Drei Gänge mit … Parvin Razavi
Parvin Razavi sitzt in einem Lokal in Wien-Leopoldstadt und macht etwas, das sie sonst selten macht: Sie isst auswärts. Lange, sehr lange, schaut sie die Karte an, dann bestellt sie quer durch: Green Beans Fritti und ein Beef Carpaccio, Vongole mit Udon Nudeln und dann noch etwas mit dem sehr interessanten Namen „Tsukemen Mentaiko“, das laut Karte aus Hontsuyu, Bonito und Jungzwiebeln besteht. Bei zumindest einer Zutat weiß ich, was sich dahinter verbirgt.
Razavi überlegt, ob wir vielleicht noch eine Dorade brauchen oder einen Cabbage al Forno mit Kombu, Nasu und Miso Paste, und entscheidet sich dann dagegen (mein Google Translate sagt „arigato“). „Wir sharen“, sagt sie, es ist keine Frage, sondern eine Feststellung, und spätestens jetzt ist der Moment gekommen, in dem man ein paar Dinge erklären muss. Erstens: Wir sitzen in der sogenannten Cucina Itameshi im Dogenhof, dem neuesten Projekt der höchst umtriebigen Fusion-Freunde des Mochi, und weil der Dogenhof in der Praterstraße ja irgendwie an Italien erinnert, isst man hier japanisch-italienisch. Das Lokal ist zweitens der im Moment hippste Laden der Stadt. Auf einen Tisch wartet man wochenlang, außer man ist mit Parvin Razavi verabredet. Die kennt nämlich nicht nur Gott und die Welt, sondern ist, drittens, im Moment selbst das hippste, was die Wiener Gastronomie zu bieten hat. Laut „Gault-Millau“ ist sie die Newcomerin des Jahres 2023, sie hat aus dem Stand drei Hauben erkocht und wurde unter die „100 Best Chefs Österreichs“ gewählt.
Auf einen Tisch in der Cucina Itameshi wartet man wochenlang, außer man ist mit Parvin Razavi verabredet. Die kennt nämlich nicht nur Gott und die Welt, sondern ist, drittens, im Moment selbst das hippste, was die Wiener Gastronomie zu bieten hat.
Und das, obwohl sie keine gelernte Köchin ist. Razavi war ursprünglich Foodbloggerin, lange bevor es Instagram gab, dann machte sie Kochshows im Internet und gab Kochbücher heraus. Doch irgendwann wollte sie Essen offenbar nicht mehr nur inszenieren, sondern tatsächlich Menschen bekochen, mit denen sie weder verwandt noch befreundet ist. Und sie macht das ziemlich gut.
„Ich hab das Gefühl, dass ich drei Jahre weg war. Ich hab nur gearbeitet, ich hab meine Kinder kaum gesehen und meine Familie auch nicht“, sagt sie. Wir arbeiten uns gerade durch die Vorspeisen, vor allem das Carpaccio (23 Euro) in einer intensiven Wasabi-, Zwiebel- und Parmesan-Marinade schmeckt sensationell. Seit drei Jahren arbeitet sie im „&Flora“. „Meine erste Station, in der ich allein Küchenchefin bin – in der Hausbar war ich es auch schon, aber als Doppelspitze. Ich war mir am Anfang gar nicht sicher, ob ich den Job überhaupt haben will“, sagt sie, „Aber jetzt bin ich froh, dass ich es gemacht habe. Ich kann hier mein Konzept und meine Küche umsetzen, für mich passt es perfekt.“
„Mir war nicht klar, wie schlimm das Stresslevel in einer Küche wirklich ist. Es ist immer jemand auf Urlaub, und wenn wer auf Urlaub ist, dann wird garantiert jemand krank. Die wenigsten Tage laufen so, wie du es geplant hast. Du arbeitest oft für zwei oder drei Leute.“
Razavi ist mittlerweile 45 Jahre alt, und als sie sich entschloss, tatsächlich in eine Profi-Küche zu wechseln, war sie bereits in ihren höheren 30ern. Sie hat eine eigene Küchenphilosophie entwickelt, orientiert sich dabei an persischen Einflüssen, bleibt aber sehr reduziert und versucht, ohne übertriebene Zutaten auszukommen, es geht ihr um natürlichen Geschmack. Vieles ist dabei vegetarisch, aber eben nicht nur.
Genauso offen wie über ihre Küche spricht sie auch darüber, was sie als Quereinsteigerin im realen Job einer Küchenchefin am meisten überrascht hat: „Mir war nicht klar, wie schlimm das Stresslevel in einer Küche wirklich ist. Es ist immer jemand auf Urlaub, und wenn wer auf Urlaub ist, dann wird garantiert jemand krank. Die wenigsten Tage laufen so, wie du es geplant hast. Du arbeitest oft für zwei oder drei Leute.“ In der Küche herrscht immer ein brutaler Druck, meint sie: „Ich habe wirklich oft, wenn ich nach Hause gekommen bin, geweint. Vor allem am Anfang. Einfach, weil ich komplett erschöpft war.“ Viele Menschen haben eine romantische Vorstellung vom Job einer Köchin, sagt sie, „aber das ist es nicht – die Küche ist kein romantischer Ort. Man brennt hier aus.“