CALAMARI FRITTI: Kross und würzig – genau so will man 
sie haben.

eatdrink: Calamari im Ruderclub

„Das Bootshaus“ an der Alten Donau: Brasilien ist jetzt britisch.

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Und dann kommt dieses eine Gewitter, nach dem der Sommer nicht mehr das ist, was er vorher war. Die Luft flirrt nicht mehr, stattdessen steigen erste zarte Nebel auf. Schluss ist mit den Tropennächten; es ist die Zeit, in der ich erst richtig gerne am Wasser sitze, mit einer leichten Jacke oder einem Pullover im Talon. Zu den schönsten Wiener Plätzen am Wasser zählt naturgemäß die Alte Donau. Dort gab es viele, viele Jahre lang eine Gastwirtschaft mit Namen „Neu Brasilien“, in der wirklich alles gebacken wurde, was sich backen lässt, sogar die Teigtascherl – legale einheimische freilich. 2018 sperrte die Restauration zu und wurde sogleich provisorisch neu eröffnet, als simpler Buffet-Betrieb unter dem Namen „Bootshaus“ und der Patronanz der Gastronomenfamilie Querfeld, die in der Innenstadt schon das bilaterale Besprechungszimmer der Republik betreibt: das Café Landtmann. Ein ganz schöner Konzept-Spagat also. Übers Jahr wurde um- und ausgebaut; seit heuer ist das „Bootshaus“ ein weiß gestrichener, mit Chesterfield-Möblage eingerichteter Pseudo-Ruderclub nach britischem Vorbild. Alles gediegen, alles piekfein, den Pulli am Wasser draußen kann man sich sparen, weil beim ersten kühlen Windstoß die Heizstrahler anspringen, die Umwelt ins rötliche Farbspektrum verschieben und den Gästen einen hübschen Satz heiße Ohren verpassen. Es riecht nach Ascot und Oxford – und nach frittiertem Fisch, doch davon gleich mehr.

Angesichts der totalen Umdeutung von „Neu Brasilien“ will ich doch kurz daran erinnern, dass das Terrain hier, von den Wienern einst „Lettenhaufen“ genannt, historischer Boden ist. Am Ufer gegenüber befindet sich das Gänsehäufel, das nach der Donauregulierung im 19. Jahrhundert als Insel in der vom Strom getrennten, nunmehr Alten Donau verblieb. Dort versammelte der Sonderling, Hippie-Vorfahre und Naturheiler Florian Berndl freikörperkulturelle Jünger um sich, bis die Stadt ihn von der Insel vertrieb. Am anderen Ufer gründete Berndl 1904 die Kolonie „Neu Brasilien“, benannt nach dem der Copacabana ähnlichen weißen Sandstrand, und einen kleinen Schankbetrieb; bis heute befindet sich hier die gleichnamige Kleingartensiedlung.

Schwerpunkt auf Meeresgetier

Es ist also durchaus stimmig, wenn der Schwerpunkt im „Bootshaus“ auf Meeresgetier liegt, darüber hinaus ist die Karte ein ziemliches Durcheinander aus orientalischen Mezze wie Hummus und Baba Ganoush, italienischen Antipasti, spanischen Pimientos und Grillzeug.

Ich empfehle, den Abend mit maritimen Kleinigkeiten zu verbringen: Die gebratenen Sardinen mit Petersilbutter und Grillzitrone sind frisch und einwandfrei, die frittierten Ährenfische eine knusprige Zierde ihrer kulinarischen Gattung, die Biscaya-Anchovis aus der Dose einfach nur köstlich, und die Calamari fritti will man genau so haben, nämlich kross und würzig.

Ein einziges Gericht harmoniert mit dem neuen britischen Stil des Interieurs, und genau das geht ziemlich schief: Fish & Chips, nach dem Ruder-Dauerbrenner „Oxford : Cambridge“ benannt, besteht aus fatal trockenem Kabeljau, der mit ein wenig mehr Salz als erst halb rehydrierter Stockfisch durchginge, und einem Backteig, der sich am Gaumen wie Zement mit den Fischfasern zu einem Klumpen verbindet. Da können die knusprigen Chips und das herzhafte Erbsenpüree nur tatenlos zusehen.

So kann das „Bootshaus“, dessen außerordentlich sympathische, hoffentlich fair bezahlte Servicebrigade wohl eher studentischer als hotelfachschulischer Herkunft ist, einen gewissen systemgastronomischen Hautgout nicht verbergen. Dazu passt eine, mit Verlaub lieblos zusammengeschusterte Weinkarte, und das altbackene Bierangebot, das hauptsächlich aus den Tanks einer Großbrauerei kommt. Da ist eindeutig noch Luft nach oben; because it’s 2019 gilt auch für zeitgemäße Getränkekarten.

Das Bootshaus An der unteren Alten Donau 61, 1220 Wien Tel.: 01/24 100 811; dasbootshaus.at Vorspeisen: 6,50 bis 14,90 Euro; Hauptgerichte: 13,50 bis 24,90 Euro