Schauspielerin Maria Happel
Powerlunch

Ein Gang mit ... Maria Happel

Die Burgschauspielerin und Festivalintendantin Maria Happel gilt als eine komödiantische Supermacht. Dabei kann man mit ihr auch sehr ernsthaft reden, und das ist sehr viel spannender, als wenn sie Witze erzählt.

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Es ist gar nicht so einfach, Maria Happel zu überraschen, aber jetzt steht sie auf der Terrasse des Knappenhofs in Reichenau an der Rax und schaut verdutzt. „Darf ich ein Foto machen?“, hatte die ältere Dame mit den überdimensionierten weißen Turnschuhen gerade gefragt. „Sicher“, hatte Happel gesagt und einen Schritt auf die Frau zugemacht, so wie man es macht, wenn man häufig auf der Straße von Fans um ein Foto gebeten wird. Doch jetzt steht sie da wie bestellt und nicht abgeholt. Die Frau legt ihr nämlich keine Hand um die Schultern oder schmiegt sich eng an sie, so wie das bei Selfies gerne passiert. Im Gegenteil: Sie weicht zurück, hält gut und gern vier Meter Abstand. „Bitte lächeln“, sagt sie, wie die stolze Oma, die das Enkelkind am ersten Schultag mit der Schultüte fotografiert. Vielleicht gibt es eine Altersgrenze für Selfies, vielleicht liegt es auch am Umfeld oder an der Höhenlage, hier in Reichenau sind die Fans jedenfalls ganz besonders höfliche Paparazzi. „Ich komm am Abend eh in die Vorstellung“, sagt die Dame noch, so als bräuchte sie dringend eine Rechtfertigung, warum sie Happel überhaupt angesprochen hat.

Wir sitzen im Knappenhof, ein paar Kilometer außerhalb von Reichenau, Happel hat das Lokal ohne lang nachzudenken vorgeschlagen. Das Hotel-Restaurant hat eine lange und wechselvolle Geschichte, es ist aber nach wie vor das wohl beste Haus am Platz und dementsprechend prominent besetzt. Gleich beim Eingang entdecke ich den Starkolumnisten der „Oberösterreichischen Nachrichten“, der kurz davor noch versucht hat, mit seinem Presseausweis Karten für eine ausverkaufte Vorstellung zu ergattern, ein paar Tische weiter sitzen Danielle Spera und der Noch-ÖVP-Nationalratsabgeordnete Martin Engelberg in größerer Runde, etwas später wird auch noch Burgschauspielerin Birgit Minichmayr in sehr viel kleinerer Runde aufschlagen. Kulinarisch hat hier bis vor Kurzem Max Stiegl vom Gut Purbach sein Unwesen getrieben und die Speisekarte mit Absurditäten wie Pferdezunge oder Hühnchen mit Gänseleber und Trüffel fragwürdig angereichert. Mittlerweile steht der ehemalige Filippou-Schüler Tomaž Fink am Herd. Er hat die Spompanadln von der Karte geräumt und kocht Wirtshausklassiker, was deutlich besser zum in Ehren ergrauten Reichenau-Stammpublikum passt. Maria Happel wählt das Kalbsschnitzel mit Kartoffelsalat (32 Euro), ich geschmorte Schweinsbackerl mit Fisolen (24 Euro), beides ist professionell ausgezeichnet.

Ich wollte nicht immer nur in der Kantine sitzen und schimpfen. Man muss es selbst probieren, dann kann man immer noch zurück in die Kantine und schimpfen.

Maria Happel

Happel wirkt erschöpft, atmet durch. Sie ist ein bisschen müde, was man ihr nicht verdenken kann, schließlich stand sie gerade eben noch mit Josefstadt-Schauspielerin Sona MacDonald auf der Bühne. Hier in Reichenau ist Happel fast omnipräsent. Sie spielt selbst, sie führt manchmal Regie. („Ich wollte nicht immer nur in der Kantine sitzen und schimpfen. Man muss es selbst probieren, dann kann man immer noch zurück in die Kantine und schimpfen.“) Seit 2021 ist sie auch noch künstlerische Leiterin und für die Auswahl von Stücken, Regisseuren und Schauspielern zuständig. Sie dürfte das ganz gut machen, ihr Vertrag wurde im Vorjahr frühzeitig bis 2027 verlängert, und auch heuer wurden in Reichenau fast alle der 32.000 Tickets verkauft. Wie das geht? „Man muss überlegen, was die Menschen hier sehen wollen“, sagt Happel, „man braucht ein Programm, das das Publikum akzeptiert.“ Schnitzler passe hier sehr gut, man reise ja quasi mitten durch die Originalschauplätze. „Und Nestroy füllt fast automatisch das Haus, die Texte sind lustig, schlagfertig und trotzdem immer aktuell.“

Aber was sind das eigentlich für Menschen, die da Jahr für Jahr die Sommertheater füllen? Hardcore-Fans, die auch im Sommer Theater brauchen, wenn die großen Häuser Ferien haben? Oder, im Gegenteil, eher Menschen, die sich sonst nie ins Theater verirren? „Sicher kommen auch einige Leute, die ihren Kulturbedarf hier für längere Zeit stillen“, sagt Happel, „mehrheitlich sind es aber Menschen, die das ganze Jahr über ein Theater-Abo haben.“ Festspiele wie in Reichenau bieten die Gelegenheit, dass man Menschen, die sonst nie zusammen spielen, weil sie an unterschiedlichen Häusern engagiert sind, gemeinsam sieht: „Theaterleute treffen auf Filmschauspieler, Jüngere auf Ältere, das ist alles sehr spannend.“

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.