Geplant ist, dass der WSC während der Bauphase in seine Trainingsanlage in der Ottakringer Erdbrustgasse ausweicht. In Hernals sollen zwei Tribünen erneuert und das Spielfeld den Vorgaben der UEFA und der Österreichischen Bundesliga angepasst werden. Für Jänner 2026 ist die Wiedereröffnung geplant.
WSC, das sind ein Cup-Sieg und drei österreichische Meistertitel, zwei davon in den glorreichen 1950er-Jahren; aktuell versteckt sich der Verein auf Platz sieben in der Regionalliga Ost. WSC, das sind Tradition und Eigenbrötlerei. Auf der sogenannten Friedhofstribüne, benannt nach dem Gottesacker nebenan, klimpern bei Freistößen die Schlüsselbunde der Club-Aficionados. Andernorts erklingen „Schlachtgesänge“, das WSC-Chant-Buch reicht von Sponti-Schmachtfetzen für „Annemarie“ über „Everywhere you go, always take the Sport-Club with you!“ bis zum All-Time-Schlager „Hernois is ois“. Für immer WSC. Der Witz auf der Friedhofstribüne ist echt und ein bisschen rau. Wärme statt Wut. Rüpel und Haudraufs sind unerwünscht, Sprücheklopfer und Sangesbrüder wie -schwestern willkommen. Die Schwarz-Weißen brauchen keine „Leitkultur“, wie sie unlängst die Kanzlerpartei ÖVP ins Spiel brachte. Rassismus, Sexismus, Homophobie und narzisstisches Überdrüber haben auf dem Platz nichts verloren, statt Pyrotechnik und Buhrufen regnet es Konfetti, Seifenblasen und Applaus. Fußball ist in Hernals eine selbstverständlich eingestreute Zutat des Lebens. Man hat Hoffnung für den Sport, wenn man ihn in Hernals erlebt.
Wiener Sport-Club, das sind auch Leidenschaft und Leidensbereitschaft. Die WSC-Fußballgeschichte ist keine astreine Bilanz von Erfolgen und Rekorden. In den 1990er-Jahren stürzte der Klub durch zwei Konkurse ins Bodenlose. Mitleiden will gelernt sein. WSC, das sind schließlich noch jede Menge Mythen, Streit und Legenden. Über die Wunder wird später noch zu sprechen sein.
Die Begegnung mit Michael Almási-Szabò ist aufschlussreich für die Frage, wie aus einem Vorortverein ein Großer unter den kleinen Wiener Fußballvereinen werden konnte. Almási-Szabò, 67, ist Qualitätsmanager einer Softwarefirma und Autor der Chronik „Von Dornbach in die ganze Welt“. Dornbach ist jener Teil von Hernals, in dem der WSC-Platz liegt. Almási-Szabòs Vereinsgeschichte ist eine mit viel Sachverstand und in schlanken Sätzen verpackte Liebesgeschichte an eine Sportunion, wie sie sich jeder Klub nur wünschen kann. Almási-Szabò, hoher Haaransatz, aufmerksamer Blick, sagt: „Der WSC ist die Magie der ersten Liebe minus Erotik.“ Mit acht Jahren sah er sein erstes Spiel. 20. Mai 1967, Tabellenführer Rapid vs. WSC, Endstand 5:2 für den WSC. „Seligmachendes Glück des Buben beim Einschlafen“, erinnert er sich. „Da war es um mich geschehen.“ Kurzes Räuspern: „Man wird nicht freiwillig Fan. Wer in Wien nicht zu Rapid oder Austria halten will, geht zum WSC. Der WSC ist etwas Besonderes – nicht etwas Besseres.“
Kein Muskelspiel
Der WSC-Platz war nie ein Stadion, immer ein Fußballplatz, der nie das Muskelspiel nötig hatte, mehr zu sein, als er ist. Ins Stadion geht man in den Prater, in die Allianz-Arena von Rapid, auf das Generali-Grün der Wiener Austria. In Hernois geht man auf den Platz.
Das erste Sportfeld, eröffnet um 1900 bei der „Roten-Kreuz-Wiese“, wanderte bald auf die Grasfläche in der Krottenbachstraße, das nächste Provisorium. Am 16. Oktober 1904 bezog der Verein in der Hernalser Hauptstraße Quartier, auf einer unbebauten Ebene rechts des Alsbachs. Holz- und Stahlrohrtribünen, Umkleideräume und zwei turmhohe Flutlichtmasten verdrängten Gestrüpp, Erdreich und Maulwurfshügel. Lange Zeit war der Platz für sein freundliches Anarcho-Ambiente berühmt: 1984 ersetzte ein Wohnbau jene Erdhügel, die viele Jahrzehnte lang als Stehplatzrampe gedient hatten. Die Friedhofstribüne hat einen eigenen Freundinnen-Freunde-Verein; Toilettenmann Leopold Hruska teilt sich mit dem blinden Stadionsprecher Roland Spöttling den Legendenstatus.
Gutes Stichwort. 1. Oktober 1958. Wiener Praterstadion, 34.000 Zuschauer, 3-2-5-Spielsystem auf dem Naturgrün. „Szanwald; Hasenkopf, Büllwatsch, Jaros, Oslansky, Barschandt, Horak, Knoll, Hof, Hamerl, Skerlan“, sagt Almási-Szabò. Die Aufstellung jener Mannschaft, die Juventus Turin mit 7:0 niederrang. Vorstadtkicker triumphierten über die Millionentruppe. „Ein Sieg für die Ewigkeit“, schreibt Almási-Szabò in seiner Chronik. Ewig sind die wenigsten Dinge, Wunder kennen Ablaufdaten. Langsam verblasst der Triumph. Zehn der elf Helden von 1968 sind tot.
Erich Hof, dem 1995 verstorbenen Ausnahmespieler des Sport-Clubs und Kurzzeitnationalteamchef, der beim 7:0 zwei Tore beisteuerte, ist bis auf Weiteres langes Weiterleben sicher. Es schadet nicht, sich auf YouTube eine alte ORF-Dokumentation zum 100-jährigen Sport-Club-Jubiläum anzuschauen. Wie jeder große Fußballer erweist sich darin auch Hof als Philosoph, der den Verein vor übertriebener Erinnerungsseligkeit schützt. „Rückblickend kann man sich fast nur immer an das Positive erinnern, und das ist gefährlich“, sagt Hof im Interview mit solcher Gelassenheit, dass man an einen Fußball-Buddha denken muss: „Ich glaub, den Unterschied soll man lassen: Man soll die damalige Zeit so bewerten, wie sie war, und die heutige. Ich glaub auch, warum man immer wieder von der guten, vergangenen Zeit redet – es war ganz einfach, und es ist bei jedem Menschen so: Man war jünger, und darum war es schöner.“ Viele würden behaupten, so Chronist Almási-Szabò, sie wären beim Juventus-Match im Stadion gewesen. „Vielleicht trügt da die Erinnerung bei dem einen oder der anderen“, lacht er. „Ich war damals nicht dabei, weil ich erst seit vier Monaten auf der Welt war.“ Zwei belegbare Zeugen des Jahrhundertspiels gibt es noch. Man kann sie nicht befragen, weil sie erstarrt und eisern schweigend am Fußballfeldrand in Hernals stehen. Die beiden Fluchtlichtmasten am Feld tauchten im Oktober 1968 das Juventus-Spiel im Praterstadion, heute Ernst-Happel-Stadion, in überirdisches Licht und verrichten seit 1977 ihren Dienst in Hernals. Eine weitere schillernde Sport-Club-Geschichte.
Viele solcher kann auch Christian Orou, 61, erzählen. Orou ist Jugendarbeiter, grauer Vollbart, Typ freundlicher Teddybär. Seit über 20 Jahren ist er Chefredakteur der „alszeilen“. Er hält sich einiges darauf zugute, dass bei jedem Heimspiel eine neue Ausgabe des Fanzines erscheint. Es gibt viele gute Momente, um von früher zu erzählen. K oder C? Heikles Terrain. Öfter in seiner langen Geschichte kämpfte der Verein mit finanziellen Schieflagen. Im Sommer 2001 spaltete sich die Fußballsektion vom Sport-Club ab und gründete den Wiener Sport-Klub. Klub mit K. Es dauerte bis 2017, ehe das K-Problem aus der Welt war, der WSC mit dem WSK fusionierte, wobei Letzterer wieder verschwand. „Hier wird nicht nur verbiestert Fußball gespielt“, sagt Orou. „Der Sport-Club ist vielfältig, offen, cool, familiär, bunt, spontan.“ Die Wahrheit liegt nicht immer auf dem Platz.