Wirtschaft und Ernährung

Dotterdämmerung: Die große amerikanische Eierkrise und ihre Folgen.

Wie das Hühnerei unter Donald Trump politisch wurde, warum es in Österreich zu Ostern trotz allem knapp werden könnte, und weshalb der Mensch ohne Ei auch nur ein halber wäre.

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Wenn wir uns fragen, was zuerst war, die Inflation oder das Ei, dann lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: Zuallererst war da die Vogelgrippe, und dann wurde es leider sehr schnell politisch (sowie in weiterer Folge auch ein bisschen doof). „When I took it over, eggs were through the roof, and now eggs are down“ („Als ich übernommen habe, gingen Eier durch die Decke, und jetzt sind Eier am Boden“), erklärte US-Präsident Donald Trump am 16. März bei einem Presse-Statement an Bord der „Air Force One“. Trump reagierte mit diesem erklärungsbedürftigen Zitat auf die große amerikanische Eierknappheit, die die USA seit Monaten in Aufruhr versetzt – und die möglicherweise sogar ein bisschen wahlentscheidend war.

Stars and Eggs

Seit Anfang 2022 mussten in den USA über 170 Millionen Hühner nach Ausbrüchen der Vogelgrippe (H5N1) getötet werden, der Großhandelspreis für ein Dutzend Eier ist in dieser Zeit von knapp über einem Dollar auf mehr als acht Dollar Ende Februar 2025 gestiegen. Im März ist der Eier-Börsenpreis zwar wieder stark gefallen, aber die Versorgungslage bleibt prekär und das Preisniveau für die Endverbraucher hoch: Im Supermarkt kostet das Dutzend in den USA aktuell immer noch mindestens sechs, eher acht Dollar, was im Billigeierland USA ein geradezu empörender Preis ist.

Berichte von Panikkäufen häufen sich, viele Supermärkte mussten die Zahl der pro Kunden abgegebenen Eier stark einschränken. Am 22. März gelang der Skin-Care-Marke „The Ordinary“ ein schöner PR-Coup, als sie in ihren Flagship-Geschäften in New York frische Hühnereier im „Ordinary“-Design und zum gestützten Preis von nur 3,37 Dollar anbot („solange der Vorrat reicht“).

Längst hatte die Knappheit da schon eine politische Dimension.

Präsident Trump hatte im Wahlkampf intensiv mit den unter Präsident Biden gestiegenen Lebensmittelpreisen kampagnisiert. Er habe die Wahlen „mit der Grenze und mit den Supermarktpreisen“ gewonnen, erklärte Trump in einem NBC-Interview im Februar. Entsprechend fieberhaft arbeitet die Regierung Trump an einer Bekämpfung der galoppierenden Eiflation. Dabei kommen widersprüchliche, teils gefährliche Strategien zum Einsatz. Die Eierkrise als Anschauungsbeispiel für die populistische Schizophrenie der aktuellen US-Regierung:

US-Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. schlug vor, das Vogelgrippevirus in den betroffenen Herden einfach durchlaufen zu lassen, weil auf diese Weise resistente Tiere übrig blieben und weitergezüchtet werden könnten. Allerdings züchtet man in einer Population von hybriden, also nicht nachzuchtfähigen Tieren keine resistenten Hühner, sondern allenfalls neue, auch für den Menschen gefährliche Virusvarianten.

Das US-Landwirtschaftsministerium hat seinerseits die Eindämmung der Vogelgrippe zur obersten Priorität erhoben, allerdings grätschte Elon Musks Einsparungsbehörde DOGE dazwischen und setzte die Kettensäge bei den staatlichen Veterinären an. Auch die steigende Repression gegen migrantische Arbeitskräfte verunsichert die US-Geflügelindustrie, die etwa 70 Prozent ihrer Mitarbeiter unter Ausländern rekrutiert, von denen bis zu 40 Prozent ohne geklärten Aufenthaltsstatus tätig sind.

Derweil wurden mehrere europäische Partner vom US-Handelsministerium um Eierexporte gebeten. Rund 100 Millionen ausländische Eier pro Monat sollen die amerikanische Eierlücke schließen, was den europäischen Regierungen angesichts der aktuellen Handelskriegsdrohungen etwas schizophren vorkommen dürfte.

Merke: Politik ist das Finden vieler Eier.

Land der Eier, zukunftsreich

Die Verbandszentrale der Geflügelwirtschaft Österreich befindet sich in einer städtebaulichen Extremlage des 20. Bezirks, verfügt über eine sehr gute S-Bahn-Verbindung und nur wenig ländliches Flair. Sie teilt sich ihr Büro im „Haus der Tierzucht“ mit den Kolleginnen und Kollegen vom Schaf- und Ziegenverband sowie den Verbänden Fleckvieh Austria, Rinderzucht Austria und Schweinehaltung Österreich. Michael Wurzer, Vorstand und Sprecher des Geflügelwirtschaftsverbands, empfängt in seinem sonnigen Besprechungszimmer, unter dem Schreibtisch steht natürlich eine Kiste mit gefärbten Ostereiern. Was die vorösterliche Eiersituation in Österreich betrifft, kann Wurzer beruhigen: „Der Frischeimarkt in Österreich ist stabil, weil der ganz große Teil der heimischen Produktion Vertragsware ist. Das heißt, es gibt jährliche Qualitäts- und Preisvereinbarungen zwischen den Eier-Packstellen und dem Lebensmitteleinzelhandel.“ Das sorgt für stabile Preise, aber bisweilen – also zum Beispiel jetzt im Moment – auch für Zielkonflikte: Etliche heimische Legehennenbetriebe würden ihre Ware gerade gern am internationalen Spotmarkt handeln, sind aber langfristig verpflichtet. Gleichzeitig führt der drastische, vogelgrippebedingte Preissprung am europäischen Markt viele Großhandelskunden, beispielsweise aus der Gastronomie, dazu, auf Eier aus österreichischer Produktion umzusteigen. Das sorgt freilich zu Versorgungsengpässen im heimischen Lebensmitteleinzelhandel, der im Frischeiersegment ausschließlich mit österreichischen Eiern handelt. Michael Wurzer bezeichnet Letzteres mit sichtlichem Verbandsvertreterstolz als herausragenden Erfolg.

Österreich ist überhaupt ein Vorzeige-Eierland. Dass der Welttag des Eis am zweiten Freitag im Oktober gefeiert wird (binnenreimtechnisch hätte sich ja der Mai aufgedrängt), geht auf österreichische Initiative zurück. Die heimische Branche hat ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, auch aus historischen Gründen: Österreich ist das erste Land in Europa, in dem die konventionelle Käfighaltung komplett verboten wurde, und ist auch CO2-bilanztechnisch hervorragend aufgestellt: „In keinem anderen EU-Land werden Eier klimafreundlicher produziert als in Österreich“, jubelt die Verbandszeitung der Österreichischen Geflügelwirtschaft, die „Feder“.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.