Das Lied vom Tod

Von Göteborg nach Fürstenfeld – wie der schwedische Death Metal seinen Weg in die Steiermark gefunden hat.

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Tief in der Nacht, kurz nach vierundzwanzig Uhr, kann man, wenn man aufmerksam auf den Straßen Fürstenfelds unterwegs ist, Fragmente von Lärm durch die schwarze Abendluft ziehen hören. Der Ursprung scheint unter dem eindrucksvoll alten Gebäude im Zentrum der Stadt zu liegen. Mächtig und riesengroß erhebt es sich, in der Mitte ragt ein schwarzer Turm empor. Öffnet man die schwere Holztür, um hineinzugelangen, kommt man erst an einer kleinen Bibliothek vorbei und dann in einen Gang, an dessen Ende eine Stiege in den Keller des Gebäudes führt. Spätestens ab hier beginnt man das Gehörte zu fühlen. Die Wände vibrieren und das alte Lüftungsrohr, das über die Stiege verläuft, knarrt und klirrt. Drückt man nun die letzte Türklinke nach unten, so erschlägt einen nicht nur das grelle Licht, sondern auch penetranter und intensiver Schweißgeruch. Pissgelbe Wände und ausgeblichene rote Vorhänge rahmen den mindestens ebenso scheußlich gelben, von leeren Bierflaschen und Essensresten bedeckten Boden ein. An der Decke hängen demolierte Neonröhren, in denen mehrere Generationen von Insekten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. In der Mitte des Raumes liegt ein alter Perserteppich, darauf steht ein Tisch mit zwei großen Monitoren, Mischpulten und diversen Verstärkern. Boxen, Kabel und Mikrofone sind chaotisch im Raum verteilt. Im Halbkreis um den Tisch sitzen fünf Männer. Mit müden Augen starren sie, dennoch fokussiert, auf die Bildschirme vor sich und lauschen. Hier, wo früher die Kohle für die Öfen des K.u.K Staatsrealgymnasiums gelagert wurde, wird heute das Debütalbum von Croword aufgenommen.

Mehr als Lärm und Geschrei

Croword, was so viel wie “Das Wort der Krähe” bedeutet, ist nur eine von vielen mehr oder weniger bekannten österreichischen Bands, die mit ihrer Musik in der Tradition der sogenannten Göteborger Schule stehen. Für viele Außenstehende ist die Musik, die auch als Schwedischer Death Metal bekannt ist, nicht viel mehr als Lärm und Geschrei, doch das stört die fünf zum Teil studierten Musiker kaum. Für sie und viele andere Vertreter dieses Rockmusik-Subgenres bietet diese Musik eine einzigartige Art und Weise, sich auszudrücken, Ruhe zu finden und teils wortgewaltige Texte zu vertonen.

Degeneration tears your black skies. The final descent for the last in life. No joy in our tired lives - the torment builds inside. The sun sets forever on a world of lies.

So lauten die ersten Zeilen des Textes von "World Of Lies”, einem Song auf einem der ersten Alben, das der Göteborger Schule zugeordnet wird. Aufgenommen wurde es in der Mitter der 1990er-Jahre von der schwedischen Band At The Gates. Für die Fans der Stilrichtung, aber auch für viele Musikkritiker, steht das Album "Slaughter Of The Soul” heute stellvertretend für den frühen Melodic Death Metal und gilt als Opus Magnum der Göteborger Schule. Es ist wohl die damit geschlagene Brücke zwischen den ungestüm dramatischen Texten und der durch scharfsinnige Melodien ergänzten Brutalität, die so viele in den Bann zu ziehen scheint. Ein Jahr nach dem Erscheinen des erst später so stark bekannt gewordenen Albums, löste sich die Band übrigens auf. Gleichzeitig und in den Jahren darauf erschienen viele weitere sehr einflussreiche Alben des Genres, wie etwa "Whoracle“ von In Flames und "The Gallery“ von Dark Tranquility. Beide Bands stammen wie At The Gates aus Göteborg und kannten sich seit ihrer Jugend untereinander.

Weltliteratur in den Texten

Merkmale der Texte des Genres sind neben der düsteren Dramatik und dem Leitthema „Tod“ auch verwendete Literaturzitate. Auf den Alben von At The Gates finden sich etwa Zeilen aus "Der Würfler” von George Cockcroft, oder Auszüge aus Kurzgeschichten von William S. Burroughs. 2014 veröffentlichte die einstige Pionierband nach fast zwanzig Jahren wieder ein Album, "At War With Reality“, das sich textlich nach Angaben des Sängers Thomas Lindberg am magischen Realismus des frühen zwanzigsten Jahrhunderts orientiert. Auch Croword, die Undergound-Band aus der Steiermark, verarbeitet Literatur in den Texten der eigenen Songs. Als Einflüsse werden Franz Kafka, Michael Ende und Aldous Huxley genannt.

An Kreuze gekettete Menschen

Wer nun denkt, dass diese Art der Musik ein Nischendasein auf den Bühnen zwielichtiger Musikclubs führt, der irrt: In ganz Europa pilgern jeden Sommer zehntausende Fans zu Festivals, die sich ganz dem Metal verschrieben haben. Dort sind neben den Vertretern der Göteborger Schule auch Bands weitaus “extremerer” Ausprägungen des Metals zu finden, zu denen etwa der Black Metal zählt. Diese Stil erregt nicht nur durch die Teils äußerst brutalen Performances Aufmerksamkeit, das Bühnenbild der Band Gorgoroth bestand etwa aus nackten, an Kreuze gekettete Menschen und aufgespießten Schafsköpfen, sondern durch stark gewalttätige Begebenheiten um die Bands selbst.

Universitäten ziehen nach

Das musikalische Erbe der Metal-Bewegung wurde wohl nicht zuletzt wegen dem oft grotesk wirkenden Auftreten solcher Bands lange von den Musikuniversitäten ferngehalten, in den letzten Jahren hält das Genre aber auf immer mehr Hochschulen Einzug. Die Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst veranstaltete zum Beispiel im Rahmen des mdw Festivals 2016 einen Studientag zum Thema “Norwegischer Black Metal”, an dem auch die Mitglieder von Croword teilgenommen haben und am Ende der Veranstaltung ihre Musik präsentieren durften.

Einmal in Göteborg ein Konzert zu spielen, gilt heute jedenfalls als sehr großer Erfolg für internationale Vertreter des Melodic Death Metals. „Mit dem neuen Album ist dieses Ziel nun in greifbare Nähe für uns gerückt“, erzählt Croword-Bandleader Lukas Rappitsch.

Das Debütalbum von Croword, „The Great Beyond“, erschien im Sommer bei Frog Queen und Fastball Music.