Drei Gänge mit ... Florian Klenk
Wenn Florian Klenk aufgeregt ist, dann spricht er noch mehr als sonst, und seit 45 Minuten redet er durch. Nein, er redet nicht, er formuliert: Wir sitzen im Auto, und Klenk wirft mit Schlagzeilen um sich, mit Einstiegen und szenischen Einschüben. Es ist wie bei einer Exkursion in der Reportageschule, allerdings bin ich der einzige Schüler und kann nicht mitschreiben, weil ich die Hände am Lenkrad habe. Jetzt macht er ein Erinnerungsfoto, das Straßenschild „Traiskirchen 1 km, Oberwaltersdorf 4 km“ gefällt ihm. „Hier sieht man die beiden entgegengesetzten Richtungen Österreichs, rechts Babler, links die Korruption“, sagt er, und um sicherzugehen, dass ich mir das auch ohne Notizzettel merke, wiederholt er den Witz.
Wir fahren nach links. Korruption ist das Leib- und Magenthema von Florian Klenk, dem Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Falter“, wobei das zu kurz gegriffen ist: Klenk ist mehr als ein Journalist, er macht Bücher, Filme, verkauft „Falter“-Abos, vor allem aber twittert er. Auf der Plattform ist er fast so reichweitenstark wie Armin Wolf, anders als der muss er aber keine „ORF-Social-Media-Richtlinien“ einhalten. Für alle, die die Regierung nicht so super finden, ist er deswegen ein Star, für die anderen ein Feindbild. Klenk hat damit kein Problem, im Gegenteil, er mag es, wenn’s laut wird, vor allem um ihn, darum legt er, wenns kracht, meistens noch Feuer nach.
Klenk mag es, wenn's laut wird, vor allem um ihn, darum legt er, wenn's kracht, meistens noch Feuer nach.
„Lass uns ins Fontana gehen“, hatte Florian Klenk gesagt. Er klang dabei so aufgekratzt, als hätte er eine Mutprobe vorgeschlagen, und ein bisschen fühlt sich unser Ausflug auch so an: Das Fontana-Ressort ist eine aberwitzige Wohnanlage mit integriertem Golfclub im Süden von Wien, Frank Stronach hatte es in den 1990er-Jahren errichtet. Es sieht aus wie eine Mischung aus den Housewives of New Jersey und einer dieser künstlichen Inseln in Dubai, ohne Influencer zwar, dafür mit jeder Menge Menschen, die Wert auf Anonymität und gute Security legen. Die Anlage gehört heute Sigi Wolf, das macht den Ausflug noch spannender, denn Wolf ist einer der Hauptdarsteller in Klenks Welt. Eurofighter, Kurz, U-Ausschüsse, Thomas Schmid, dubiose Russland-Connections: Die ganze Anreise hindurch hat er erzählt, was Sigi Wolf alles gemacht hat, und dann auch noch Florian Scheuba angerufen, damit der über Lautsprecher wiederholt, was Klenk davor schon gesagt hat. In die Erzählung hat er auch ein paar Witze eingebaut, zum Beispiel den, dass die Leiterin des Finanzamts, die sich für Wolf eingesetzt hat, als Belohnung vielleicht gar nicht das Finanzamt Baden wollte, sondern „baden wollte“, schließlich gibt es in Fontana einen großen künstlichen Badesee. Auch den Witz hat er mehrmals gemacht, ich hatte die Hände ja immer noch am Lenkrad.
„Das ist schon ziemlich hässlich“, sagt er, als wir endlich am Parkplatz stehen. Er macht ein Foto, dann noch eins, er spricht ein Video ein, für wen, das wird sein Geheimnis bleiben, und zum Schluss steigen wir in ein Golf-Car, das vor dem Restaurant steht. „Machen wir ein Selfie“, sagt er, „bissl Spaß muss schon auch sein.“ Ein „bissl Spaß“ ist gut, wir sind mittlerweile so aufgekratzt wie zwei 14-Jährige, die sich in einen Erwachsenenfilm sneaken und davor ausmalen, wie lässig sie sein werden, wenn man sie erwischt. „Komm, wir rufen den Juraczka an“, sagt Klenk, Manfred Juraczka, früher ÖVP-Wien-Chef und heute Twitter-Figur, ist Geschäftsführer von Fontana. „Blöd, ich hab seine Nummer nicht. Machen wir ein Foto und twittern es.“ Zehnjährige, und kein Erwachsenenfilm, sondern ein zweites Eis, obwohl die Mama nur eins erlaubt hat.
"Sigis Kalbsnaturschnitzel"
Das ist ein Witz, an dem Klenk nicht vorbeigehen kann, auch wenn es kulinarisch die falsche Entscheidung ist.
Wir twittern Juraczka nicht an, sondern gehen durch die schwere Eisentür in den Golfclub, und dort passiert: nichts. Kein Security schaut böse, niemand verwehrt uns den Zutritt, im Gegenteil, nur ein Angestellter erkennt ihn und sagt: „Hallo Herr Klenk, schön Sie zu sehen.“ Und bringt uns zum Platz. Das war’s? Das war unsere Mutprobe?
Es ist gar nicht einfach, Florian Klenk zu sein. Er weiß so viel und teilt sein Wissen so gerne, egal ob es dabei um das System von Sebastian Kurz, juristische Feinheiten oder iPhone-Fotofilter geht. Er ist ständig unter Strom, und selbst wenn er beim Essen sitzt, ist man mit ihm nie ganz allein. Er twittert, telefoniert, beantwortet Mails, auch während er sich durch die Speisekarte kämpft und nicht entscheiden kann, ob er das Tagesgericht (Knusprige Garnelen, 23,90 Euro) oder doch Spesen produzieren und das Rinderfilet (39 Euro) bestellen soll. Dann entdeckt er „Sigis Kalbsnaturschnitzel“ (28,90 Euro). Das ist ein Witz, an dem Klenk nicht vorbeigehen kann, auch wenn es kulinarisch die falsche Entscheidung ist, wie sogar der Kellner sagt: „Das ist ein ganz normales Naturschnitzerl mit buntem Gemüse und Erdäpfel.“ Klenk hört da schon gar nicht mehr zu, er telefoniert, eine der vier Mitarbeiterinnen, die er davor zu erreichen versucht hatte, hat den Fehler gemacht, zurückzurufen.
„Siehst du die Kameras“ fragt Klenk, „die sind nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet.“ In der Tat ist das sonderbar. Welches Lokal filmt die eigenen Gäste, und vor allem: warum? Kontrolliert der Hausherr, wer bei ihm sitzt? Mutprobe hin oder her, wir reden lieber nicht mehr allzu laut über den Wein, der kommt nämlich von Wolfs Weingut. Und nachdem es über den sehr kräftigen Grauburgunder in der Weinkarte heißt: „Möchte man das Wort Harmonie erläutern, dieser Wein wäre die beste Erklärung dafür“, hat er offenbar sogar zu Harmonie einen sehr aggressiven Zugang. Wir bleiben also bei der Medienlandschaft. Klenk erklärt mir, wie man die meisten österreichischen Magazine besser machen könnte, auch das profil, und warum der Falter als einziges Medium auch die Jungen erreicht.
„Lass uns ins Fontana gehen“, hatte Florian Klenk gesagt. Er klang dabei so aufgekratzt, als hätte er eine Mutprobe vorgeschlagen, und ein bisschen fühlt sich unser Ausflug auch so an.
Klenk ist ein geübter Redner, man hört ihm gerne zu, aber dummerweise wird man im Fontana oft abgelenkt – und er selbst auch. „Waren die jetzt wirklich nackert“ sagt er plötzlich, und ja, waren sie. Immer wieder kommen einen Stock tiefer halb nackte Menschen aus der einen Tür und verschwinden hinter einer anderen. Wer sind diese Menschen? Und wer geht überhaupt ins Fontana? Das Bücherregal neben unserem Tisch hilft: Viele der Bücher sind kyrillisch, und der Bildband „Treasures of Belarus“ interessiert wohl auch nur eine ganz spezielle Zielgruppe.
Klenk hat mittlerweile auch die Details der Dreharbeiten zu seinem Film „Bauer und Bobo“ erzählt, wir sind also schon beim Dessert angelangt. Wir zahlen und sind ein bisschen enttäuscht, dass unser wilder Bubenausflug so komplett friktionsfrei zu Ende geht. Da kommt ein Angestellter und verabschiedet sich von Klenk: „Sie rechnen vielleicht an diesem Ort nicht damit, aber ich wollte Ihnen das persönlich sagen: Die Arbeit, die Sie machen, ist wichtig für unser Land.“
Damit hat Klenk tatsächlich nicht gerechnet. Er sagt nämlich: nichts.