Deutsches Nationalteam genießt "ordentlichen" EM-Auftakt
Den im deutschen Fernsehen von 26,57 Millionen Zuschauern (Marktanteil 68,5 Prozent) verfolgten Auftaktsieg durften alle im DFB-Tross jedoch als gutes Omen bewerten. Bei den vorangegangenen vier Endrunden in der bereits zehnjährigen Amtszeit von Löw erreichte Deutschland anschließend immer mindestens das Halbfinale. Und seit der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz blieb das deutsche Team dabei im ersten Spiel auch immer ohne Gegentor.
"Das war ein klassisches Auftaktspiel. Das Wichtigste war, dass wir drei Punkte geholt und das Spiel gewonnen haben. Wir müssen uns noch steigern, aber so ein Turnier ist ein Marathon, kein Sprint", betonte Mittelfeldmann Sami Khedira. "Deutschland ist eine Maschine", meinte der ukrainische Teamchef Michail Fomenko und trauerte den vergebenen Chancen seiner Elf nach. "Wir waren nicht konzentriert genug und hatten auch nicht das nötige Glück. Das Leben ist damit aber nicht zu Ende. Wir haben noch zwei Spiele vor uns", gab Offensivspieler Jewgeni Konopljanka zu Protokoll und blickte damit bereits auf die Donnerstag-Partie (18.00 Uhr) in Lyon gegen Außenseiter Nordirland.
"Wir sind natürlich schlauer", sagte Toni Kroos, der von der UEFA als "Man of the Match" ausgezeichnet wurde. "Wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen, wenn wir das Turnier gewinnen wollen", resümierte der Real-Madrid-Profi. "Aber es war ein ordentlicher Auftakt." Neben Kroos agierte auch Deutschlands Tormann Manuel Neuer sofort auf höchstem Niveau. Mit mehreren Paraden sicherte der Bayern-Keeper seinen persönlich 50. Sieg im 66. Länderspiel. Und zum 27. Mal stand bei dem 30-Jährigen, der die DFB-Elf diesmal als Kapitän anführte, die Null.
Nach den Toren von Shkodran Mustafi und dem kurz vor Schluss eingewechselten Bastian Schweinsteiger konnten die deutschen Spieler im Stade Pierre Mauroy mit den angereisten Fans feiern. Vor allem Schweinsteiger strahlte nach seinem Kurzeinsatz, bei dem er eigentlich hinten den Sieg sichern sollte, aber dann nach einem langen Sprint vorne nach Maßflanke von Mesut Özil für die Entscheidung sorgte. "Unglaublich, dass es sowas gibt, das kann man sich nur wünschen", sagte der etatmäßige Teamkapitän über seinen ersten großen EM-Moment.
"Ich denke, das Tor gibt Bastian persönlich und auch uns allen Auftrieb", kommentierte Löw. In aller Ruhe kann der Erfolgstrainer nun am Genfer See nach einem Regenerationstag die Arbeit für das im Kampf um die Achtelfinal-Teilnahme und den Gruppensieg so wichtige zweite Spiel am Donnerstagabend (21.00 Uhr) in St. Denis bei Paris gegen Polen vorbereiten.
Das polnische Team um Bayern-Torjäger Robert Lewandowski hatte sein Auftaktspiel gegen Nordirland zuvor am Sonntag mit 1:0 ebenfalls gewonnen. Der Sieger der Donnerstagpartie steht deshalb bereits fix im Achtelfinale. "Das wird schon ein vorentscheidendes Spiel, klar", betonte Löw, der weiß, dass die Endrunde in Frankreich kräftezehrend wird. "Auch das nächste Spiel gegen Polen wird für uns ein harter Kampf werden."
Auch weil es in allen Bereichen noch Steigerungspotenzial bei den Deutschen gibt. Im Angriff war Julian Draxler der auffälligste Unruhestifter. Mesut Özil, Thomas Müller und Mario Götze zündeten noch nicht wie gewünscht. Und die neuformierte Viererkette um Kopfball-Torschütze Mustafi wankte vor allem im letzten Drittel der ersten Hälfte bedenklich. "Da hätten wir uns nicht beschweren können, wenn die Ukraine das 1:1 schafft", gestand Kroos.
Hoffnungsvoll stimmte aber Löw, dass die Kontrolle über Spiel und Gegner nach der Pause wieder intakt war. "Da hatten wir in den einzelnen Ebenen eine sehr gute Aufteilung. Da haben wir das Spiel klar dominiert." Auch wenn es lange eng blieb, bis "Schweini" in der Nachspielzeit das erlösende 2:0 erzielte. "Ein Bastian Schweinsteiger ist Gold wert", lobte Löw. Geradezu euphorisch äußerte sich Neuer: "Ich hoffe, dass Basti so früh wie möglich von Beginn an Spielen kann."
Löws personelle Optionen haben sich mit Blick auf das Gruppenfinale um Platz eins gegen Polen erheblich verbessert. Schweinsteiger ist bereit für mehr Minuten. Mats Hummels gab nach Wadenverletzung grünes Licht für eine Rückkehr schon am Donnerstag in Saint-Denis. Aber auch sein Ersatzmann Mustafi konnte sich mit seiner Kampfkraft und dem Tor für einen weiteren Einsatz an der Seite von Abwehrchef Jerome Boateng empfehlen. "Es war wichtig für mich, meinen Job zu machen und das Vertrauen des Trainers zurückzugeben", sagte Mustafi mächtig stolz.