Streit

Die Unterhosengrünwaschung

Die Autorin und Aktivistin Nunu Kaller würde gerne selbst die Verantwortung für ihr Einkaufsverhalten übernehmen-aber dabei wenigstens nicht angeschwindelt werden.

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von Nunu Kaller

Letztens wurde ich beschimpft, weil ich Unterhosen gekauft hatte. Ich nenne es inzwischen liebevoll "Unterhosengate", weil sich "Unterhosenshitstorm" dann doch blöd anhört. Aber warum? Weil ich die Unterhosen bei Primark kaufte. Ich, die seit zehn Jahren ständig Fast Fashion kritisiert. Es war eine blöde Situation, ich war am Land, brauchte dringend welche, Primark war für mich genauso weit weg wie die nächste kleinere Stadt, und der Kontostand zeigte leider auch klar, wie das Match Palmers vs. Primark ausgehen würde.

Ja, seit Jahren kritisiere ich Fast Fashion. Und dennoch sagte ich auch seit Jahren: Mir ist der Primark immer noch beim Allerwertesten lieber als der von mir liebevoll "Textilschwede" genannte Anbieter beim Gesicht.

Die Autorin und Aktivistin Nunu Kuller würde gerne selbst die Verantwortung für ihr Einkaufsverhalten übernehmen. 

Der Grund: Während der Textilschwede im letzten Jahrzehnt alles daransetzte, als möglichst nachhaltig wahrgenommen zu werden, bekam man das bei Primark nicht mit. Während man von H&M Plakate über ganze Hausfassaden und teure TV-Werbungen für ihre "nachhaltigeren" Kollektionen zu sehen bekam, sah man von Primark nichts. Klar, sie produzieren Fast Fashion auf billigste Art und Weise. Da ist alles dabei, was der Umwelt und den Menschen nicht guttut: unökologische Materialien, Einsatz vieler Chemikalien, und um zwei Euro pro Shirt kann die Näherin nichts daran verdient haben. Aber sie machten mir auch nichts anderes vor. Beim Textilschweden wurden mir Blusen und Kleider aus Polyester (dem unnachhaltigsten Material der gesamten Modebranche) als öko angeboten, und bei der Baumwolle setzte man auf die Better Cotton Initiative, die das "besser" zwar im Namen trägt, aber nicht allzu viel mit echter Biobaumwolle zu tun hat. Jedes kleinste Umweltprojekt wurde riesig präsentiert-unvergessen der Nachhaltigkeitsbericht vor acht Jahren, als sie Waschanleitungen als nachhaltigen Schritt präsentierten. Ich mein, Waschanleitungen! Nachhaltig?! Geht's noch?

Wenn wir schon übel einkaufen müssen, dann bitte wenigstens bei denen, die nicht auf nachhaltig tun.

Nunu Kaller

Alles, was man irgendwie auf nachhaltig drehen konnte, wurde ausgenutzt. Viele sehen das kritisch: In den USA läuft gerade eine Klage wegen Greenwashings gegen H&M.

Wenn wir schon übel einkaufen müssen, dann bitte wenigstens bei denen, die nicht auf nachhaltig tun. Damit ich mich klar entscheiden kann: Ja, ich kaufe kein umweltfreundliches Produkt und ich übernehme dafür meine persönliche Verantwortung.

Dachte ich. Doch dann traute ich vor der Primark-Filiale kaum meinen Augen. Riesige Plakate zeigten, dass Primark jetzt viel nachhaltigere Baumwolle verarbeite, dass die Arbeiter:innen fairer bezahlt werden und sich für uns Konsument:innen die Preise trotzdem nicht ändern. Na toll.

Mich ärgerte nicht (nur), dass es dort so viele schlechte Fast-Fashion-Produkte um quasi kein Geld gab, sondern viel mehr, dass ich glauben sollte, diese seien ja gar nicht schlecht, im Gegenteil, mit meinem Kauf von Unterhosen im Dreierpack würde ich das Leben der mich am Plakat so freundlich anlachenden Näherin massiv verbessern! Wer auch nur ein bisschen Einblick in die globale Textilproduktion hat, weiß: Nein, das geht sich einfach nicht aus. Fast Fashion ist Ausbeutung. Und ich wurde um meine pragmatische Entscheidung gebracht. Meine Verantwortung liegt nun mal auch in meiner Kaufentscheidung-aber um zu so einer zu kommen, würde ich am Weg dorthin bitte gerne nicht angelogen werden.

Wenn es etwas gibt, das mich in meiner Arbeit rund um nachhaltigen Konsum in den letzten Jahren verlässlich auf die Palme treibt, ist es der Ausdruck "mit gutem Gewissen einkaufen". Shoppen, bis die Kreditkarte glüht, aber "mit gutem Gewissen", weil uns auf jedem Produkt grüne Stempel anlachen, die Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit suggerieren. Dieses gute Gewissen lässt uns Geld sehr viel leichter ausgeben-und genau deshalb setzen Marketingabteilungen alles daran. Die freiwilligen Schritte zu mehr Nachhaltigkeit von Unternehmen kann man sich also einmargerieren.

Greenwashing ist Umsatztreiber und eine der größten Hürden am Weg zu einer echten, systemischen Veränderung des Marktes der Fast Moving Consumer Goods, also etwa Lebensmitteln oder Kleidung. Wenn mir schon jeder mit Eigenverantwortung kommt, dann würde ich bitte auch gern klar entscheiden können zwischen gut und böse, und nicht zwischen gut und tut halt auf gut. Im Lebensmittelbereich gilt seit 2010 EU-weit: Wo Bio draufsteht, muss ein Produkt aus biologischer Produktion drin sein. Im Textilbereich gilt das nicht. Natürlich gibt es einige vertrauenswürdige Gütesiegel, nur leider sind die in dem Meer an Standards, die sich die Firmen einfach selbst schreiben, damit sie sich selbst als nachhaltig ausloben können, schwer zu finden. Wäre es nicht schlauer, wenn in Sachen Greenwashing alle auf die gleichen strengen Regeln treffen?

Nunu Kaller: Kauf mich! 

Kremayr & Scheriau. 240 S., 

EUR 22,-

Die Politik hat hier ihre Verantwortung noch nie so richtig wahrgenommen. Es wurden kommunikativ keine Grenzen gesetzt. Das muss sich ändern. Es braucht klare Regelungen, ab wann ein Produkt, egal ob Unterhose oder Ballkleid, als nachhaltig bezeichnet werden darf. Damit ein für alle Mal klar ist, was ich wirklich mit gutem Gewissen kaufen kann. Wenn ich es brauche.

Nunu Kaller

hat als Sprecherin für NGOs wie Global 2000, Vier Pfoten und Greenpeace gearbeitet und engagiert sich als Autorin, Aktivistin und Beraterin insbesondere für Feminismus und Nachhaltigkeit. Ihr aktuelles Buch heißt "Kauf mich! Auf der Suche nach dem guten Konsum" (im Verlag Kremayr & Scheriau).