Günter Bresnik ist ein Mann der alten Schule. Das wird deutlich, wenn er über Tennis redet, aber nicht nur dabei. „Tennis hat sich extrem verschlechtert“, sagt er, „das Niveau ist deutlich gesunken. Roger Federer, Novak Djokovic oder Rafael Nadal haben lange darüber hinweggetäuscht, aber jetzt wird es ganz offensichtlich.“ Die Jungen setzen auf die falschen Werte, auch im Sport: „Jeder hat einen Imageberater und ist nur daran interessiert, seine Geschichten über Social Media zu erzählen, weil das angeblich die Brand stärkt, was auch immer das ist. Ich halte das für einen Blödsinn. Das Wichtigste ist doch, dass man in dem, was man macht, gut ist. Im Sport heißt das: dass man gewinnt. Wenn man nichts mehr gewinnt, dann interessieren auch die Filmchen, die man dreht, niemanden mehr, und wenn man nichts mehr gewinnt, dann wirkt sich das irgendwann auch auf die Einnahmen aus.“ Gerade junge Spieler sehen das aber oft anders, sagt Bresnik, die haben Allüren, pöbeln rum, wenn es in einem Match mal nicht so läuft, dann lassen sie sich gehen und wehren sich nicht mehr gegen eine Niederlage. Wenn man so will, dann ist das auch ein guter Spiegel der Gesellschaft. Viele Junge sind zu verweichlicht, „denen tragt der Papa die Tennistasche bis auf den Platz, und die Mama fragt dreimal nach, ob sie eh genug zu trinken mithaben.“ Dass Kinder, die so aufwachsen, keine Kämpfernaturen werden, die sich auch mal gegen einen stärkeren Gegner durchsetzen können, ist für Bresnik klar.
Ob das auch das Problem von Thiem ist? Bresnik lacht, will dazu aber nicht wirklich etwas sagen: „Ich würde Dominic nie abschreiben, solange er mich davon überzeugt, dass er Tennis spielen und gewinnen will. Er ist nach wie vor technisch, körperlich und mental gut, könnte jederzeit wieder ganz vorn mitspielen.“ Wenn man an den richtigen Schrauben dreht und weiß, wo die Leichen im Keller liegen. „Gutes Training ist immer eine Frage der Aufgabenverteilung“, sagt er jetzt: „Es gibt einen, der sagt, was zu tun ist, und einen, der das dann umsetzt. Schwierig wird es, wenn Spieler glauben, dass die Grenzen verschwimmen müssen. Aber das ist Blödsinn: In der Formel 1 ist es ja auch so – nur weil einer schnell fahren kann, heißt es nicht, dass er ein schnelles Auto bauen kann.“
Bresnik wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen, er gibt wenig auf Image und auf Äußerlichkeiten, anders ist der graue Camouflage-Trainingsanzug, in dem er seinen Tag verbringt, auch nicht zu erklären. Andererseits ist er seit mehr als 30 Jahren im Geschäft, erfolgreich im Geschäft, vielleicht hat er also recht?
Tennis ist nicht glamourös, oder zumindest nicht immer, und das wird bei Bresnik allein schon durch den Standort seiner Akademie deutlich. Die Südstadt ist der hässlichste Ort Österreichs. Würde jemand jemals auf die Idee kommen, einen Gegenentwurf zu dieser „9 Plätze – 9 Schätze“-Sache des ORF zu senden, die Südstadt wäre unschlagbar. Bresnik trainiert mit seinen Spielern in einer Halle hinter der Shopping City Süd, eingepfercht zwischen Autobahn und Schnellstraße, alles ist grau und flach und langweilig, direkt daneben liegt das Stadion der wohl sinnlosesten Fußballmannschaft des Landes, und für die Südbahn ist auch noch Platz. Wer hier trainiert, der wird wirklich durch nichts vom Tennis abgelenkt, dafür ist der Ort von überall schnell erreichbar, und zwar sowohl für die Eltern, die ihre Kinder aus dem Waldviertel zu Bresnik bringen, damit er ihnen besseres Tennis beibringt, als auch für Gaël Monfils, wenn er aus Frankreich oder sonstwo einfliegt, weil er wieder an seiner passiven Spielweise verzweifelt.
„Ich bin kein moderner Mensch“, sagt Bresnik, die Specklinsen sind wieder zurück in die Küche gewandert, es wäre immer noch genug übrig, um den Center-Court bei den Australian Open zu ernähren, wobei: besser nicht. „Eigentlich sogar sehr oldschool“, sagt er jetzt, und Menschen, die ihn besser kennen, bestätigen das. Bresnik ist leidenschaftlicher Antiquitätensammler, er verbringt seine Zeit gerne auf Flohmärkten, sein Haus im Wienerwald ist bis auf den letzten Quadratmeter mit Nippes und alten Dingen vollgestopft. Bresnik gibt nichts auf neue Autos („Die alten sind technisch besser und sogar viel schöner“), und erst recht nicht auf neue Mode oder Möbel („Eine 80 Jahre alte Bauerntruhe ist qualitativ einfach immer besser als jedes Kastl von Ikea“), und es gibt Menschen, die sagen, dass das auch auf sein Training zutrifft. Aber muss man modern sein, um Erfolg zu haben?
Bresnik nimmt keinen Kaffee, er muss wieder in die Halle, ein paar Nachwuchsspieler warten auf ihn. Zum Schluss gibt er mir noch ein Learning aus 35 Jahren Trainersein mit: „Eine der wichtigsten Fragen für einen Trainer ist die: Wie kann ich der Chef einer Operation sein, auch wenn ich eigentlich der Dienstleister bin? Es muss dir als Trainer klar sein, dass jeder Spieler jederzeit die Zusammenarbeit mit dir beenden kann. Das ist etwas, das man lernen muss. Aber klar, es hilft, wenn die Spieler wissen, dass man schon mal mit anderen Spielern Erfolg hatte. Ich sage immer: Ich muss einen Spieler nicht glücklich machen. Ich muss ihn erfolgreicher machen, als er ohne mich wäre.“
Und das schafft er. Meistens.