in eine offene Stellung gebracht werden,  so dass die Mehlwürmer auch ihren Zweck erfüllen. „Eigentlich braucht es eine 24 Stunden-Betreuung pro Schwalbe, denn das ist nicht einfach”, so Schwalben-Co-Retter Jetschko, „manche von uns sind da über den Rand ihrer Kapazitäten gekommen.”

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Birgit Hoch, die hauptberuflich Biologie und Sport an einer AHS unterrichtet und nebenbei Bioweine keltert, will betont wissen, dass „das Schwalbensterben natürlich in keinem Verhältnis zu den vielen anderen Katastrophen, die Menschen jetzt erleiden müssen, steht.” Aber natürlich habe dieses fehlende Rädchen im Ökokreislauf ziemlich sicher zukünftige  Konsequenzen, denn pro Brut  frisst ein Schwalbenpaar in etwa 250 000 Insekten, was circa einem Kilo Gewicht entspricht: „Möglicherweise steht uns deswegen eine große Gelsen- und Schädlingsplage bevor.” Schon seit 1998 seien die ursprünglich 17500 Mehlschwalben-Brutpaare um die Hälfte geschrumpft – aus mehreren Ursachen: Pestizide, denen die Schwalben-Nahrung in Form von Insekten zum Opfer fällt, versiegelte Lebensräume und dadurch fehlende Nistplätze, denn Schwalben nisten gerne in Mauervorsprüngen, die Klimaerwärmung, die die innere Jahreszeitenuhr der Vögel aus dem Takt bringt. Inzwischen überwintern ja auch schon einige Störche im Burgenland, weil die Winter warm genug sind.

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Die Schwalben-Katastrophe brachte auch so schöne wie verstörende Züge unter den Nachbarn und Autofahrern zu Tage. „Manche haben sich geweigert, stehen zu bleiben”, erzählt Jetschko, „und sind einfach über die am Boden sitzenden Vögel drüber geprescht. Andere haben uns beschimpft, dass wir uns wie Hilfssheriffs aufspielen.” „Aber im Großen und Ganzen haben viele mitangepackt, viele von uns waren klatschnass und haben im strömenden Regen die Vögel über Stunden aufgehoben.”

Als ich am Ende des Gesprächs die beiden bitte, die einzig Überlebende für ein Foto in die Hand zu nehmen, erklärt uns Christian Hoch, dass es das Weibchen doch nicht geschafft hat und vor wenigen Minuten gestorben ist.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort