Der weibliche Körper, ein Schlachtfeld
Es gibt kaum jemanden, der das Video nicht gesehen hat. Eine junge Frau auf der Ladefläche eines Trucks, umringt von bewaffneten Männern, die sie immer wieder anspucken. Sie trägt nur mehr Unterhose, BH und Schuhe, wirkt leblos. Man hört „Allahu Akbar“-Rufe, sieht Gewehre und eine jubelnde Masse. Es ist nicht das einzige Video von Hamas-Terroristen, in dem man sieht, wie eine Frau von Israel nach Gaza verschleppt wird. Und es ist nicht das einzige Mal, dass sexualisierte Gewalt, auch auf Social Media, bewusst als Waffe eingesetzt wird. Man denke an die Vergewaltigungen im ukrainischen Butscha durch russische Soldaten, an die misshandelten inhaftierten Frauen in iranischen Gefängnissen oder an die systematische sexualisierte Gewalt der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Schon immer ist der weibliche Körper ein Schauplatz von Krieg und Terror. Und schon immer ist es vor allem dieses Thema, das in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion untergeht.
„Wer über den weiblichen Körper bestimmt, steuert die Gesellschaft“
Schriftstellerin Susan Brownmiller erklärte 1975 in „Gegen unseren Willen“, dass sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten vor allem als eine Botschaft unter Männern verstanden werden muss – Vergewaltigungen sind ein Siegesbeweis für die einen und ein Eingeständnis der Niederlage für die anderen. Amnesty International Österreich-Geschäftsführerin Shoura Hashemi sagt fast 50 Jahre später etwas Ähnliches: „Der weibliche Körper ist oft ein Werkzeug, um die Bevölkerung autoritär unter Druck zu halten. Er wird als eine Art Instrument der Unterjochung benutzt. Wer über den weiblichen Körper bestimmt und Frauen ihre Autonomie nimmt, der kann im Grunde die Gesellschaft steuern. Sexualisierte Gewalt oder Misshandlungen sind dabei ein Mittel, um die Repression dauerhaft zu etablieren und festzusetzen.“
Weibliche Körper stehen immer für mehr als nur für sich selbst - auf sie werden Feind, Territorium und Gesellschaft projiziert.
Journalistin Anastasia Tikhomirova bekräfigte das vergangenes Jahr in einem Kommentar zum Weltfrauentag: „Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt während eines Krieges oder Genozids bedeuten nicht nur Verletzung und Erniedrigung des betroffenen Individuums, sondern auch die soziale Destruktion einer Gesellschaft, der das Opfer sexueller Gewalt angehört.“ Weibliche Körper stehen also immer für mehr als nur für sich selbst - auf sie werden Feind, Territorium und Gesellschaft projiziert.
Thema ist das seit den Demonstrationen 2022 auch immer wieder im Iran. Laut Hashemi versuche man dort durch gezielte Vergewaltigungen Aktivistinnen derart zu traumatisieren, dass sie sich zukünftig von den Protesten zurückziehen. „Mich erinnern die Bilder, die wir jetzt aus Israel sehen – beispielsweise wie die Hamas junge Frauen auf dem Techno-Festival behandelt – an die Videos von der iranischen Sittenpolizei aus dem letzten Jahr. Die Hamas wird vom Iran finanziert und ausgebildet. Und jetzt sieht man, wie sie mit denselben Strategien Frauen gegenübertreten, wie sie sexualisierte Gewalt bewusst einsetzen.“
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Schon in der Rechtsgrundlage für den Internationalen Strafgerichtshof wurde 1998 festgehalten, dass systematische Vergewaltigungen den Tatbestand des Genozids erfüllen. Vergewaltigung und andere Formen von sexualisierter Gewalt werden als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und damit als Kriegsverbrechen anerkannt.
Im Moment geht Israel davon aus, dass mehr als 100 Personen nach Gaza verschleppt wurden, darunter befinden sich auch drei österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger - einer von ihnen wurde heute tot aufgefunden. Die junge Frau auf dem Pick-up-Truck konnte mittlerweile identifiziert werden. Sie ist 22 Jahre alt, besuchte ein Rave-Festival in Israel - und wird immer noch vermisst.