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Durchs wilde Großhartmannsdorf: Unter „Hobby-Indianern“

Die Erben Winnetous zwischen Kulturvampirismus und Blutsbrüderschaft: Eine Reise durch die Parallelwelt deutschsprachiger „Hobby-Indianer“.

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Im deutschsprachigen Raum dominiert nicht erst seit Karl May ein idealisiertes Bild des „Indianers“. Der zum Klischee erstarrte nordamerikanische Native erscheint darin als kitschige Projektionsfläche, die Naturverbundenheit, Weisheit und Spiritualität verknüpft und politisch in alle Richtungen anschlussfähig wird. Das ideologische Spektrum reicht tatsächlich von den „Blut-und-Boden“-Fantasien der Nazis bis zu den als „Urkommunisten“ imaginierten Natives des DDR-Sozialismus (der seine „Hobby-Indianer“ sicherheitshalber trotzdem von verkleideten Stasi-Agenten überwachen ließ); vom ökologisch grundierten „Edlen Wilden“ bis zum profitorientierten New-Age-Schamanen.

Von gut vernetzten „Hobbyisten“ wird das teils schlicht fantasierte, teils aber auch gründlich recherchierte Leben der amerikanischen Ureinwohner im Hier und Heute nachgestellt – nicht nur im Fasching oder bei Karl-May-Festspielen. Menschen aus Deutschland und Österreich schlüpfen in die Rolle des „Indianers“ – oder dessen, was sie dafür halten. Ihre Zugänge könnten unterschiedlicher kaum sein: von historisch exakten Imitationen, die ausgestorbene Rituale wiederbeleben, über esoterischen Eskapismus bis zu naiven Spielereien für die ganze Familie. Manch europäischer „Hobby-Indianer“ hat Geschichte und Kultur der seit Jahrhunderten diskriminierten Native Americans tatsächlich mit „deutscher Gründlichkeit“ studiert, das koloniale Erbe im Kleinen aufgearbeitet.

Aber können Europäer den amerikanischen Ureinwohnern tatsächlich die Sprachen und Traditionen bewahren, die ihnen in ihrer Heimat gewaltsam ausgetrieben wurden? Dürfen die Weißen dabei heilige Federkronen tragen und historische Tänze zelebrieren? Wann wird aus kultureller Wertschätzung bloße Aneignung? Höfliche Gesten verkehren sich in ihr Gegenteil und umgekehrt: Fragwürdige Vereinnahmungen werden plötzlich von Native Americans unterstützt. Eine Spurensuche zwischen Plastikschamanismus, engagiertem Idealismus und ausstehender Versöhnung, zwischen Kulturvampirismus und einer utopischen Blutsbrüderschaft.

Vast Sky, Indian Week, Großhartmannsdorf/Sachsen

„Ich bin seit 1973 im Hobby, und was echte Natives darüber denken, ist sehr diffizil. Es gibt welche, die sagen: ‚Zuerst habt ihr uns das Land weggenommen, jetzt nehmt ihr uns auch noch unsere Kultur.‘ Die zweiten meinen: ‚Crazy Germans!‘ Denen ist es mehr oder weniger egal. Und die dritte Partei sagt: ‚Die höchste Form der Verehrung ist die Nachahmung.‘“
 

Stefan Flür (links) mit seinem Schwager Reinhard, Pullman City, Eging am See/Bayern

„Wenn du nicht authentisch bist, kommst du bei den Lagern, wo’s wirklich abgeht, gar nicht rein. Die beobachten dich ein paar Jahre, und auf einmal sagt einer: Wenn du Lust hast … In Deutschland ist das total krass. Da gibt es riesige Lager mit Hunderten Tipis und Kriegerbünden, wo ein Bison lebendig durchs Lager geführt und dann mit Pfeil und Bogen erlegt wird.“

 

Everywhere There, Pullman City, Eging am See/Bayern

„Ich bin Halbblut, mein Vater war ein Navajo. Ich bin hier in Bayern aufgewachsen und lebe das aus, was ich in Wirklichkeit bin. Das Blut ist da, und das geht nie wieder weg. Und alle meine Nachkommen werden das Blut immer weitertragen.“
 

One Who Walks with the Buffalos, General Houston Country Club, Neu-Mahrersdorf/Niederösterreich

„Ich kann mich nicht als Indianerin bezeichnen. Ich kann mich im Herzen zwar dem Indianer sehr ähnlich fühlen, aber als Person kann ich kein Indianer sein – weil ich es einfach nicht bin. Und darum lehne ich all diese Geschichten, diesen Hokuspokus ab, bis aufs Letzte.“
 

Robert Soto, Lipan-Apache und Aktivist aus Texas, mit seinem Enkelsohn bei einem Powwow in Kladno/Tschechien

„Wäre es für Natives einfacher, ein gutes Leben in Europa zu führen als in Amerika? Ich würde fast ja sagen – aber das ist nur meine Meinung. Ich mag die Art und Weise, 
wie die Leute uns hier behandeln: mit Respekt.“

 

Kurt Prinz und Clemens Marschall: Hobby-Indianer: Zwischen kultureller Aneignung und Anerkennung. 
Verlag TEXT/RAHMEN 
168 S., EUR 38,–