Alysssa Milano

Der lange Weg vor #MeToo

Von Anita Hill bis Alyssa Milano.

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1991: Die afroamerikanische Juristin Anita Hill kann als die Mutter aller #MeToo-Kämpferinnen gelten Die erste Mutbürgerin rückte den Begriff "sexuelle Belästigung" erstmals ins kollektive Bewusstsein, als sie ihren ehemaligen Arbeitgeber, Clarence Thomas, einen Richter des Supreme Courts, anklagte und den Prozess verlor. Doch die Saat war gesät: Tausende Amerikanerinnen sahen in Anita Hill - zumindest kurzfristig -ein Sprachrohr für das, was ihnen in Büros, Ämtern, Supermärkten, Imbissbuden oder in den eigenen vier Wänden widerfahren war.

1997: In diesem Jahr überstand der amtierende US-Präsident Bill Clinton ein Impeachment-Verfahren, in dem ein blaues GAP-Kleid eine symbolgeladene Rolle spielte. Seine Praktikantin Monica Lewinsky hatte es beim oralen Sex mit ihrem Präsidenten getragen. Der Satz "I did not have sex with Monica Lewinksy" blieb im Gedächtnis. Wahrscheinlich hatte Clinton ein relativ eng umgrenztes Verständnis von Sex. Erstaunlich war, dass er damit durchkam. Es war wohl ähnlich dem der katholischen Missbrauchstäter -alles, was nicht Koitus ist, ist kein Sex. 21 Jahre später findet Lewinsky, die sich immer auf die Einvernehmlichkeit berufen hatte, in "Vanity Fair":"Es war natürlich Missbrauch. Ich war Praktikantin und er mein Vorgesetzter.

2006: Die afroamerikanische Frauenrechtlerin Tarana Burke erfand für ihre Aktion "Girls For Gender Equity" (Mädchen für Gleichberechtigung) die Phrase MeToo - mit damals noch überschaubarer Durchschlagskraft. Die Digitalisierungs- und Vervielfältigungswunderwaffe Hashtag sollte erst 2007 erstmals im Netz zum Einsatz gebracht werden. Burke wollte mit dem Slogan jungen, unterprivilegierten Frauen mit Übergriffs-Erfahrungen das Gefühl geben, dass "sie nicht alleine dastehen" und eine Stimme haben.

2011: Die Wellen um den freigesprochenen IWF-Präsident Dominique Strauss-Kahn, angeklagt wegen Vergewaltigung eines afroamerikanischen Zimmermädchens in einem New Yorker Hotel, beschäftigten die ganze westliche Welt. Sein hochkarätiges Verteidigungsteam punktete mit der Strategie, die Glaubwürdigkeit der Klägerin zu zerstören. Doch Strauss-Kahns Karriere war damit am Ende.

2013: Die "Stern"-Journalistin Laura Himmelreich demaskierte die verbalen Untergriffigkeiten des damaligen FDP- Politikers Rainer Brüderle in einem Porträt. Der Text gab den Auftakt für die #aufschrei-Kampagne in den sozialen Medien, in denen Frauen auch ihre persönlichen Leidensgeschichten erzählten.

2017: Im Jänner gingen Millionen von Frauen weltweit auf die Straße, um gegen die Angelobung von Donald Trump und seine Frauenverachtung ("You just have to grab them by the pussy") zu protestieren. Ihr Symbol: rosa Wollmützen als Referenz zum Pussy-Sager.

Am 5. Oktober erschien in der "New York Times" das erste Unsittenbild des Systems Harvey Weinstein: Die Investigativ-Reporterinnen des Blatts, Megan Twohey und Jodi Kantor, die im Jahr darauf für ihre Arbeit mit dem Pulitzer-Preis belohnt wurden, titelten den Artikel betont sachlich: "Wie Harvey Weinstein über Jahrzehnte Klägerinnen, die ihn sexueller Attacken bezichtigt hatten, auszahlte."

Am 10. Oktober platzte die nächste Bombe: Das Intelligenzia-Zentralorgan "New Yorker" publizierte einen zehnseitigen Artikel über Weinsteins "Raubzüge" mit weitaus härteren Schilderungen als im ohnehin schon schockierenden Artikel der "New York Times". Die Enthüllungsgeschichte trug den Titel: "Von aggressiven Ouvertüren zu sexuellen Attacken: Harvey Weinsteins Klägerinnen erzählen ihre Geschichten." Ihr Autor: Ronan Farrow, der Sohn von Woody Allen und Mia Farrow, der seinem Vater den Missbrauch seiner Schwester Dylan anlastet und seit Jahren keinen Kontakt mehr mit ihm hat.

In der Nacht des 15. Oktobers nahm die Angelegenheit richtig Fahrt auf. Die Filmschauspielerin Alyssa Milano ("Charmed") schrieb auf Twitter: "Ein Vorschlag von einem Freund: Falls alle Frauen, die sexuelle Gewalt oder Übergriffe erlebt haben, #MeToo in ihren Status schreiben, könnten wir der Welt eine Vorstellung von der Größenordnung des Problems geben." So begann die größte feministische Revolution seit dem Kampf um das Frauenwahlrecht und das Recht auf Abtreibung. Am nächsten Morgen fand sie 18.000 Retweets unter dem Hashtag vor, schon am 16. Oktober, dem Tag danach, wurde der Begriff auf Twitter 200.000 Mal verwendet, auf Facebook benutzten den Hashtag innerhalb der ersten 24 Stunden 4,7 Millionen Userinnen in über zwölf Millionen Postings.

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