Do&Co am Stephansplatz: Zum Kirchenwirt
Reich und schön müsste man sein. Der Blick in Brieftasche und Spiegelbild offenbarten mir früh: Schaut in beiden Fällen nicht gut aus. Doch um das Do&Co im Haas-Haus am Wiener Stephansplatz überhaupt betreten zu dürfen, sollte man zumindest eines dieser Attribute erfüllen. Dachte ich jedenfalls. Hingehen wollte ich trotzdem, also versuchte ich es im Jahre 2008 über die Hintertür: mit einem Studentenjob als Kellner. Eine beinahe schicksalhafte Entscheidung, die letzten Endes dazu geführt hat, dass ich ab sofort jede zweite Woche diese Kolumne schreiben darf.
Aber der Reihe nach: Es mag der kulinarisch hochbegabten Mutter zu verdanken sein, die Liebe zu Dingen am Herd packte mich jedenfalls schon sehr früh. Bereits im Volksschulalter war klar: Ich werde damit beruflich zu tun haben. Die Lehre zum Koch und Restaurantfachmann (früher: Kellner) am Kärntner Teil der Turracher Höhe begann so früh wie möglich. Während der Lehre maturierte ich. Danach auf nach Wien. Studieren. Etwas Unpassendes sollte es sein. Am besten irgendwas mit Medien.
Bereits während der Lehre hatte sich herauskristallisiert: Das Servieren lag mir eindeutig mehr als das Kochen; komplizierte Überlegungen, welcher Job mir wohl das Film- und Medienwissenschafts-Studium finanzieren könnte, waren also nicht notwendig. Nach einem nicht besonders beinharten Auswahlverfahren hatte ich den Job als Kellner im Haas-Haus. Dort lernte ich recht bald den damaligen profil-Herausgeber Christian Rainer kennen. Jahre später, ich war fast fertiger Medienwissenschafter, bot er mir ein Praktikum bei profil an. Ich zögerte nicht eine Sekunde. Ungefähr ebenso lang dauerte die Auswahl des Lokals, das in dieser Kolumne als erstes behandelt werden sollte.
Der Flagshipstore von Attila Dogudans Cateringimperium ist wohl eines der wenigen echten Kult-Lokale Wiens; Insider und Gäste des legendären Stammtisches nennen es auch „Kirchenwirt“. Hier speisen wirkliche Stars, österreichische Prominente, Touristen, Geschäftsleute und Menschen, die sich einmal was gönnen wollen. Wenn man im Sommer Glück hat und einen der begehrten Plätze auf der Terrasse ergattert, weiß man auch, warum das so ist: Man fühlt sich dann automatisch wie eine very important person. Der Blick auf Kärntner Straße, Stephansdom und Graben ist einzigartig – Wiens Imponiergehabe wird hier zum ernsthaften Flirt.
Do&Co, das ist natürlich auch ein bisschen Systemgastronomie. Küchenchef Thies Backhus muss eine Weltmarke repräsentieren. Das gelingt ihm allerdings schon seit Jahren auf kontinuierlich hohem Niveau. Im Do&Co ist für alle etwas dabei. Die Speisekarte spannt den Bogen von der Wiener Küche über Salzwasserfische hin zum thailändischen Curry-Gericht. Einmal alles bitte!
Der erste Gang, die Crispy Prawns, sind so etwas wie der Signature Dish des Hauses. Die in Tempura-Teig gebackenen und danach in einer Chili-Mayonnaise gewälzten Crevetten bekommt man mittlerweile auch anderswo. Doch im Haas-Haus wird der dazugehörige Häuptelsalat mit Perigord-Trüffeln getoppt und mit der Zitrusfrucht Yuzu mariniert. Das neutralisiert die Schärfe der Garnelen.
Auch beim Hauptgericht dient die Beilage als beruhigender Faktor: Das Pay Ca Paw wird mit gedämpftem Reis serviert und ist – für europäische Gaumen – sportlich scharf. Das klein geschnittene, dann mit Chili und Paprika angebratene Rindsfilet träumt einen kurz hin zu den Feuertöpfen thailändischer Märkte. Das wir hier immer noch in Wien sind merkt man dann bei der butterzarten, laut Karte sechs Stunden in Olivenöl gegarten Lammstelze, die mit Mais-Mousseline, geräucherter roter Paprika und Broccolini daherkommt. Optisch hat der Räuchervorgang dem Gemüse ein bisschen zugesetzt: So richtig knackfrisch sieht es nicht mehr aus; schmecken tut es aber.
Beim Bier nach Dienstschluss kommt man als Servierer schon mal ins Träumen – vor allem, wenn man nebenbei Filmwissenschaft studiert. Man träumt dann zum Beispiel vom Rollentausch mit dem Gast. Das Service im Do&Co war bei meinen Besuch so zuvorkommend und effizient, wie es nur sein konnte. Und doch: Der enorme Druck einer Kellner-Schicht kann zwar Glücksgefühle auslösen, geht einem beim Sich-selbst-bedienen-Lassen aber auch nicht wirklich ab. Aber wovon träumen Chefs vom Dienst bei politischen Nachrichtenmagazinen? Von der eigenen Gastro-Kolumne? Gut möglich. Na, Mahlzeit.
Empfehlungen: Crispy Prawns, Pay Ca Paw, Raspberry Bonfire
Stimmung: gut gelaunter Hotspot
Preisniveau: hoch, aber der Lage entsprechend
Do&Co Restaurant Stephansplatz
Stephansplatz 12
Haas Haus
1010 Wien
https://www.docohotel.com/vienna/de/restaurant/