APULISCHE ORGIEN: Gegrillte gnomarelli aus Lunge und Darm.

eatdrink von Klaus Kamolz: Im Gianni-Garten

Kommt ein bisschen mit nach Apulien! Teil I: Fleisch

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"Wollen wir einmal so richtig Fleisch essen?", fragte Roberto, und ich sah ihn kurz etwas befremdet an, weil ich war ja in Apulien gelandet und eigentlich darauf eingestellt, mit Flossen statt Händen und Füßen wieder nach Hause zu fahren. Aber ich vertraue Roberto, meinem Gastgeber, in kulinarischen Angelegenheiten bedingungslos; der gebürtige Apulier, der heute nur noch Teilzeit-Apulier ist, hatte mich schon zuvor in die Geheimnisse der Bologneser Gastronomie eingeweiht, wovon hier auch schon zu lesen war.

Am nächsten Tag saßen wir im Auto, einen Schleicher unmittelbar vor uns und einen Drängler zwei Finger breit hinter dem Kofferraum, wie es sich in Süditalien gehört, verließen Ostuni, die wunderbare weiße Stadt und unser Basislager, und fuhren durch eine berückende Landschaft aus Hunderte Jahre alten, knorrigen Olivenbäumen, sienaroter Erde und zementfrei gestapelten Steinmäuerchen Richtung Itria-Tal. Alberobello ließen wir links liegen, nach Alberobello fährt Roberto nicht, Alberobello ist das Venedig Apuliens mit seinen putzig biederen Trulli, den traditionellen kegelförmigen Steinhäusern, die in Alberobello nicht mehr Bewohnern, sondern fast nur noch Souvenirhändlern ein Dach über dem Kopf bieten. Sagt Roberto, ich weiß es nicht, durfte ja nicht hin.

Dann kamen wir in Martina Franca an, wo eine bemerkenswerte kulinarische Tradition aufrechterhalten wird: das Fleischvertilgen in Etablissements, die eine Art Mischung aus klassischer Fleischhauerei und Heurigem sind. Je nach Ort heißen sie Braceria oder Fornello, Begriffe, die schon darauf hindeuten, dass hier nichts in der Pfanne, aber alles auf dem Grillrost landet.

Netterweise feierte man an diesem Tag irgend so etwas wie das 700-jährige Jubiläum des Nasenblutens einer örtlichen Kirchenpatronin, weshalb alte Männer ihre Statue durch die Straßen trugen und alte, schwarz gekleidete Frauen mit Kerzen in den Händen den Soundtrack dazu murmelten. Danke für dieses hübsche Klischee, Martina Franca!

Gnomarelli bestehen aus fingerlangen Stücken von Leber, Kalbslunge oder Nieren, die mit Lammdarm umwickelt und nur mit Salz gewürzt werden.

Vor uns lag nun endlich die Braceria "L'arte dell'arrosto". Wir betraten sie durch eine raschelnde Wand aus bunten Plastikstreifen und standen in einer ganz normalen Fleischerei mit einer gut gefüllten Fleischvitrine und einem Schrank, in dem prachtvolle, auf T-Bone getrimmte Rinderrücken trocken dahinreiften. An der Wand hing eine Speisekarte, und damit war alles klar. Es gibt also Würste, Kotelettes, Spieße - und das, wofür wir gekommen waren: ein Arrosto misto aus bombette und gnomarelli, die in Apulien auch gnummareddi oder turcineddi heißen.

Aus der Vitrine wird gewählt und nach Gewicht bezahlt

Was ist das alles? Bombette sind kleine Rouladen aus Rind oder Schweinefleisch, die mit Käse und Gewürzen gefüllt werden. Sie stecken in der Vitrine zu acht auf Spießen; man kann aber auch weniger haben, die werden dann einfach heruntergezogen. Wenig später, als Gianni hinter dem Laden ein paar Tische hinausgetragen hatte, war jede der äußerlich gleichen bombette eine Überraschung; meine Favoriten: die mit Gorgonzola und Haselnüssen. Die gnomarelli hingegen, die sind schon etwas für Erwachsene, aber als ich Roberto versicherte, auch vor Hirn und Hoden nicht davonzulaufen, bestellte er eine kleine Platte. Gnomarelli bestehen aus fingerlangen Stücken von Leber, Kalbslunge oder Nieren, die mit Lammdarm umwickelt und nur mit Salz gewürzt werden. Die Brandmale der Kohlenglut und ein kleiner Spritzer Zitronensaft machen sie zu einem Hochgenuss.

Das einzige Problem: Was isst man bei solchen carnivoren Orgien als Beilage? Roberto reichte mir die Speisekarte. Dort stand unter den contorni, eben den Beilagen: Salumi e formaggi (Würste und Käse), Carpaccio und Beef Tatar. Okay, man konnte auch gegrilltes Gemüse und gequetschte Kartoffeln bestellen. Und das taten wir dann auch. Beim Wein wird hier übrigens nicht lange gefackelt. Was soll man in Italien mit einer oder zwei Karaffen vom regionalen Hauswein zu sechs Euro pro 0,75 Liter auch falsch machen? Wir waren ja beim Heurigen. Nächste Woche: Apulien II - Fisch und Meeresfrüchte in Monopoli.