Der Aberwitzbold: Schauspieler Robin Williams (1951-2014)
Am 24. Dezember 2002 war Robin Williams zu Gast beim US-Talkstar Charlie Rose. Das Gespräch dauerte eine knappe Stunde, wobei von einem Gespräch, streng genommen, keine Rede sein konnte, denn Rose kam vor lauter Lachen kaum dazu, Fragen zu stellen - zumindest keine, die mehr als zwei oder drei Wörter umfassten. Williams türmte in einer atemberaubenden Tour de Force eine freie Assoziation auf die nächste, jonglierte mit kruden Fantasiedialekten und presste so bizarre Geräusche aus seinem Rachen, dass Rose sich irgendwann buchstäblich auf den Tisch legte und um Gnade winselte.
Das Vermächtnis von Robin Williams ist nicht in den über 100 Spielfilmen niedergelegt, die seinen Namen in den Credits führten: nicht in weltanschaulich korrekten Kassenerfolgen wie "Der Club der toten Dichter oder "Good Morning, Vietnam, nicht in zwiespältigen Travestie-Vehikeln wie "Mrs. Doubtfire, schon gar nicht in den seltenen Etüden der Ernsthaftigkeit wie "Good Will Hunting und "One Hour Photo. Sie konnten aufgrund der starren Strukturen kommerziell konfektionierter Unterhaltungskunst bestenfalls eine Ahnung von den unvergleichlichen Fähigkeiten eines Mannes vermitteln, der erst dann ganz bei sich ankam, wenn er völlig außer sich geraten durfte und dabei von keinem Drehbuch und keinen kontrollierenden Regieanweisungen eingeschränkt wurde.
Das Genie von Robin Williams lag in seinem improvisatorischen Aberwitz, der nie plastischer und furioser zur Entfaltung kam als in seinen Stand-up-Shows (und zahlreichen Talkshow-Auftritten, die er ohnehin immer kurzerhand zu Stand-up-Einlagen umfunktionierte). Hier bot er großes Welttheater als One-Man-Show und erhob radikale, aus dem Geist lustvoller Anarchie geborene Verrücktheit zur artistischen Methode. Er war rasend schnell, virtuos erfinderisch, schonungslos derb und böse, unerschrocken politisch, entwaffnend klug - und immer überwältigend lustig. Dem Publikum konnte kein einziges Lachen im Hals stecken bleiben, weil im nächsten Moment gleich wieder eine Salve aus Williams Pointen-MG abgefeuert wurde. Bezeichnenderweise durfte er diese Qualitäten, wenn auch jugendfrei geglättet, nur in einem Film ausspielen, in dem er gar nicht zu sehen, sondern nur zu hören war: als Stimme des Flaschengeistes Genie (Dschinni) in "Aladdin.
In Wahrheit entsprang seine manische Komik einer zutiefst depressiven Disposition, die er zeitlebens mit Alkohol und Drogen zu verdrängen suchte. Am Ende blieb nichts als Verzweiflung. Montag vergangener Woche nahm sich Robin Williams in seinem Haus in Tiburon bei San Francisco das Leben.