Burger mit Pommes Frites und Soße
Gerichtsurteil

Die Gasthaus-Genossenschaft: So schmeckt der Dorfwirt in der Buckligen Welt

Ländlich-moderner Flair in Niederösterreich: Hochneukirchen-Gschaidt leistet sich ein Gasthaus.

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Es gibt einfachere Aufgaben, als ein Wirtshaus am Land zu betreiben. Schmeckt es einmal nicht, macht das im Dorf sofort die Runde. Die Preise dürfen nicht zu hoch sein, die Portionen müssen dafür aber bitte üppig ausfallen. Personal? Frage nicht.

Es wird jedenfalls einen Grund gehabt haben, warum das Dorfgasthaus im niederösterreichischen Hochneukirchen-Gschaidt lange ohne Pächter dastand. Um nicht dauerhaft ohne Gastronomie leben zu müssen, hatte man in der 1600-Seelen-Gemeinde in der Buckligen Welt aber eine Idee: Man gründete eine Genossenschaft. Jeder und jede kann mit einem Beitrag von 150 Euro dabei sein, man könnte es auch „Crowd-funding“ nennen. Ein Ort leistet sich ein Wirtshaus. Mit den Genossenschaftsbeiträgen wurde die bestehende Gaststätte renoviert und ein Betreiber geholt. Der Gastronom Bernhard Heiss leitet seither s’Hutwisch, der Koch Helmut Spiess steht in der Küche.

Bei der Renovierung wurde auf örtliche Produzenten gesetzt und ein wirklich schönes ländliches und trotzdem modernes Gasthaus gezimmert – und eines, das offenbar bestens ankommt. An einem Mittwochabend Ende Jänner sind alle Tische besetzt. Ob das alles Menschen sind, die mitgezahlt haben?

Die Karte selbst geht kein Risiko ein: Man findet hier, was man in einem Landgasthaus auch suchen würde. Will heißen: Cordon bleu, Schweinsmedaillons, Schulterscherzl; für Vegetarier dürfte es zum Hauptgang vielleicht ein bisschen mehr sein als Käsespätzle und Senflinsen à la „Oma Inge“.

Rote Rüben mit Salat und Feta

Die Rote Rübe zur Vorspeise kommt mit Blattsalat und Ziegenkäse – eine Kombi, bei der nichts passieren kann und bei der auch nicht viel passiert. Vielleicht hätte der Salat etwas mehr von der hervorragenden Honig-Balsamico-Marinade vertragen, man hätte natürlich auch nachbestellen dürfen.

Intensiver ist die Forelle: Der „Gruabauer“ aus Krumbach hat sie so geräuchert, dass das Raucharoma stets präsent ist, aber nicht überhandnimmt. Wer sie einmal probiert hat, wird nie mehr eine andere wollen. Spiess bettet sie auf einen Gurken-Rahm-Salat und fügt Senfsauce bei, als Garnitur frittierte Petersilie.

Das Rehragout „Bucklige Welt“ ist sehr herzhaft, das Fleisch von bester Qualität. Handgeformte Knödel und ein pikant abgeschmecktes Rotkraut dazu: perfekt. Fürs süße Gegengewicht sorgen die etwas unkonventionelleren Vogelbeeren anstatt der handelsüblichen Preiselbeeren.

Rehragout mit Knödel

Und schließlich der, laut Karte, Höhepunkt: der als „Muuuuhst Have“ angekündigte Hutwischburger. Und der hat leider ähnlich viele Probleme wie dieses Wortspiel: Der Cheddar-Käse ist einfach zu hart geworden, wahrscheinlich wurde er mit dem Speck mitgebraten. Das Fleisch ist zu fest und zu durch. Ob die Pommes knusprig waren? Sagen wir es so: Man könnte darüber genauso streiten wie über den überbordenden Einsatz von karamellisierten Zwiebeln im Burger-Bun. Aber es gibt auch Positives, und das ist die Paprika-Chili-Sauce: rauchig, ölig, mit viel Knoblauch. Nicht jeder Ketchup-Fan wird damit warm werden, auf meiner Seite aber: Begeisterung.

So sympathisch wie das Projekt sind alle Mitarbeiter:innen, die im Hutwisch an diesem Abend Dienst hatten. Dass man vielleicht noch an ein, zwei Schrauben drehen könnte, lässt sich nicht ganz von der Hand weisen. Aber ein Wirtshaus am Land betreiben? Ich würde nicht tauschen wollen. Da kommt ja schnell einmal jemand, jammert wegen ein paar Kleinigkeiten herum und vergisst dabei fast, dass manchmal das Gasthaus mehr zählt als der Burger, den man dort bekommt.

Stimmung: ländlich-moderne Gastfreundschaft

Empfehlung: muuuuhst hingehen!

Preisverhältnis: Vorspeisen 8–10 Euro,

Hauptspeisen 11–21 Euro, Desserts 5–6 Euro

s’Hutwisch, Hauptstraße 28, 2852 Hochneukirchen-Gschaidt

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.