Die Mole West: Ein Besuch beim Klassiker am Neusiedler See
„Der Neusiedler See: Ein See verschwindet“ stand im August vergangenen Jahres am Cover dieses Magazins. Falls Sie es heuer noch nicht zum Meer der Wiener geschafft haben, nur so viel: Es ist noch vorhanden. So richtig prickelnd geht es dem See trotzdem nicht. Am vergangenen Donnerstag betrug der Wasserstand 115,11 Meter über Adria, was zwar leicht über dem Vorjahreswert, aber durchaus unter dem langjährigen Mittel liegt. Aufgrund des Regens im Frühjahr lief die Saison heuer immerhin wasserstandstechnisch nicht ganz so schlecht, wie man im letzten Jahr noch befürchten musste.
In der in Neusiedl am See gelegenen Mole West muss man sich über einen Besuchermangel so oder so keine Sorgen machen – das Publikum strömt seit der Eröffnung anno 2004 verlässlich und in großer Zahl herbei. Sehr hip, sehr angesagt, durchaus auch mit einem Hang zum Pseudo-Ibiza – das war (und ist) der Strandclub to be in der burgenländischen Bezirkshauptstadt. Im Jahre 2021 folgte dann eine Neuübernahme , und weil die Stadtflucht bei den Temperaturen der vergangenen Woche unausweichlich schien, bot sich eine Neuvermessung des kulinarischen Pegelstands an.
Das sanfte Rauschen des Neusiedler Sees hat eine ausgleichende Wirkung zum emsigen Treiben in der darüberliegenden Mole. Die Hütte, oder besser der Steg, ist brechend voll. Der Ausblick – wirklich traumhaft. Das Panorama verleitet zum Abschweifen, aber der Service ist so rasant, da ist kaum Spielraum für Unaufmerksamkeiten auf Gästeseite.
Der Blick auf das Neusiedler Strandbad macht die Portion Pommes praktisch zur Pflichtübung. Hier kommt sie mit Parmesan, Sommertrüffel und Trüffelmayonnaise knackig aus der Fritteuse zu Tisch. Sehr gut, und ein elitäres Gefühl wird gleich mitserviert: Wenn man so was bestellt, steht man weit über dem gewöhnlichen Pommes-Ketchup-Majo-Fan. Glaubt man halt. Die Calamari fritti mit Limetten-Aioli fallen im Vergleich dazu leicht ab. Sie sind ebenfalls knusprig, haben aber definitiv zu viel Salz abbekommen (die Limetten-Aioli ist wiederum sehr dezent abgeschmeckt).
Richtig viele einheimische Fische haben es leider nicht auf die Karte geschafft (dafür Branzino und Goldbrasse), die Tagliatelle mit Tomatensauce, Garnelen und Salatherzen (Bild oben links) basieren auf einer süßlichen Tomatensauce und ein paar Cherrytomaten; die Garnelen sind auf dem Grill leider einen zweiten Tod gestorben. Schnell weiter zum „Goat Cheese Salad“ (Bild oben rechts) mit Cherrytomaten, Feigen, Birne, Weintrauben und Feigen-Senf-Dressing – und der macht tatsächlich vieles wieder gut: Der Salat ist knackig, der Ziegenkäse wurde angegrillt und harmoniert perfekt mit der Marinade. Einen Preis für überbordenden Einfallsreichtum wird man mit diesem Gericht allerdings auch nicht gewinnen.
Auf Nummer sicher gehen auch die Desserts: Die Karte besteht aus ewigen Evergreens, statt auf Cheesecake, Tiramisu oder Crème brûlée fällt die Wahl nach Empfehlung der Restaurantfachfrau auf den Schoko-Lava-Kuchen. Der ist auch tatsächlich souverän gemacht, nicht zu lange im Ofen geblieben, sondern wunderbar flüssig. Dazu: Vanilleeis und Schlag. Gut, aber ja eh.
Die Mole West hat ihre Vorzüge, keine Frage. Ein Besuch lohnt sich schon allein wegen Service und Panorama. Aber nicht nur der See darf hier ruhig noch ein bisschen nach oben gutmachen. Immerhin: Der Strandclub liegt nach wie vor stabil über dem Mittelwert – man darf also (vorerst) Entwarnung geben.
Empfehlung: Mit Leuten kommen, die beeindruckt werden sollen
Stimmung: Man bringe den Spritzwein!
Preisverhältnis: Recht hoch für das Gebotene, selbst wenn man den Ausblick einberechnet
Mole West, Seegelände 9,
7100 Neusiedl am See, molewest.at
