„Ich hatte nicht mal mehr eine Krankenversicherung.“
Powerlunch

Ein Gang mit … Heinz-Christian Strache

Ehrlicherweise hat Heinz-Christian Strache vier nicht ganz so gute Jahre hinter sich. Jetzt, so sagt er, geht es aber wieder aufwärts. Wir haben ihn für ein fröhliches Gespräch an der Talsohle getroffen, und zwar dort, wo er sich auch laut U-Ausschuss am wohlsten fühlt – im Fischrestaurant Kornat.

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Heinz-Christian Strache wartet im Keller des Restaurants Kornat in der Wiener Marc-Aurel-Straße. Als ich eintreffe, ein paar Minuten zu früh, sitzt er bereits da, trinkt ein kleines Soda Zitron und tunkt Weißbrot in Olivenöl. Strache hat seine Daunenjacke noch an, er wird sie auch in den kommenden zwei Stunden nicht ausziehen, offenbar kann es einem als HC Strache immer passieren, dass man schnell rausmuss.

„Ich sitze unten“, hatte er kurz zuvor geschrieben (per SMS, nicht via WhatsApp, eine vielleicht nicht ganz uninteressante Information für alle, die aus beruflichen Gründen mitlesen, Anm.), und das war nicht ganz unwitzig. Wo sonst, hatte ich noch gedacht, mir dann aber jeden Kommentar verboten. Über die, die eh ganz unten sind, machen sich nämlich nur Rechtspopulisten lustig.

Muss man mit jemandem wie Heinz-Christian Strache Mitleid haben? Mit einem, der eine ganze politische Karriere genau darauf aufgebaut hat, eben kein Mitleid zu haben, schon gar nicht mit Schwächeren? Natürlich nicht, was aber nicht heißt, dass Strache nicht darauf spekuliert.

 

Der ehemalige FPÖ-Chef und Kanzlermacher von Sebastian Kurz ist in den vergangenen vier Jahren ziemlich tief gefallen. Das Ibiza-Video hat ihn erst aus dem Vizekanzleramt gespült und dann dafür gesorgt, dass er auch aus der FPÖ rausgeworfen wurde. Von einem Tag auf den anderen war es vorbei mit der Macht und dem Einfluss. „Ich hatte nicht mal mehr eine Krankenversicherung“, sagt Strache, und auch kein Einkommen, „weil alle Zusagen, die es seitens der FPÖ gab, natürlich nicht eingehalten wurden.“ Auf den Rausschmiss folgte eine Serie von Gerichtsprozessen, dann die Fotos mit der Sporttasche voller Bargeld, die Spesenaffäre, bei der es darum ging, dass Strache angeblich Parteigelder, vorsichtig gesagt, zweckentfremdet verwendet hat. Und dann war da noch seine Scheidung mit genügend Schmutzwäsche, um den Boulevardmedien wirklich sehr viel Material für lustige Schlagzeilen zu spendieren. Das alles garniert mit ein paar Social-Media-Auftritten, denen man anmerkte, dass plötzlich kein großer Apparat mehr für die Postings verantwortlich war, sondern nur noch der Heinzi aus Erdberg. „Die letzten vier Jahre waren hart“, sagt er jetzt, das Weißbrot immer noch im Olivenöl. „Ich musste mir aus dem Nichts eine Existenz aufbauen, mitten in Corona, ohne jegliche Unterstützung. Dazu kamen Depressionen. Ich habe locker zwei Jahre gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber das Gute ist: Wenn du ganz unten bist, weißt du zumindest, dass es nicht mehr tiefer gehen kann.“ „Ganz unten“ war wahrscheinlich der Moment, in dem Strache via Facebook um Spenden bat, weil er sich seine Anwaltskosten nicht mehr leisten konnte. Heute hat er übrigens keinen Anwalt mehr, zumindest keine permanente anwaltliche Vertretung.

Muss man mit jemandem wie Heinz-Christian Strache Mitleid haben? Mit einem, der eine ganze politische Karriere genau darauf aufgebaut hat, eben kein Mitleid zu haben, schon gar nicht mit Schwächeren? Natürlich nicht, was aber nicht heißt, dass Strache nicht darauf spekuliert. Der Kellner hat mittlerweile den Branzino in Salzkruste gebracht (88 Euro, wieder so ein zufälliger Witz, Anm.), dazu trinken wir eine Flasche Zlahtina aus Krk. Strache hat außerdem getrüffeltes Kartoffelpüree (11,50 Euro) bestellt („Das ist eh nur so Fake-Trüffelöl“), und er ist überraschend gut gelaunt. Er lacht viel und laut, immer mit diesem kehligen Strache-Unterton, den man von Maschek kennt, auf den dann immer ein Huster folgt, den man nur so toll hinbekommt, wenn man die Stimme mit sehr viel Marlboro pflegt. Er erzählt über die Tage als Vizekanzler und auch von dieser ominösen Pressekonferenz nach der ersten Klausur der Regierung Kurz im steirischen Seggau im Jänner 2018. „Ich hatte echt nicht viel geschlafen“, sagt Strache heute und lacht sein Strache-Lachen. Dieses Zeitdokument kann man immer noch auf FPÖ-TV nachsehen, vielleicht nicht ohne Grund eines der Videos von Strache, die Herbert Kickl nicht hat löschen lassen.

„Es geht wieder aufwärts“, sagt Strache jetzt. Er verkauft mit einem Partner PV-Anlagen und arbeitet als Unternehmensberater. Kunden hat er vor allem in der Immobilienbranche, da kümmert er sich auf Provisionsbasis um Finanzierungen: „Je schwieriger es ist, für Projekte Gelder von den Banken zu bekommen, desto wichtiger ist es, private Geldgeber aufzustellen.“ Da ist er definitiv Experte. Außerdem werden ihm immer wieder neue Geschäftsideen angetragen, sagt er. Nach unserem Essen wird er deswegen auch rasch weitermüssen, ein potenzieller Geschäftspartner wartet auf ihn – an der Hyatt-Bar.

Powerlunch im Fischrestaurant Kornat

Der Kellner hat mittlerweile den Branzino in Salzkruste gebracht (88 Euro, wieder so ein zufälliger Witz, Anm.), dazu trinken wir eine Flasche Zlahtina aus Krk. Strache hat außerdem getrüffeltes Kartoffelpüree (11,50 Euro) bestellt („Das ist eh nur so Fake-Trüffelöl“), und er ist überraschend gut gelaunt.

 

Strache redet ziemlich laut, was nicht weiter stört, weil außer uns nur ein Tisch im Kornat-Keller besetzt ist. Er ist gern hier, erzählt er, „die Besitzer sind Freunde, da fühle ich mich wohl“, und das ist angeblich nicht in allen Lokalen der Stadt so. „Es kann schon vorkommen, dass man angepöbelt wird und Leute vor einem ausspucken.“ Im Kornat habe er aber seine Ruhe. „Da bin ich willkommen.“ Dementsprechend oft ist er hier. Wie oft, das interessierte übrigens seinerzeit auch die Staatsanwaltschaft, weil dem Vernehmen nach merkwürdig viele „Kornat“-Rechnungen in Straches Spesenabrechnungen waren.

Wenn man so zuhört, dann ist das eigentlich ziemlich lustig, und man läuft Gefahr zu vergessen, wer das eigentlich ist, mit dem man da sitzt. Und wenn man Ibiza und seine gesamte politische Vita ausblendet, dann hockt da ein 54-jähriger Typ, der kein Literaturnobelpreisträger ist, aber ein geselliger Knabe. Vielleicht flunkert er hier und da ein bisschen, vielleicht macht er sich manchmal besser, als er ist. Natürlich nicht so wie in Ibiza, es sitzt ja auch keine Oligarchin am Tisch, und wir trinken leichten Weißwein, kein Wodka-Red Bull. Man bekommt aber eine Ahnung, wie das früher so war, wenn Strache und sein damals bester Freund Johann Gudenus aufs Wiener Nachtleben losgelassen wurden. Es war jedenfalls anders, als wenn Herbert Kickl im Büro sein Philosophielexikon durchblättert.

Wenn man so zuhört, dann ist das eigentlich ziemlich lustig, und man läuft Gefahr zu vergessen, wer das eigentlich ist, mit dem man da sitzt. Und wenn man Ibiza und seine gesamte politische Vita ausblendet, dann hockt da ein 54-jähriger Typ, der kein Literaturnobelpreisträger ist, aber ein geselliger Typ.

 

Die Zeit ist an HC Strache nicht spurlos vorüber gegangen. Sein Gesicht ist älter geworden. Er hat Augenringe, die auch die deutlich dickeren Brillenränder nicht verdecken können. Dafür ist seine Stirn merklich glatter, und der Graustich in den Haaren ist genauso verschwunden wie die Schwimmweste, die er im Ibiza-Video ausgeführt und dann im Vizekanzleramt weiter gepflegt hat. Strache, der Sportminister a. D., hat wieder mehr Zeit fürs Fitnessstudio. Die Fotos davon postet er gerne in den sozialen Medien.

Nach wie vor hat viel von dem, was Strache erzählt, einen leicht esoterischen Unterton. Er redet viel über Krisen als Chance, über Selbstfindung und davon, dass man sich nur auf sich selbst verlassen kann. Man merkt, dass Strache auch in Zeiten der Depression zwar nicht beim Therapeuten war, aber gerne mal auf Einflüsterer hört, die ihm Amulette und Armbänder verkaufen. „In Zeiten, in denen es dir schlechter geht, lernst du die Menschen besser kennen“, sagt Strache: „Und man sieht den Charakter der Menschen – wer soziale Intelligenz hat und wer eher nicht.“ Dass er Herbert Kickl zu den Menschen ohne soziale Intelligenz zählt, muss er nicht sagen, das merkt man auch so. Überhaupt, Kickl: Von ihm fühlt er sich betrogen und ausgetrickst. Immer wieder deutet er das an. Offiziell will er über ihn nicht reden, oder zumindest will er damit nicht zitiert werden, und das ist wahrscheinlich auch besser so. Vor allem, wenn er nicht noch weitere Anwaltskosten produzieren möchte. „Mit mir als Parteichef wäre die Partei wohl bei 40 Prozent“, sagt er nur. „Ich war eher der Parteichef, den man mochte. Er ist der, den manche fürchten.“ Er selbst offenbar auch.

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.