eatdrink: Der Haubentaucher
Christian Petz war dann mal weg. Von einem Tag auf den anderen. Köchinnen und Köche sind dann und wann mal weg. Auszeit. Ausland. Ausgebrannt. Manche geraten in Vergessenheit; wenn ich lange genug grüble, fallen mir schon welche ein, die auch in dieser Rubrik große Auftritte hatten und seither nie wieder irgendwo. Es klingt jetzt hochtrabend pathetisch, wenn ich sage, dass ich Christian Petz auch dann nicht vergessen hätte, wäre er nicht wieder in der Küche aufgetaucht. Kaum jemand hat innerhalb einer Köche-Generation mehr für die Erneuerung der Wiener Küche getan als er; nur Reinhard Gerer genauso viel, das muss man dazusagen.
Petz war als Wirt in seinem von Kritik und Gästen stets gelobten "Gußhaus" nicht allzu erfolgreich. Dort wollte er seinen gastronomischen Frieden finden; er, der sich trotz vier Hauben vom Gault-Millau im "Palais Coburg" nicht mehr wohlfühlte, weil er diese Hotel-Businesswelt mit Controllern, die nichts lieber tun als Einkaufslisten kürzen, nicht mehr aushielt. Er, der danach auch auf dem "Badeschiff" unglaublich lässig kochte, aber auch dort nicht glücklich wurde.
Es beginnt mit dem besten Beef Tatar der Stadt.
Jetzt ist er wieder da. Und irgendwie ist es bei Christian Petz wie bei den Haubentauchern, denen ich am See so gerne zusehe. Schwupp sind sie weg, und du kommst nie drauf, wo sie wieder auftauchen. Auch bei Petz hätte ich nicht auf diesen Ort getippt. Schon wieder ein Nobelhotel! Noch dazu eines, das in wenigen Jahren nicht unbedingt konzepttreu war und einen ziemlich merkwürdigen Namen trägt: Im "Dstrikt" des Hotels Ritz Carlton am Wiener Ring versuchte anfangs Wini Brugger, der für seine Asia-Fusionküche bekannt ist, Wiener Gasthausküche zu etablieren. Scheint nicht so super gegangen zu sein, denn danach setzte man auf Nummer sicher: Steakhouse. Seit Kurzem gibt es neben der Steak-Karte ein auch à la carte bestellbares Best-of-Menü von Christian Petz, vorerst bis Ende Juni.
Es beginnt mit dem besten Beef Tatar der Stadt. Kennen wir, lieben wir - unglaublich harmonisch abgeschmeckt; da drängt sich keine Zutat vor, was bei Tatars in der Gastronomie ganz schnell passiert. Und so geht es weiter: Vitello Dorschato, die geniale Petz-Variante des Italo-Klassikers mit Dorschlebermayonnaise statt Tunfischcreme; Kalbskopf, hauchdünn geschnitten und dachziegelartig geschlichtet, mit Topinamburtexturen, eingelegten Trüffeln und diesfalls stimmiger Deko - was bei auf Teller geschmissenem Grünzeug wahrlich nicht immer der Fall ist - nämlich Erbsentrieben; cremige Rieslingkutteln mit Vongole - muss man mehr sagen, als dass diese Kreation aus jenen Tagen stammt, in denen Petz im "Palais Coburg" die vierte Haube erhielt? Die herrlichen Milzagnolotti mit Salbeibutter, schlutzig wie Schlutzkrapfen, gab es schon in Petz' Karriere-Basislager "Meinl am Graben"; da darf ich einmal ganz kurz mäkeln und anregen, sie schneller aus der Küche zu bringen, denn heißer Nudelteig trocknet an der Oberfläche schnell.
Klassiker wie geschmorte Ochsenbacke mit Topinamburpüree und Pak Choi oder Oktopus mit schwarzen Bohnen sind dann zwar perfekt gemacht, aber gar nicht mehr die Höhepunkte des Menüs, denn Petz ist einfach der unangefochtene König der Zwischengerichte. Solche schiebt er auch noch als kleine Überraschungen aus der Küche: zum Beispiel ein kleines Stroganoff vom Lamm mit Rote-Rüben-Gnocchi und eine Tafelspitzkrokette mit Cremespinat und Semmelkren. Besser geht Wiener Küche nicht. Zwar ist der Petz-Auftritt eben erst angepfiffen, aber ich pfeif schon zur Verlängerung ohne Schlusspfiff.
Dstrikt im Ritz Carlton Schubertring 5-7,1010 Wien Tel.: 01 / 311 88-150 ritzcarlton.com Hauptgerichte: 22 bis 26 Euro