Der LASK im Höhenrausch
Von Gerald Gossmann
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Etwas verdutzt stand LASK-CEO Siegmund Gruber in seinem neuen Stadion, der Raiffeisen-Arena. 2023 eröffnet, 100 Millionen Euro teuer, 19.000 Plätze. Ein Fußballtempel. An diesem Tag aber wirkte er verwaist. Flutlichter leuchteten, Spieler wärmten auf. Alles ganz normal. Fast. Die Fantribüne war leer. Dabei spielte der LASK im Europapokal gegen Djurgårdens IF aus Schweden. Normalerweise hüpfen und singen da Tausende Fans. Doch nun: Stille. Die organisierte Fanszene war dem Spiel ferngeblieben. Aus Protest gegen hohe Ticketpreise. LASK-Boss Gruber, 50 Jahre alt, breite Statur, grimmiger Gesichtsausdruck, stand also vor der leeren Tribüne und erklärte dem TV-Sender Sky trotzig: „Wir werden trotzdem eine gute Stimmung im Stadion haben.“
Gruber lässt es sich nicht anmerken, aber der Affront der Anhänger muss ein schwerer Schlag gewesen sein. Der gelernte Steuerberater und Geschäftsmann hat den Club einst vor dem Niedergang gerettet. Und ihn dann in lichte Höhen geführt. Der LASK wurde zu einem Bundesliga-Topteam. In den vergangenen Jahren gastierte die Weltelite in Linz, etwa der FC Liverpool oder Manchester United. Doch der Club will mehr. Ein neues Stadion wurde erbaut, der Kader aufgemotzt, ein Weltmeister verpflichtet – und heimlich vom Meisterteller geträumt. Heuer wollte man endlich die schwächelnden Salzburger Bullen angreifen.
Doch dann ging alles schief. Nach einem knappen Drittel der Meisterschaft liegen die Linzer nur auf dem neunten Platz. Der neue, erst vor wenigen Wochen installierte Trainer Markus Schopp bezeichnete sein Team nach dem 2:2 gegen Djurgården gleich einmal als „undiszipliniert“.
Das Problem: In Linz kommt man sich regelmäßig selbst in die Quere, überschreitet im Erfolgsrausch Grenzen, gerät in zähe Konflikten – und wirft sich damit eigenhändig aus dem Rennen. Wollen die Linzer zu viel?
Ein Vorzeigeathlet mit Haken
Ende Mai sah es wieder einmal ganz danach aus. Da gab der LASK die Verpflichtung eines Weltmeisters bekannt. Ein Pressebild zeigt CEO Gruber lachend neben dem 36-jährigen deutschen Starkicker Jérôme Boateng. Der Transfer sei „ein absoluter Wahnsinn“, schwärmte der LASK-Boss. Es sei gelungen „einen international begehrten Vorzeigeathleten“ nach Linz zu holen. Doch die Sache hatte einen Haken: Der „Vorzeigeathlet“ stand wegen häuslicher Gewalt vor Gericht. Der LASK-Boss hob trotzig Boatengs „außergewöhnlichen Charakter“ hervor, weil er dem Club trotz „zahlreicher hoch dotierter Angebote finanziell massiv entgegengekommen“ sei. In Internetforen gingen die Wogen hoch. Fans und Feministinnen schrien auf. SPÖ-Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner kritisierte den Transfer als „inakzeptabel“. Gruber beharrte in den „OÖN“: „Solange das Gericht keine Strafe ausspricht, die Herrn Boateng die Berufsausübung verunmöglicht, wird er bei uns Fußball spielen und seinem Beruf nachgehen.“
Ein Pressebild zeigt CEO Gruber lachend neben dem 36-jährigen deutschen Starkicker Jérôme Boateng. Der Transfer sei „ein absoluter Wahnsinn“, schwärmte der LASK-Boss. Es sei gelungen „einen international begehrten Vorzeigeathleten“ nach Linz zu holen. Doch die Sache hatte einen Haken: Der „Vorzeigeathlet“ stand wegen häuslicher Gewalt vor Gericht. Der LASK-Boss hob trotzig Boatengs „außergewöhnlichen Charakter“ hervor, weil er dem Club trotz „zahlreicher hoch dotierter Angebote finanziell massiv entgegengekommen“ sei.
Im LASK-Kosmos dreht sich gerade alles um Erfolg. Und zwar um jeden Preis. Erklären lässt sich die Getriebenheit vor allem mit Club-Boss Gruber. Sein großes Talent sei es, „Unternehmen schnell größer zu machen“, erzählt einer, der ihn gut kennt. Reich wurde Gruber mit dem Eferdinger Büromöbelhersteller Hali. 2008 übernahm er das Unternehmen als Mehrheitseigentümer, sanierte es – und verkaufte es 2018 um einen Batzen Geld. Grubers Geschick kam auch dem LASK zugute. Vor zehn Jahren dümpelten die Linzer noch in der Regionalliga herum. Man spielte gegen Clubs wie Copacabana Kalsdorf, hatte Schulden und keinen eigenen Trainingsplatz. Oft mussten sich die Kicker im Bus umziehen, um dann auf ein geborgtes Feld zu laufen. 2013 stand der LASK vor dem Aus.
Da kam Gruber ins Spiel. Mit einer Gruppe von Unternehmern, den „Freunden des LASK“, übernahm er im Dezember 2013 den Club. Die 14 Männer kauften Anteile, tilgten Schulden, trieben Sponsoren auf und schafften 2017 die Rückkehr in die Bundesliga. Zum Königstransfer wurde Jürgen Werner, ein Ex-Fußballer und erfolgreicher Spieleragent. Er holte hungrige Spieler und den einstigen RB-Salzburg-Assistenten Oliver Glasner als Trainer. Werner kopierte mit dem LASK als Erster in Österreich das Salzburger Erfolgsmodell. Im Europapokal schlug man große Namen: PSV Eindhoven, Sporting Lissabon, Rosenborg Trondheim. Der LASK zog ins Achtelfinale ein und war plötzlich unter den 50 besten Teams Europas.
„Ein massives Foul“
2020 wäre dem LASK beinahe der große Coup gelungen. Doch dann ging zum ersten Mal etwas gehörig schief. Vor der Finalrunde in der heimischen Bundesliga lagen die Linzer an der Tabellenspitze, der Meistertitel war zum Greifen nah. Dann aber kam Corona. Ein Trainingsverbot für alle Clubs wurde verhängt. Der LASK aber wollte seine Wettkampfhärte nicht verlieren, trainierte heimlich – und wurde erwischt. Ein großer Aufschrei der Konkurrenz folgte. Der Bundesliga-Strafsenat sprach von „einem massiven Foul innerhalb der Fußballfamilie“. Das ganze Land rümpfte die Nase. Sechs Punkte wurden dem LASK zur Strafe abgezogen, er fiel hinter RB Salzburg zurück und wurde am Ende bloß Dritter. Im Verein fühlte man sich um den Titel betrogen.
Nach einem knappen Drittel der Meisterschaft liegen die Linzer nur auf dem neunten Platz. Der neue, erst vor wenigen Wochen installierte Trainer Markus Schopp bezeichnete sein Team nach dem 2:2 gegen Djurgården gleich einmal als „undiszipliniert“.
Ein Jahr später lief schon wieder etwas aus dem Ruder. Das Magazin „News“ warf dem LASK-Vizepräsidenten Jürgen Werner vor, Transfergeld in dubiose Kanäle verschwinden zu lassen. Werner bestritt die Vorwürfe heftig, aber das Image des LASK war beschädigt.
Im Club fühlte man sich ungerecht behandelt – und witterte Querschüsse aus Wien, die dem aufstrebenden LASK schaden sollten. Gruber wurde in dieser Zeit immer misstrauischer. Auch Medien gegenüber. Er entwickelte eine ausgeprägte „Mia san mia“-Mentalität. Und werkte noch energischer am Wachstum des Vereins.
Gruber ist gut vernetzt in Linz. Er holte Politik und Geldgeber ins Boot. Banken, Energieversorger, Getränkekonzerne, Baufirmen, das Land Oberösterreich und zig andere Betriebe unterstützen den Club. Die Raiffeisen-Arena, mit 30 Millionen Euro vom Land Oberösterreich subventioniert, wurde erbaut. Während der LASK vor zehn Jahren noch auf Dorfplätzen herumtingelte, ist er nun ein millionenschweres Unternehmen. Das gefällt nicht allen. Puristische Anhänger stört die neue Konzernhaftigkeit. Seit Jahren streiten Fans mit Funktionären. Zum Beispiel über die Leiberlfrage: Gelegentlich laufen die LASK-Kicker in rosa Trikots aufs Feld – der Unternehmensfarbe des Sponsors BWT. Fans gründeten die „Initiative Schwarz-Weiß“ für den Erhalt der Traditionsfarben. Es ist der große Konflikt der Fußballwelt, der im kleinen Linz ausgefochten wird. Wer hat mehr zu sagen: Fans oder Finanziers?
Entscheidungen trifft Gruber im kleinsten Kreis – mit engen Vertrauten. Fans dagegen haben wenig Mitsprache. Der LASK ist kein Mitgliederverein wie Rapid, wo Anhänger die Club-Führung bestimmen und eigene Anträge einbringen können. In Linz entscheiden die Geschäftsleute. Auch deshalb ist der Anhang besonders wachsam. Es gibt Fan-Blogs wie jenen der „Initiative Schwarz-Weiß“, die eine Art Kontrollfunktion ausüben. Immer wieder werden dort Missstände kritisiert. Etwa dass ein „Freund des LASK“, der Unternehmer Benedetto Wagner, vom Club begehrte Tickets erhalten haben soll, um mit seinem Reisebetrieb Aerox kostspielige Fan-Reisen zum Spiel gegen den FC Liverpool anzubieten.
Die Fans werden unruhig
Die organisierte Fanszene treibt den LASK seit Jahren vor sich her. Die Forderung: Gespräche mit dem CEO. Doch der weigerte sich lange. Gruber ist kein feiner Pinkel, der in Designerklamotten herumstolziert. Er trägt T-Shirts, kurze Hosen, Kapuzenpulli. Fast sieht er aus, wie man sich klischeehaft Leute aus dem Block vorstellt: am Oberarm tätowiert, kurze Haare, kantig. Aber seine Denkweise ist die eines Managers. Den Fans ginge es bloß um Macht und Einfluss, unkten Vereinsvertreter hinter vorgehaltener Hand. Man wolle aber in Linz keine Verhältnisse wie bei Rapid. Also Fans, die überall mitreden und Krawall machen. „Die lassen sich dort auf den Schädel scheißen – wo gibt’s denn das“, erklärte einer vom LASK vor einem Jahr gegenüber profil. Die Fans würden Erfolge und ein schmuckes Stadion genießen. „Aber wie finanziert sich das?“
Gruber ignorierte die Anhänger lange. Um dann auf Konfrontationskurs zu gehen. Zum ultimativen Krach kam es im Frühjahr 2024. Da hatten Fans Waschmaschinen vors Stadion geschleppt und Reinigungstabs aufs Spielfeld geworfen. Nach dem Motto: Wascht die rosa Dressen rein und zugleich „euer Gewissen“. Nun reichte es Gruber. Der LASK verhängte Stadionverbote gegen mehrere Fan-Capos.
Die Fanszene reagierte auf die „unbefristeten Stadionverbote“ mit einem „unbefristeten Stimmungsboykott“. In der Arena herrschte auf einmal gespenstische Stille. Und der LASK verlor flugs gegen den TSV Hartberg. Sponsoren störten sich daran. Sie wollten ihren Logengästen ein packendes Fußballerlebnis bieten und keinen clubinternen Kleinkrieg. Bald konnten die „OÖN“ vermelden: „Auf Druck wichtiger Sponsoren hatte sich die Landesspitze LASK-Chef Gruber geholt und diesen zu Gesprächen mit den Fans gedrängt.“ Eine Waffenruhe wurde vereinbart. Der LASK nahm die Stadionverbote zurück. Die Fans versprachen, keine Spielunterbrechungen mehr zu provozieren.
Während der LASK vor zehn Jahren noch auf Dorfplätzen herumtingelte, ist er nun ein millionenschweres Unternehmen. Das gefällt nicht allen. Puristische Anhänger stört die neue Konzernhaftigkeit. Seit Jahren streiten Fans mit Funktionären.
Es sind Konflikte wie dieser, die das Bild des LASK inzwischen prägen. Es geht um Blut und Boateng. Um rosa Dressen. Fans und Finanziers. Es geht um Fußballkultur – und die Frage, wie man Fußball finanziert. Der LASK ist im Dauer-Expansionsmodus. Und steht dabei auch unter Druck. Der letzte Geschäftsbericht aus der Saison 2022/23 wies einen Umsatz von 26,5 Millionen Euro und ein Jahres-Minus von 3,7 Millionen aus. Das neue Stadion und die teure Mannschaft verlangen aber nach sprudelnden Einnahmequellen. Immer wieder musste der LASK Prinzipien über Bord werfen, um Geld einzunehmen. 2020 betonte Gruber noch, keinem Wettanbieter eine Werbefläche bieten zu wollen, das sei „unsere Vereinsphilosophie“. Heuer präsentierte er das türkische Wettunternehmen Nerobet als neuen Premium-Partner.
In den Hintergrund rückte dabei der begeisternde Fußball, für den der LASK österreichweit geliebt wurde. Für die Finanzierung des Clubs ist gerade dieser aber essenziell. Europacup-Erfolge spülten vor einigen Jahren zweistellige Millionenbeträge in die Vereinskasse. Doch wirklich aufregend spielt der LASK schon länger nicht mehr.
Schon wieder geht etwas schief
Der Erfolgshunger ist trotzdem weiterhin groß. Als Sturm Graz im Frühjahr den Salzburger Bullen den Titel wegschnappte, machte das in Linz Appetit auf mehr. Man entließ Trainer Thomas Sageder – und ersetzte ihn durch Maximilian Ritscher. Einen Tag später korrigierte der Club: Ritscher fehle die erforderliche Trainerlizenz, weshalb nun Thomas Darazs „die Funktion des Cheftrainers bekleidet“. Zahlreiche neue Spieler wurden verpflichtet – darunter Weltmeister Boateng. 43 Millionen Euro ist der LASK-Kader mittlerweile wert – nur Sturm und Salzburg verfügen über wertvollere Kicker.
Und trotzdem ging kurz darauf schon wieder alles schief. Der LASK verlor sechs der ersten sieben Ligaspiele – und landete auf dem vorletzten Platz. Superstar Boateng, der mittlerweile wegen einfacher Körperverletzung rechtskräftig schuldig gesprochen wurde, stand dabei nur magere 97 Minuten auf dem Feld.
„Hat der LASK sein Gesicht verloren?“, wurde Boss Gruber Anfang September im Sky-Studio gefragt. Unter ihm sei der Club zuletzt immerhin „zweimal Dritter“ geworden, mahnte dieser und verwies auf eine „ganzheitliche Spielphilosophie“. Der Trainer müsse sich nach dem schlechten Saisonstart keine Sorgen machen. „Ich halte nichts von Ultimaten.“ Wenige Stunden später – der LASK hatte gerade 1:5 gegen den Wolfsberger AC verloren – war Thomas Darazs dann doch seinen Job los.
In der Rolle des Retters ist nun Markus Schopp engagiert, der bis zuletzt beim TSV Hartberg erfolgreich war. In aller Eile wurde ihm das gesamte Chaos übergeben. Schopp sei künftig Trainer und Sportdirektor in Personalunion, wurde verkündet. Er soll die Misere im Alleingang beheben. Gruber, so hört man, will sich aus dem Sport künftig heraushalten. Er hat ohnehin genug zu tun. Etwa mit den Fans, die wegen der teuren Tickets nicht ins Stadion kommen. Bald will er sich mit ihnen an einen Tisch setzen. Einige, die teure Karten erworben haben, aber aus Protest fernbleiben, spinnen derweil kreative Ideen. Ein Fan regte an, sie zu spenden: an Obdachlose.
Gerald Gossmann
Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.