Stockfisch-Cannoli im "Al Giardinetto"

eatdrink von Klaus Kamolz: Cormòns revisited

Im Friaul nichts Neues. Und das ist auch gut so.

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Es gärt. Um diese Zeit ist es ja grundsätzlich gut, wenn es in Gegenden, wo Wein wächst, gärt, aber es hat auch noch einen anderen Grund, warum es gut ist, dass es jetzt gärt. Dann haben nämlich Winzerinnen und Winzer endlich ein wenig Zeit, und man kann sie besuchen, sofern sie noch ein bisschen was vorrätig haben von früheren Jahrgängen. Für das Friaul gilt das in einem besonderen Ausmaß. Ende August war es heuer schon losgegangen, so früh wie selten zuvor. Und wenn Winzer bei der Lese gestört werden, reagieren sie so ähnlich wie hoch konzentrierte Bombenentschärfer, die man mit einer Zigarette im Mund um Feuer bittet.

Jetzt aber, trink ma noch ein Glaserl Wein zum Beispiel in Cormòns. Und dazu gehört freilich satisfaktionsfähiges Essen.

Es gibt im zu Cormòns gehörigen Örtchen Brazzano ein altes neues Haus, in dem man die Symbiose aus herzhafter friulanischer Kost und einer Weinkarte von bemerkenswertem Niveau wunderbar ausreizen kann. Früheren Besuchern dürfte die Osteria "Terra &vini" noch ein Begriff sein; seit dem Frühjahr 2018 befindet sich das Haus an der Hauptstraße durch den Ort unter neuer Führung und hat auch einen neuen Namen: Die "Locanda Orologio" ist ein friulanischer Sehnsuchtsort, an dem herzerwärmende Gastfreundschaft, schnörkellose, allerfeinst zubereitete Regionalküche und das wirklich Allerbeste aus den Rieden der Gegend zu Hause sind - Letzteres sowohl auf der Karte als auch in einer Vinothek im Nebenzimmer. Das Gebäude gehört seit jeher der Winzerfamilie Felluga von der anderen Straßenseite, deren Patriarch Livio vor zwei Jahren im Alter von 102 Jahren gestorben ist; man hat es nun vertrauenswürdig an einen der früheren Kellner verpachtet.

Zum Aperitif gibt's Prosciutto crudo d'Osvaldo, das war so, ist so und wird auch so bleiben.

Was gibt's in der "Locanda Orologio"? Zunächst, bevor es überhaupt an die Bestellung der Speisenfolge geht, eine kleine Platte mit dem einzigartigen Prosciutto von d'Osvaldo; den gibt es überall, wo man in Cormòns essen geht, und zwar aus gutem Grund: Weil er nämlich wie gemacht scheint für die autochthonen Gewächse Friulano und Malvasia. Das gilt auch für ein puristisches Tatar bester Fleischqualität und für die Sformatina di porcini, den flaumigen Steinpilzauflauf mit einer cremigen Sauce aus Montasio-Käse. Die Pasta- und Hauptgerichte wie Garganeli mit Entensugo, Bollito misto mit den feurigen Beilagen aus Kren und Senffrüchten oder geschmorte Rindswangen mit Polenta kriegen den roten Teil ab, und auch das gern autochthon, zum Beispiel mit Refosco, Tazzelenghe oder Schioppettino. Im Übrigen versteht man sich hier neuerdings auch ganz wunderbar auf Steaks, etwa eine kiloschwere Fiorentina.

Und jetzt noch ins Zentrum der kleinen Stadt an der Grenze zu Slowenien: "Al Giardinetto" revisited. Familie Zoppolatti ist mit dem aus Telefriuli lokal weltberühmten Paolo in der Küche, immer noch bestens aufgestellt, die Küche nach vielen Jahren gut verwurzelt, aber mit zarten kreativen Trieben. Ganz traditionell: die Cjalzòns di planure, etwas dickere Teigtaschen mit Wiesenkräutern, Nüssen und Montasio-Käse, eine perfekte Begleitung für Edi Kebers Cuvée Collio; sanft innovativ: die Blätterteig-Cannoli mit Stockfischfülle und Kapernsalat; simpel wie halt ein Hauptgang in Italien oft ist: Tagliata vom Lammrücken mit marinierten und gebackenen Artischocken sowie Zitrusmarinade. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Zum Aperitif gibt's Prosciutto crudo d'Osvaldo, das war so, ist so und wird auch so bleiben.

Locanda Orologio Via XXIV Maggio, 34 34071 Brazzano di Cormòns Tel.: 0039/0481/60028 locandaorologio.it Mo geschlossen Hauptgerichte: 12 bis 16 Euro; Steaks 28 bis 55 Euro

Al Giardinetto Via Matteotti, 54,34071 Cormòns Tel.: 0039/0481/60257 Mo, Di geschlossen Hauptgerichte: 18,50 bis 22,50 Euro

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