Wenn man den Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer in Wien trifft, um über ein paar Peinlichkeiten zu reden, dann macht man das am besten in einer Bar. Auch wenn er dann nur Bier trinkt.
Sitzt irgendein Promi hinter mir, den ich beim Reinkommen nicht gesehen habe? Ich drehe mich um, nein, da ist nichts und niemand, nicht einmal ein Kellner. Ein Mittwochmittag, knapp nach 12 Uhr, das Hotel Steigenberger in der Wiener Herrengasse: Seit knapp 30 Minuten sitze ich mit Georg Dornauer an einem Tisch, allein, wir reden, aber Dornauer schaut mich dabei nicht an, sondern an meiner linken Schulter vorbei in den Raum. Ich drehe mich noch mal um. Nein, da ist wirklich nichts, nicht einmal ein anderer Gast. Das ist sonderbar, denn Dornauer ist eigentlich nicht unaufmerksam oder auch nur teilanwesend, im Gegenteil: Er antwortet auf jede Frage, er begrüßt den Kellner. „Hallo Maestro“, sagt er, als der kurz nach 12 Uhr seine Schicht beginnt, und als zwei Italienerinnen den Raum betreten, begleitet er sie mit achtsamen Augen, bis sie auf der anderen Seite die Bar verlassen. Er redet mit mir, doch er schaut mich dabei nicht an. Hat er Angst, dass ich Grimassen schneide? Vielleicht ist es aber auch sehr viel banaler, und ein Georg Dornauer hat immer ein größeres Publikum im Auge. Auch wenn’s gerade nicht anwesend ist.
Die Bar des Steigenberger ist imposant, schwere türkise Sofas sind großzügig im Raum drapiert, an den Wänden stehen Bücher und teure Vasen. Der Raum hört auf den Namen „Belas Wohnzimmer“ und soll an Bela Waldmann erinnern, der in der Zwischenkriegszeit an dieser Stelle das Café Herrenhof unterhielt, einen Treffpunkt der Wiener Intelligenz. Jetzt sitzt hier Georg Dornauer und sagt: „Es ist mein Hauptquartier in Wien, hier wohne und arbeite ich.“ Und wie zur Bestätigung liegt ein Protokoll am Bartisch, das er noch lesen muss. Drei Tage ist er gerade in Wien, er hat Termine bei Bau- und Immobilienfirmen, vor allem trifft er sich aber mit Journalisten und Journalistinnen, und das hat in der Vergangenheit nicht immer nur Gutes bedeutet.
Man kann mit Georg Dornauer über die irrsten Dinge reden, Dinge, bei denen man sich danach denkt: Verdammt, hab ich ihn das wirklich gefragt? Und vor allem: Hat er mir darauf echt eine Antwort gegeben?
„Ja, es gab ein paar Peinlichkeiten, Pannen und Fehler“, sagt Dornauer jetzt. „Ein paar Dinge hätte ich auslassen können. Aber ich bin kein Politiker, der sich damit zufriedengibt, ein Mandat zu bekommen und dann ein paar Jahre auf der Hinterbank sitzt. Es macht mir verdammt viel Freude, Politik zu machen, daher ist es manchmal schade, von ein paar Journalisten auf ein paar Blödheiten reduziert zu werden.“ Ein „paar Blödheiten“ ist gut, eigentlich kann man auch sagen, dass Dornauer der wohl verhaltensoriginellste Politiker unserer Tage ist. Vor allem zu Beginn seiner Karriere produzierte er schräge Schlagzeilen in Serie, zum Beispiel „Jagdgewehr aus Porsche von Tirols SP-Chef beschlagnahmt“ (November 2019). Manche waren sexistisch, etwa wenn er über eine erkrankte Landesrätin scherzte, dass er sich die Kollegin „lieber nicht in der Horizontalen vorstellen möchte“, andere waren vielleicht den Tick zu ehrlich, zum Beispiel als er 2021 erklärte, dass die damalige Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner nicht die richtige Kandidatin wäre, um FPÖ-Wähler zurückzuholen, weil „klassische FPÖ-Wähler eher keine Frau mit Doppelnamen wählen“.
Andererseits: Man muss sich nicht sehr für Politik interessieren, um den Namen Dornauer schon mal gehört zu haben – und das ist deutlich mehr als alle anderen SPÖ-Landesparteichefs westlich von St. Pölten von sich behaupten können. Und das weiß auch Dornauer selbst: „Ein bisschen Bekanntheit hat das alles sicher gebracht, klar.“
Dornauer hat Käsekrainer geordert (9,50 Euro) und gönnt sich dazu ein Bier. „Ich esse ja normalerweise nicht zu Mittag, aber wenn, dann machen wir das für das Foto gleich richtig.“ Ich nehme Burger (22 Euro), beides ist nicht die Erwähnung wert, die Pommes sind vielleicht ein bisschen salzig. „Ich wollte die SPÖ wieder in die Regierung führen“, sagt er, gerade in der Landespolitik müsse man sichtbar sein, und das wäre man nur in der Regierung. Seiner Meinung nach sollte die SPÖ auch im Bund möglichst rasch wieder in die Regierung kommen, nur in welcher Koalition, da ist er sich nicht so sicher.
Man kann mit Dornauer gut über die Bundespolitik reden, und wenig überraschend wird man da einen Mann treffen, der die SPÖ wieder nach rechts führen will: „Die Kassiererin im Supermarkt, die zwei Kinder durchbringen muss, die hat große wirtschaftliche Probleme, und die hat keine Zeit, sich ums Gendern oder so zu kümmern, da hab ich einen subjektiveren Blick drauf als andere.“ Das meiste, was Dornauer dazu sagt, soll aber nicht zitiert werden, offenbar hat er doch gelernt, dass man nicht jedes Match, das man führen kann, auch wirklich führen soll. Fest steht aber: Dornauer ist kein Freund von Andreas Babler. Warum genau, das will er lieber auch nicht sagen.
„Händchenhaltende Politiker fand ich eigentlich immer peinlich und enden wollend lässig, und zwar egal ob am Bodensee oder am Neusiedler See. Ich muss nicht wissen, wie der Adventkranz von jemand aussieht. Aber gut, jetzt ist das halt mal so, auf das Recht auf Privatheit brauch ich mich gegenüber Journalisten nicht mehr berufen."
Georg Dornauer
Aber wie das so ist bei heiklen Themen: Manchmal bestimmt man nicht selbst, worüber geredet wird und worüber nicht, und wer wüsste das besser als Dornauer? Er nippt an seinem Bier, verglichen mit den politischen Aschermittwochstrinkern Manfred Haimbuchner (FPÖ) und dem Lercher Max (SPÖ) hat er einen ziemlich zahmen Zug, dann lehnt er sich zurück und sagt: „Es stimmt schon, es war nicht meine intrinsische Motivation, dass diese Geschichte bekannt wird.“ Diese Geschichte: Dornauer ist seit einiger Zeit mit einer Abgeordneten der als postfaschistisch eingestuften Fratelli d'Italia liiert. Diese hatte die Beziehung vor knapp einem Jahr öffentlich gemacht und dann auch noch gleich ein paar Strandfotos via Instagram nachgeschickt, sie trug dabei einen aberwitzigen Badeanzug, er nichts außer Shorts und Rolex. Dornauer fand das nur begrenzt lustig. „Händchenhaltende Politiker fand ich eigentlich immer peinlich und enden wollend lässig, und zwar egal ob am Bodensee oder am Neusiedler See. Ich muss nicht wissen, wie der Adventkranz von jemand aussieht. Aber gut, jetzt ist das halt mal so, auf das Recht auf Privatheit brauch ich mich gegenüber Journalisten nicht mehr berufen. Aber ja, klar, wenn andere Politiker so auf Instagram auftreten würden, dann würd’ ich das auch mit latenter Häme quittieren.“
Je länger man mit ihm redet, desto klarer ist, dass dieser Dornauer ein Instinktpolitiker ist, Weltanschauung ist für ihn ein Einrichtungsgegenstand, für den er in seinem Büro nicht besonders viel Platz hat, dort hat er es lieber pragmatisch steril. Und klar ist, dass der Mann noch etwas vorhat, nicht nur an diesem Mittwoch.
Man kann mit Georg Dornauer über die irrsten Dinge reden, Dinge, bei denen man sich danach denkt: Verdammt, hab ich ihn das wirklich gefragt? Und vor allem: Hat er mir darauf echt eine Antwort gegeben? Und man wird immer sagen können: Ja, er hat. Das Ganze immer in diesem harten Tiroler Akzent, der selbst die absurdesten Sätze jovial rüberkommen lässt. Denn die Inszenierung ist das eine, aber dass er als Sozialdemokrat ausgerechnet mit einer Neofaschistin zusammen ist, das hat ihm nicht nur Pluspunkte in der eigenen Partei gebracht: „Wir sind offenkundig nicht wegen unseren Parteibüchern liiert, aber natürlich kann ich mögliche Kritik daran verstehen, dass ich jetzt weniger glaubwürdig vor dem Erstarken der Europäischen Rechten warnen kann und dann abends zuhause fragen: Wie war dein Tag, Schatz?“ Ob er das je vorgehabt hätte, das ist wieder eine andere Geschichte.
Je länger man mit ihm redet, desto klarer ist, dass dieser Dornauer ein Instinktpolitiker ist, Weltanschauung ist für ihn ein Einrichtungsgegenstand, für den er in seinem Büro nicht besonders viel Platz hat, dort hat er es lieber pragmatisch steril. Und klar ist, dass der Mann noch etwas vorhat, nicht nur an diesem Mittwoch. „Ich werde wahrscheinlich nicht als Landeshauptmann-Stellvertreter in Pension gehen“, sagt Dornauer, der demnächst 41 wird. Aber was kann da noch kommen? Ein Hauptquartier in Wien hat er jedenfalls schon mal.
Die Frage ist nur, ob das das Hauptquartier auch weiß.
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Markus Huber
ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.