eatdrink von Klaus Kamolz: Fabian Günzels "ænd"
Etwas Sprachwissenschaft zum Aufwärmen: Dieses kürzlich in Wien eröffnete Restaurant wird mit Sicherheit zu jenen gehören, deren Namen am wenigsten oft richtig geschrieben werden wird; womöglich wird es sogar noch den Laden mit den unaussprechlich guten Brötchen auf die Plätze verweisen. Wie heißt der doch schnell? Ich google mal ach ja, Trześniewski. Womit wir bei der Sache sind, denn eben dieses Restaurant heißt "ænd", was ausgesprochen wird wie das englische and. Geschrieben wird es allerdings nach dem IPA, was diesfalls nicht India Pale Ale bedeutet, sondern Internationales Phonetisches Alphabet. "ænd" soll darauf hinweisen, dass hier überall schlüssige Verbindungen bestehen: zwischen Gastgeber und Gast, wohl aber auch zwischen einzelnen Produkten.
Den Gastgeber kennen wir bereits: Es ist Fabian Günzel, der früher einmal Sous-Chef von Silvio Nickol im "Palais Coburg" war und zuletzt im "Le Loft", jetzt "Das Loft", hoch oben im Wiener Hotel Sofitel chefkochte. Günzel wird gern als Rebell beschrieben; manche haben sogar schon Enfant terrible der Wiener Gastro-Szene getippt, aber beziehen dürfte sich das allenfalls auf seine opulent tätowierten Arme, denn Günzel ist ein ausgenommen freundlicher Mensch. Mag schon sein, dass er seine Brigaden auch mal Kielholen geschickt hat. Hier, in diesem neuen verbindlichen Hause, würde ich es ihm nicht raten, denn gearbeitet wird in einer weit offenen, mit dem Gastraum innig verbundenen Küche. Ich finde, es gehört zu den größten Unarten in einem Restaurant, wenn man den Chef schon hinter verschlossenen Küchentüren brüllen hört.
Es beginnt mit knuspriger, paprizierter Hühnerhaut und einer verblüffend nach Kohlrabi schmeckenden klaren Suppe.
Das "ænd" wird, wenn nicht noch innenarchitektonische Wunder geschehen, wohl das schönste Lokal bleiben, das heuer aufgesperrt haben wird - in einer unglamourösen Gegend des 6. Bezirks. Drei Farben sind prägend: warmes, gelb-braunes Holz in der Einrichtung, schlichtes Grau an den Wänden und rustikales Ziegelrot an den freigelegten Gewölben.
Günzels Küche widersagt dem bereits ins Lächerliche abgleitenden Pinzetten-Hype, bei dem das i-tüpferlreitende Anrichten eines Tellers gefühlt so lange dauert wie Zubereitung und Verzehr zusammen.
Es beginnt mit knuspriger, paprizierter Hühnerhaut und einer verblüffend nach Kohlrabi schmeckenden klaren Suppe. Dann famos marinierte Entenleber mit Apfel und Brioche-Croutons (die krosser sein könnten); dazu kommt übrigens eine ziemlich gelungene Rarität: Weinviertler Apfel-Eiswein. Gerne bedient sich Günzel der französischen Klassik: etwa bei der getrüffelten Madeira-Sauce zum gegrillten Lauch oder der Sauce Albufera, einer Geflügel-Velouté aus den Tagen Auguste Escoffiers, zur Wachtel mit Karottentexturen. Wie das Wort "und" schon andeutet, sind es meist zwei aromatische Komponenten, die auf dem Teller Verbindung aufnehmen: glasiger Kabeljau beispielsweise mit geschmortem Radicchio (und einer leider etwas geronnenen Ochsenmark-Mayonnaise), Meerbarbe mit Curry oder -einer der Höhepunkte - dichter Kartoffelschaum mit Kürbiseis.
Ziemlich legeres, in der Fertigung da und dort noch optimierbares Essen gibt's hier; und deshalb wäre es wohl eine Überlegung wert, die bestens sortierte Sommelerie des Hauses auch etwas entspannter anzugehen. Die Exkurse über Böden, Klima, Jahrgänge, Winzerbiografien und Geschmacksbilder kriegen im Lauf des Abends schon einen Loriot-Stich; immerhin gibt's zu elf Gängen elf Weine.
Ganz einfach hat es sich Fabian Günzel mit diesem Konzept nicht gemacht. Schließlich bietet er kompromisslos nur zwei vollständige Menüs zu 99 und 120 Euro an. Möge die Übung gelingen ...
ænd Mollardgasse 76,1060 Wien Tel.: 01/595 34 16 aend.at Sa, So, Fei geschlossen Menüs: 99 (neun Gänge) und 120 (elf Gänge) Euro; Mittagstisch: 39 Euro