Wir sitzen in der ORF-Kantine, und Pölzl ist wirklich gut aufgelegt. In der Früh hat sie eine anständige Sendung abgeliefert, ohne Höhepunkte, aber auch ohne Pannen, nur beim Interview mit dem Typen von der Energie Burgenland sei sie nicht ganz so sattelfest gewesen, meint sie: „So ganz bin ich im Thema Strompreis-Spenden jetzt auch nicht drinnen.“ Sie erzählt das ganz frei von der Leber weg, Fehler passieren einfach, und gerade beim Frühstücksfernsehen ist das wohl systemimmanent. Es ist ziemlich viel Fläche, die da jeden Tag bespielt werden muss, und zwar mit sehr vielen unterschiedlichen Themen. Pölzl recherchiert alles, was sie über ihre Gäste und Themen wissen muss, selbst. Sie hat keinen Teleprompter, über den Knopf im Ohr teilt ihr die Regie nur mit, wie viel Zeit sie für ihre Gespräche noch hat. „Wir haben eine gewaltige Themenbreite in der Sendung“, sagt sie, „und genau das mag ich an meinem Job. Ich bin so eine Art Morgenbegleiterin, wir versuchen, die Menschen zu informieren, sie für den Tag vorzubereiten. Bei uns gibt es die wichtigsten Nachrichten, es gibt die Themen, die man an diesem Tag braucht: Und das geht hin bis zur Frage, was man anziehen muss, ob es warm ist oder regnet.“ Warum die Menschen für diese Info lieber in den Fernseher schauen als beim Fenster hinaus, ist eine andere Frage. „Vielleicht, weil ich immer so gut drauf bin“, sagt Pölzl und lacht ironisch.
Vor Pölzl stehen „Hausgemachte Rigatoni mit Basilikumpesto, Tomaten und Salami piccante“, ich probiere einen Pulled Pork Burger im Brioche Bun mit Wedges. Beides ist nicht der Erwähnung wert, solides Kantinenessen, obwohl irgendwer auf die Idee gekommen ist, die Kantine „Restaurant Das Künigl“ zu nennen. Wegen des Essens muss man nicht unbedingt den Portier bestechen oder sich für eine ORF-Führung anmelden, um als Betriebsfremder die Zutrittshürden zu umgehen, andererseits ist es wirklich große Unterhaltung, die Stars des öffentlichen Rundfunks mal im Rudel bei der Nahrungsaufnahme zu erleben. Erst sieht man den schmächtigen Kulturmoderator ratlos durch die Buffetstationen schlapfen, offenbar findet er die Auswahl an diesem Tag genauso langweilig wie die Burgtheater-Premieren von Martin Kušej, dann hektelt der Sendungsverantwortliche des Politik-Magazins herum, offenbar sucht er seine Mitarbeiter. Die coolen Kids vom Hoffentlich-bald-wieder-Jugendradio sitzen ein bisschen abseits vom Trubel, vielleicht sind sie noch nicht so ganz am Küniglberg angekommen, sie essen nämlich im Block. Ein paar Tische weiter textet der Leiter des TV-Reportageformats einen Mitarbeiter zu, so intensiv, dass er gar nicht merkt, dass ich ihn grüße. Die ORF-Kantine ist ein großes Schaulaufen mit Tablett in der Hand. Ich könnte stundenlang zusehen und mir selbst jedes Klischee bestätigen, bis ins letzte Detail. Bis zu Martin Thür, der erst kurz vor 14 Uhr den Raum betritt, aber seine Sendung ist ja auch erst die letzte am Tag.
Pölzl selbst springt immer mal wieder auf, um jemand zu begrüßen und zu umarmen. „Um diese Zeit bin ich eigentlich sehr selten am Küniglberg“, sagt Eva Pölzl. „Ich bin da meistens daheim und werte die Sendung aus. Oder ich schlafe.“ Und dazu lacht sie wieder dieses markante, laute Lachen, das man nicht nur aus ihrer Sendung kennt – sondern vor allem aus „Willkommen Österreich“. Dort sind sie und ihre Hoppalas ein beliebtes Thema, wenn die Einspieler mal ausgehen – Pölzl liefert einfach verlässlich Material, was aber auch wirklich kein Wunder ist angesichts der vielen Stunden, die sie jede Woche produziert, und zwar zu einer Zeit, zu der die allerwenigsten vollkommen einsatzfähig sind.
Aber Eva Pölzl ist tatsächlich eine ziemlich lustige Frau, nett, schlagfertig und mit einer enormen thematischen Bandbreite, von Politik bis Kindererziehung. Sie ist ein Hands-on-Typ ohne Berührungsängste, und das ist nicht nur, aber auch wörtlich gemeint. Immer mal wieder greift sie über den Tisch und bedient sich an meinen Wedges, danke übrigens, ich hätte sie allein nicht wegbekommen. Pölzl erzählt, dass sich im Umgang mit der Öffentlichkeit einiges geändert hat. „Die Leute sind angriffiger geworden, spätestens mit der Haushaltsabgabe. Die Beschwerden werden aggressiver, so nach dem Motto: ,Ich zahle, also schaffe ich an.‘ Und die Leute arbeiten sich offenkundig nicht nur bei Armin Wolf ab.“ Sie hat keine Berührungsängste, und wenn sie etwas ärgert, dann sagt sie das auch. Manchen Kritikern schreibt sie deswegen zurück, und wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt, dann regelt sie das selbst. Wenn ihr zum Beispiel ein journalistischer Rechtsausleger über X vorwirft, ihren Job nur aus Nepotismus bekommen zu haben, dann ruft sie den an und schimpft ihn so lange, bis er sein Posting löscht.
Und zwar völlig zu Recht.
Wir sind mittlerweile mit dem Essen fertig, ein paar Wedges hat Pölzl übrig gelassen, wir trinken einen schnellen Kaffee, dann bringt sie mich zum Ausgang. Zeit, schlafen zu gehen.