Donnerskirchen im Burgenland, das Restaurant „Zum Gogosch“ im Showbauernhof der Familie Esterhazy. Karlich hat das Lokal vorgeschlagen, weil sie erstens keine 20 Minuten entfernt wohnt und zweitens neugierig ist: Der Laden ist erst seit Anfang September geöffnet, dementsprechend neu riecht es im modern und teuer umgebauten Stall. Als ich komme, sitzt Karlich bereits da, um 12 Uhr ist sie noch der einzige Gast, aber das wird sich bald ändern. Ab halb eins kommen der Reihe nach Gäste, Karlich grüßt beinahe alle, sie winkt und nickt, erst den Vorstand von der Firma XY, dann die Frau Sowieso, dann eine Damenrunde – und sitzt gegenüber nicht ihr Cousin mit einer Arbeitskollegin? Als ich das Lokal um kurz nach zwei verlasse, ist jeder Tisch besetzt, und niemand wirkt so, als würde er demnächst aufbrechen. Im Burgenland isst man also noch gerne und vor allem lange, auch wenn es erst Mittag ist.
„Mit dem Thema Seitensprung braucht man heute nicht mehr kommen.“
Barbara Karlich im „Zum Gogosch“
Also: Was weiß jemand über dieses Land, der 25 Jahre Talkshows macht und laut eigenem Bekunden gefühlt mehr Gesichter im Kopf hat als das Burgenland Einwohner? Karlich lehnt sich zurück. „Ich glaube wirklich, dass meine Show die österreichische Seele spiegelt. Ich weiß ziemlich gut, was das Land bewegt, und bin wahrscheinlich weniger über das, was sich in Österreich tut, erstaunt, als vermutlich die meisten anderen Menschen.“ Sie mache zwar keine Politik in ihrer Sendung, sagt sie, aber die Themen seien „zwar nicht parteipolitisch, aber gesellschaftspolitisch. Wir hören zu, was die Menschen wirklich bewegt.“
Ich zögere. Das letzte Mal, als ich mich durch die Show gezappt habe, wirkte es so, als wäre die Zeit ein bisschen stehen geblieben. Nach wie vor redet Karlich über Themen wie „Gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Geld macht sexy“. Wenn sie mit ihren Gästen spricht, dann redet sie immer noch zum Beispiel über „Homosexuelle“ und nicht über „LGBTQ“, natürlich wird nicht gegendert, außer es ist eine Sendung genau darüber, und dann passiert das mit einem gewissen Augenzwinkern und definitiv nicht mit dieser Kunstpause, die die „ZIB 2“-Moderator:innen mittlerweile so gut beherrschen. Es ist eine andere Welt, die Karlich da um 16 Uhr bespielt, aber das weiß sie auch: „Das Stadt-Land-Gefälle ist in meiner Sendung schön zu sehen, Menschen vom Land sind durchaus an anderen Themen interessiert, dabei aber modern und innovativ.“
Als Pescetarierin nimmt Karlich gegrillten Zander(34 Euro), ich als spesenvermeidender Redakteur das Wild-Butterschnitzerl (17 Euro), beides sehr gut, beides sehr intensiv gewürzt, das Wild vielleicht sogar zu intensiv, die Portionen sind hier eher auf den burgenländischen Long-Lunch als auf die Wiener Haubengastronomie ausgerichtet.
Moment: Hat sie ihre Sendung gerade wirklich als gesellschaftspolitisch bezeichnet? „Na ja“, sagt Karlich: „Ich würde jetzt vielleicht nicht unbedingt eine Muslima mit einem Kopftuch neben einen Identitären setzen, weil wir nicht politisieren, wiewohl es spannend wäre.“ Über Aufreger werde aber sehr wohl diskutiert: „Wenn heute jemand sagt, dass man in Österreich nicht mehr alles sagen kann, dann sag ich: Stimmt nicht, natürlich kann man alles sagen, und meine Sendung ist das beste Beispiel.“
Ich überlege, ob man dafür wirklich den Wahrheitsbeweis antreten könnte, aber ehrlicherweise habe ich in meinem Leben zu wenige Karlich-Shows gesehen, um darüber jetzt in eine Fachdiskussion einsteigen zu können, vor allem nicht mit der Frau, die alle 4500 Sendungen dieser Show moderiert hat. „Es stimmt schon: Die besten Quoten machen wir natürlich mit Liebe, Beziehung und Sex“, sagt sie jetzt, „das ist das, was das Publikum einfach immer interessiert.“
Aber wird einem das nach 25 Jahren nicht irgendwann mal langweilig, weil bei allem Respekt: Sex ist Sex, der ändert sich jetzt nicht so großartig. Karlich lacht laut auf, sagt ein paar Sätze, die vielleicht besser nicht zitiert werden sollten, zumindest wenn man nicht will, dass die Schriftfarbe errötet, und meint dann nur, dass sich das Reden über Sex sehr wohl verändert habe. „Mit dem Thema Seitensprung braucht man heute nicht mehr kommen, da geht’s mittlerweile um Polyamorie und offene Ehe, darum, was man tun muss, wenn einer nicht mehr kann oder will.“ Ihre Sendung habe auch hier durchaus aufklärenden Charakter: „Es ist gut für die Menschen, wenn sie sehen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind.“
Zum Gogosch
Bio-Landgut Esterhazy, Seehof 1, 7082 Donnerskirchen
02683/30100, bio-landgut-esterhazy.at
Mo–So 11.30–19.30 Uhr (Fr und Sa bis 22.30 Uhr)
Was es hier gibt: sehr viel burgenländisches Fleisch
Was man hier verkocht: die Produkte der diversen Esterhazy-Betriebe
Wen man hier trifft: Burgenländer mit sehr viel Nachmittagsfreizeit
Über wen man hier lacht: Vegetarier
Wir plaudern weiter, und je länger das Essen dauert, desto angenehmer wird es. Karlich ist eine sehr nette Person. Sie redet schnell und laut, und wenn man keine Fragen stellen würde, dann könnte sie wohl ein ganzes Mittagessen durchplaudern. Vielleicht wäre das auch gar nicht das Schlechteste. Sie ist wirklich witzig und schlagfertig, und manchmal habe ich das Gefühl, sie ist nur einen weiteren klitzekleinen Prosecco Rosé davon entfernt, ein paar Indiskretionen über die Society auszuplaudern, mit denen ich dann im Büro für Furore sorgen könnte.
Leider hat sie danach noch zwei weitere Interviews, die Indiskretionen fallen also aus.