Die Teamchef-Macher: Krach im ÖFB-Präsidium
Ein bisschen Streit muss immer sein. Wenn ein neuer Teamchef gekürt wird, gehören Unstimmigkeiten im ÖFB, dem größten Sportverband des Landes, zur Folklore. Das ÖFB-Präsidium sollte bloß als Aufsichtsrat fungieren, in Wahrheit sitzen dort die Teamchef-Macher. Rechtsanwälte, Richter, Ex-Bürgermeister und Unternehmer, allesamt ehrenamtliche Funktionäre, treffen große Sport-Entscheidungen – ohne Fachkompetenz. Die Teamchef-Suche wird traditionell zum Theater. In den letzten Jahrzehnten ging es weniger um die Entwicklung des Verbandes, sondern um Eitelkeiten, persönliche Machtspiele und darum, „alte Rechnungen zu begleichen“, wie selbst Präsidiumsmitglieder einräumten.
Das föderalistisch besetzte ÖFB-Präsidium besteht aus neun Landespräsidenten, ÖFB-Präsident Gerhard Milletich und drei Vertretern der Bundesliga. Immer wieder kracht es unter den Entscheidungsträgern. Die Feindschaft zwischen der West-Achse und Ex-Präsident Leo Windtner führte gar zum Ausspruch des Salzburger Landespräsidenten Herbert Hübel: „Wenn ich den Windtner nur ansehe, wird er blass“.
„Wir haben eine Lagerbildung“, betont Landespräsident Gerhard Götschhofer
Die Lage ist schon wieder verzwickt. „Wir haben eine Lagerbildung“, betont der oberösterreichische Vertreter Gerhard Götschhofer, im Zivilberuf Rechtsanwalt, aktuell im profil-Gespräch. Die Lagerbildung wurde vergangenen Freitag offensichtlich. Einige Landespräsidenten forderten eine Zusammenkunft des Präsidiums rund um das Frauen-Länderspiel in Wr. Neustadt – und einen Lagebericht von Sportdirektor Peter Schöttel zur Teamchef-Suche. Doch dann erkrankte der Sportdirektor kurzfristig, die Sitzung wurde abgesagt.
Ein Teil der Präsidiums-Mitglieder kam trotzdem nach Wiener Neustadt – doch die anwesenden Männer, die sich zuweilen spinnefeind sind, trafen dort nicht aufeinander. Die Landesvertreter Hübel (Salzburg, der mittels Vollmacht auch den Tiroler Präsidenten Josef Geisler vertrat) und Götschhofer (Oberösterreich), Erwin Fuchs (Bundesliga) sowie ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold trafen einander vor dem Spiel in kleiner Runde zu einer Rumpf-Sitzung. Man habe „in zwei E-Mails dem Präsidenten verdeutlicht, dass dieses Treffen zustande kommen soll“, betont Götschhofer. Doch Milletich kam nicht.
Gegenüber profil meint dieser: Schöttel sei mit „38,5 Grad Fieber“ im Bett gelegen und generell wäre es „brotlose Kunst“ gewesen, „über sportliche Entscheidungen ohne Sportdirektor zu sprechen“.
Man hätte Sportdirektor Schöttel „per Skype oder übers Telefon zuschalten können“, ärgert sich Götschhofer gegenüber profil.
Eine zweite Gruppe der Funktionäre, vorwiegend Vertreter der östlichen Bundesländer, trafen einander abends beim Spiel: Johann Gartner (Niederösterreich), Präsident Milletich, ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer und Robert Sedlacek (Wien).
ÖFB-Präsident Milletich: „Ich möchte nicht, dass die Landespräsidenten sagen: Ich hätte gerne diesen oder jenen“
Warum suchte der ÖFB-Präsident nicht das einende Gespräch? Der Hintergrund: Milletich war die eilig geforderte Sitzung ohnehin ein Dorn im Auge. Gegenüber profil betont er: „Im Präsidium wurde präsentiert, welchen Kriterien Schöttel bei seiner Teamchef-Suche folgt – und wir haben dann gesagt: Jetzt soll er einmal arbeiten.“ Milletich sieht sich als Macher, will die Landespräsidenten bei der Teamchef-Suche nicht stärker einbinden als unbedingt nötig. Schöttel soll (unterstützt von Experten) seinen klaren Favoriten nennen, so die Vorgabe, und die Männer im Präsidium mögen „die wirtschaftliche Machbarkeit“ prüfen. „Wenn es um den Teamchef geht, haben wir genügend Kompetenz“, erklärt Milletich. „Ich möchte nicht, dass hier die Landespräsidenten sagen: Ich hätte gerne diesen oder jenen.“
Der verärgerte oberösterreichische Rechtsanwalt Götschhofer zählt zu den gemäßigten Funktionären, der Verstand vor Emotion stellt. Er hat 2017 die Abwahl des manisch am Fortschritt werkenden Sportdirektors Willi Ruttensteiner verurteilt und sich gegen die Installierung des unbedarften Schöttel gestellt. Gegenüber den „Oberösterreichischen Nachrichten“ mahnte er zuletzt Reformbedarf ein: „Es wäre zeitgemäß, dass die Wahl des Teamchefs nicht mehr durch uns erfolgt“. Von Milletich als ÖFB-Präsident dürfte er nicht überzeugt sein; in sein Amt wurde der Burgenländer ohne die Stimme des Oberösterreichers gewählt.
Gegenüber profil betont Götschhofer, dass es für ihn grundsätzlich denkbar wäre, „Sportdirektor, Präsident und die beiden Geschäftsführer zu ermächtigen, den Teamchef zu bestellen“. Doch dafür müsste man die Zuständigkeiten innerhalb des ÖFB ändern.
„So läuft es derzeit nicht“, erklärt der Oberösterreicher, und als aktueller Entscheidungsträger wolle er „informiert werden“. Götschhofer betont, dass die Teamchef-Frage von großer Bedeutung sei – doch großes Vertrauen setzt der Rechtsanwalt offenbar weder in Milletich noch in Schöttel. „Wir sind im ÖFB-Präsidium keine Experten, aber wir müssen dann innerhalb von einer Stunde eine Entscheidung treffen“, beklagt er. „Wie soll das ohne Vorinformationen funktionieren?“
Aus dem Umfeld Milletichs heißt es: Der Präsident sei deshalb nicht zur erbetenen Zusammenkunft erschienen, um den Eindruck zu vermeiden, die honorige Herrenrunde würde zur großen Teamchef-Mauschelei ausrücken – ohne sportlichen Experten in der Runde. Schon am frühen Freitag-Vormittag sei deshalb die Sitzung mit der Begründung „Schöttel ist krank“ vom ÖFB abgesagt worden.
Das ÖFB-Präsidium ist keine homogene Truppe. Es gibt Männer, die richtiggehend Freude an Machtspielchen zeigen. Und welche wie Götschhofer, die ernsthaft an einer guten Entscheidung interessiert sind.
Derzeit kristallisieren sich zwei Gruppen heraus, die innerhalb ihrer Zirkel wiederum von unterschiedlichen Motiven geleitet werden. Götschhofer, Hübel und Geisler zählen jedenfalls aktuell zu den Gegenspielern Milletichs, die ihm bei der Wahl zum Präsidenten im Oktober 2021 allesamt ihre Stimmen verweigerten.
So lange der Burgenländer eine Mehrheit im Präsidium hinter sich wähnt, dürfte er auf missionarischen Eifer verzichten – und Wünschen und Klagen seiner Widersacher kühl begegnen. Milletich lässt es offenbar auf eine Machtprobe ankommen. Das hatte vor über zehn Jahren schon sein Vorgänger Windtner versucht, der gemeinsam mit dem damaligen Sportdirektor Willi Ruttensteiner den Schweizer Marcel Koller an den restlichen Entscheidungsträgern vorbei als Teamchef durchboxte. Die späte Rache folgte im vergangenen Jahr, als Windtner – nach jahrelangen von seinen Kollegen erzwungenen Zugeständnissen – die Wiederwahl verwehrt wurde. Nun will also das Duo Milletich und Schöttel den großen Wurf landen.
Milletich fordert von Schöttel: „Bitte sei offen, schau dir alle an“
Die Lage spitzt sich zu: Der neue Teamchef soll spätestens am 29. April offiziell gewählt werden. Die Zeit drängt.
„Ich habe noch keine zwei Minuten einen Bericht über die Teamchef-Suche erhalten“, klagt Götschhofer gegenüber profil. Dabei wäre er auf „ein fachliches Briefing“ angewiesen. Peter Schöttel sei nun einmal „der einzige Experte im ÖFB. Sehen Sie sonst einen Fachmann im Präsidium?“
Milletich kann die Aufregung nicht ganz verstehen: Schöttel hatte Fieber. Und schließlich wurde die Sitzung nicht gestrichen, sondern verschoben.
Im profil-Gespräch versucht der ÖFB-Präsident zu kalmieren: die Teamchef-Suche laufe gut. Von Schöttel habe er gefordert: „Bitte sei offen, schau dir alle an – Trainer im Inland und im Ausland.“ Und: Bei der geforderten Sitzung solle ohnehin „kein formaler Beschluss gefasst“ werden, der eine schnelle Entscheidung der Funktionäre erfordere. Vielleicht aber, so fügt Milletich an, werde man sich dabei „inhaltlich“ einigen. Manch Funktionär fürchtet einen unkreativen und zu naheliegenden Vorschlag Schöttels, der den Verband als lahm und unbelehrbar erscheinen lassen könnte. Aus Milletichs Umfeld heißt es: Keine Sorge. Schöttel wurden Experten zur Seite gestellt.
Die Lage bleibt kompliziert. Wenn er nicht rechtzeitig informiert werde, hält Götschhofer fest, „wird es halt von mir keine Entscheidung geben“. Kommenden Donnerstag soll die geforderte Sitzung nachgeholt werden.
Wenn die Männer dann zusammentreffen, gelten die üblichen Gepflogenheiten: entweder die Wogen glätten sich – oder der Streit eskaliert.