Auf seiner Visitenkarte steht „Strategieberater“, doch im echten Leben ist Heimo Lepuschitz so etwas wie der blaue Clown im österreichischen Politikzirkus, bekannt aus so ziemlich jeder Krawallshow dieses Landes.
Heimo Lepuschitz hockt in einem Zirkuszelt gleich neben dem Riesenrad, links von ihm steht eine Blumenvase, die aussieht wie ein überlebensgroßer Lobster, ein Lobster, der es bereits hinter sich hat, rechts ein Mineralwasser, und als ich ihn fotografieren möchte, dreht er den Teller leicht nach links. Er schaut mich an, ich schaue ihn an, offenbar habe ich meine Verwunderung nicht gut versteckt. „Das muss jetzt nicht unbedingt am Foto sein“, sagt er: „Wie sieht denn das aus für die Partei des kleinen Mannes?“ Ich nicke, drücke ab, kontrolliere und bin sehr erleichtert, dass man hinter dem großen Stück Brioche die kleine Dose Kaviar doch noch hervorlugen sieht.
Wir sitzen im sogenannten Winter-Rondell im Prater, einem Pop-up-Restaurant am Riesenradplatz. Es ist das neue temporäre Lokal des Wiener Promikochs Manuel Gratzl, der im vergangenen Sommer auf der Summerstage Fusion gekocht und davor im „Zur Alten Kaisermühle“ an der Alten Donau Spare Ribs gebraten hat. Bis zum 6. Jänner öffnet er hier jetzt Austern, schenkt Champagner aus, kocht Bouillabaisse und Trüffelpasta und verkauft seinen „MG Calvisius Kaviar“. Lepuschitz hat das Lokal ausgesucht, weil er erstens mit Gratzl befreundet is, und zweitens das als seinen Job versteht: Leute zusammenzubringen und Netzwerken, und wenn er schon öffentlich essen muss, dann soll auch der Wirt ein bisschen Werbung haben.
Lepuschitz hat Freunde in allen Parteien, was für die manchmal ein Problem werden kann, vor allem, wenn sie sich mit ihm auf der Kameel-Terrasse zeigen und nach der ersten Flasche Weißwein eine zweite bestellen.
Seit gut 20 Jahren arbeitet Heimo Lepuschitz als Kommunikationsberater und Pressesprecher. „Strategieberater“, so nennt er sich selbst. Er war erst bei der FPÖ, später beim BZÖ, dann kurz auf eigene Faust und mit Stefan Petzner unterwegs, und seit der FPÖ-Regierungsbeteiligung 2017 ist er wieder zurück im blauen Dunstkreis. In der Regierung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache war er freiheitlicher Message Controller und oberster Kommunikator. Heute berät er eine Reihe von FPÖ-Landesorganisationen in Sachen Strategie und Wahlkampf, daneben arbeitet er aber auch für Unternehmen mit spezielleren Kommunikationsbedürfnissen und solche, für die ein guter Draht zu den Freiheitlichen wichtig ist.
Vor allem aber gehört Lepuschitz zu diesem eigenartigen Beraterzirkus, der seit einiger Zeit durch die diversen Fernsehstationen zieht und dort über Politik diskutiert. Lepuschitz ist dabei einer der blauen Clowns. Er diskutiert auf Puls 24 und auf ORF 3, vor allem aber streitet er im Krawallsender Ö24 mit dem linken Publizisten Robert Misik. Die Fernsehjobs sind ihm wichtig, sagt er: „Sagen wir so, wenn du im Fernsehen bist, dann wirst du schon leichter durchgestellt, wenn du wo anrufst.“ Außerdem bekommt er dafür gutes Geld, was ihm wiederum hilft, von der Politik unabhängig zu sein. Politik ist ihm zwar wichtig, meint er, „es ist wie eine Droge, und wenn man da länger dabei ist, dann kommt man nicht so leicht los: Ich möchte aber eigentlich nicht von einer Partei abhängig sein.“
Wenn man Heimo Lepuschitz abseits von Fernsehstudios trifft, dann ist er ein ziemlich entspannter Typ. Er ist dann gar nicht so sehr auf Krawall gebürstet und längst auch nicht so aggressiv wie sein Twitter-Account suggeriert, auf der Plattform von Elon Musk hat er es sich nämlich offenbar zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit dem Boulevardjournalisten Richard Schmitt ein bisschen herumzutrollen. Er lacht viel und redet noch mehr, vor allem über Politik und Strategie und wer was richtig macht (die FPÖ) und wer eher nicht (die ÖVP). Seine Sätze zielen auf die Pointe, von denen man die meisten als aufmerksamer Boulevard-TV-Konsument wohl schon kennt („Die NEOS sind leider auch nur noch Grüne mit gebügelten Hosen.“). Abseits dieser Kalauer ist es aber interessant. Lepuschitz redet viel über Authentizität und Bauchgefühl. „Mario Kunasek ist so ein authentischer Politiker“, sagt Lepuschitz, „der ist fünf Jahre durch die Steiermark gefahren, war auf jedem Fußballplatz, in jeder Bezirksliga, und zwar weil ihn das Spiel wirklich interessiert hat. Und die Menschen nehmen ihm das auch ab. Wahrscheinlich hat er mittlerweile schon jedem Steirer einmal die Hand geschüttelt, es ist fast wie bei Jörg Haider früher.“ Zielgruppenorientierte, integrierte Kommunikation, so Lepuschitz, das seien die Zauberworte: „Ich nutze in Wahlkämpfen nur die Medien, die auch unsere Wähler:innen nützen: Keinen ‚Standard‘, keinen ‚Falter‘, die sind völlig unerheblich, auch nur sehr selektiv Social Media.“
Ich nutze in Wahlkämpfen nur die Medien, die auch unsere Wähler:innen nützen: Keinen ‚Standard‘, keinen ‚Falter‘, die sind völlig unerheblich, auch nur sehr selektiv Social Media.
Heimo Lepuschitz
FPÖ-Strategieberater
Die Selleriecremesuppe mit Brioche (sehr gut) und Kaviar (unnötig, nicht nur aus Imagegründen) haben wir schon lange hinter uns, das Backhendl mit Erdäpfelsalat (maximal egal) auch, aber damit tut man dem Lokal unrecht. Ums Essen geht es hier wahrscheinlich gar nicht. Das Winter- Rondell ist kein Platz für Mittag, seine Stärken spielt es in der Afterhour aus, konsequenterweise schmeckt deswegen der Kaiserschmarren sensationell. Darauf ist das Lokal eingerichtet, sowohl innenarchitektonisch als auch was die Speisekarte betrifft, und man kann sich wirklich gut vorstellen, welche Zielgruppe hier beim Après-Ski Champagner und Austern integriert und in den mit Fell ausgelegten tiefen Stühlen kommuniziert, und zwar möglichst ohne Streuverlust.
Man kennt sich und neckt sich, und am Ende ist Lepuschitz mit fast allen per du, mit den Kollegen vom ORF sowieso, aber am Ende auch mit denen vom „Falter“ und mit dem Oberbayern-Korrespondenten des „Standard“.
Lepuschitz passt da auch ganz gut dazu. Er ist ein geselliger Typ, und so arbeitet er auch: Als Strategieberater ist er eine One-Man-Show, sein Arbeitsgerät ist das Handy, und sein Büro sind die Kaffee- und Gasthäuser dieser Stadt vom Schwarzen Kameel bis zum Schweizerhaus, in denen er sich mit den anderen, oft selbst ernannten Akteuren dieses polit-medialen Betriebs trifft. Lepuschitz hat Freunde in allen Parteien, was für die manchmal ein Problem werden kann, vor allem, wenn sie sich mit ihm auf der Kameel-Terrasse zeigen und nach der ersten Flasche Weißwein eine zweite bestellen. Und dazu gehören auch Journalisten. Es wirkt so, als wäre Lepuschitz der Verbindungsmann der FPÖ zu den Medien, die von der Parteispitze gern als „Systemmedien“ verunglimpft werden, das merkt man vor allem auf Social Media sehr gut. Man kennt sich und neckt sich, und am Ende ist Lepuschitz mit fast allen per du, mit den Kollegen vom ORF sowieso, aber am Ende auch mit denen vom „Falter“ und mit dem Oberbayern-Korrespondenten des „Standard“. „Ich versuche, mit allen gut auszukommen“, sagt er dazu, und er meint das wahrscheinlich genauso augenzwinkernd, wie er es sagt. Politik ist in Österreich offenbar immer noch ein großer ironischer Zirkus, in dem man halt manchmal den Kaviar verstecken muss.
Dabei ist der meistens ohnehin überschätzt.
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Markus Huber
ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.