Ein Gang mit … Michael Buchinger
Michi Buchinger mag ein Steak, und das weiß er schon, als er das Lokal betritt: 250 Gramm Fleisch, medium rare, dazu gegrilltes Gemüse, ein paar Vitamine schaden ja nicht. Wir haben in der Brasserie des „The Guesthouse“ in der Wiener Innenstadt reserviert, es war Buchingers Vorschlag, er mag das Haus recht gern. „Danke, nein, ich brauche keine Karte“, sagt er zum Kellner, kaum dass er sich hingesetzt hat: „Ich nehm das Steak.“ Ist er so oft hier, dass er das Angebot auswendig kennt? Nein, nein, sagt er, aber er hatte am Vormittag „ein bissl Zeit, da hab ich mir in Ruhe im Netz die Karte angeschaut und überlegt, was ich essen will.“ Steak also, vom Biorind. Nein, nicht Café-de-Paris-Style, sondern Pfeffersauce. Buchinger weiß, was gut ist.
Außerdem ist es mit 47 Euro das teuerste Gericht auf der Mittagskarte.
Mittagstisch im Restaurant "The Guesthouse"
Steak also, vom Biorind. Nein, nicht Café-de-Paris-Style, sondern Pfeffersauce. Buchinger weiß, was gut ist. Außerdem ist es mit 47 Euro das teuerste Gericht auf der Mittagskarte.
Bevor es losgeht, muss man ein paar Dinge klären, vor allem für die Menschen, die ihn nicht kennen: Buchinger ist Influencer, der älteste Österreichs, und das, obwohl er gerade einmal 31 geworden ist. Seit 2009 erzählt er über sich und sein Leben, erst via YouTube aus seinem Kinderzimmer, heute aus seiner Wiener Wohnung und seinem Büro via Instagram, TikTok und in Podcasts. Buchinger war mal bei „Dancing Stars“, aber ehrlicherweise nicht sehr erfolgreich, er flog bereits in der vierten Runde raus. Woran das lag, weiß er nicht genau, sehr wohlgefühlt hat er sich jedenfalls nicht, sagt er. Und wenn man ihn trifft, dann ist man mit ihm per Du, auch wenn man ihn noch nie gesehen hat. „Niemand nennt mich Herr Buchinger“, sagt er, „außer vielleicht ein paar Kinder.“
Es ist einer dieser heißen Septembertage, die ziemlich enge Terrasse des Guesthouse ist voll bis auf den letzten Platz, es sind noch sehr viele Touristen in der Stadt. Buchinger wirkt ziemlich müde. In ein paar Tagen wird er nach Japan fliegen, Urlaub machen, und das bedeutet, dass er wie jeder Selbstständige den Urlaub bereits davor einarbeiten muss. Für drei Wochen hat er Content vorproduziert, sagt er, Podcasts aufgenommen, Reals eingespielt, Postings und Kooperationen, wie man in seiner Branche bezahlte Werbepartnerschaften nennt, auf Lager gestellt. Das hängt sich an, sagt Buchinger, „Wer mir folgt, hat oft das Gefühl, ich arbeite nix. Die Leute sehen mir bei meinem Leben zu, in meiner Wohnung, beim Joggen, und sie glauben, dass das immer so ist. Aber ich muss diesen Content ja auch produzieren. Das ist die Arbeit.“
Anders als die meisten in seiner Branche hat Michael Buchinger kein Spezialgebiet. Er ist weder Beauty-Experte noch Modepapst, er fliegt nicht jedes Wochenende in eine andere Stadt, hat keine Kinder, und wenn er sich nicht gerade im Guesthouse durch sein Grillgemüse arbeitet, dann dürfte er nicht viel essen. Der Mann ist ein Hänfling, klein und hager.
Buchinger ist ein fleißiger Mensch. Er hat zwei wöchentliche Podcasts, haut täglich Insta-Storys raus, manchmal TikToks. Er schreibt Bücher und hat ein Comedy-Programm, mit dem er durch Österreich und Deutschland tourt. Er redet dabei über alles, nur nicht über Politik oder aktuelle gesellschaftspolitische Themen. „Ich bin ja auch kein Experte für die Ukraine, die Leute wollen das von mir auch gar nicht wissen“, sagt er dazu, und er unterscheidet sich damit nicht wesentlich von anderen Influencern. Anders als die meisten in seiner Branche hat er aber kein Spezialgebiet. Er ist weder Beauty-Experte noch Modepapst, er fliegt nicht jedes Wochenende in eine andere Stadt, hat keine Kinder, und wenn er sich nicht gerade im Guesthouse durch sein Grillgemüse arbeitet, dann dürfte er nicht viel essen. Der Mann ist ein Hänfling, klein und hager. Michael Buchinger hat vor allem ein Thema: Michael Buchinger und das, was Michael Buchinger den lieben langen Tag so erlebt. Das ist zwar zugegeben meistens nicht sehr viel, aber immer sehr sehr lustig.
„Ich habe eigentlich ein ziemlich unspektakuläres Leben“, sagt er jetzt. Er spießt einen Paprika auf und zieht damit große Kreise über dem Teller. Wer weiß, vielleicht sitzt er gedanklich schon im Flieger nach Tokio und spielt die Flugroute durch. Er sollte aber ein bisschen aufpassen, die Tische auf der Guesthouse-Terrasse stehen sehr eng, und der Russe neben uns sieht nicht so aus, als hätte er gern unbekannte Flugkörper in seinem Luftraum. „Ich gehe nicht gerne fort und mache das auch nicht oft. Ein oder zwei Abendveranstaltungen in der Woche, höchstens, und ich gehe immer, sobald ich kann, nach Hause und leg mich dann aufs Sofa.“ Früher war das anders, sagt er, da war er gern auf Partys und blieb auch länger, auf einen Prosecco sei ein zweiter gefolgt und auf den ein Gin Tonic, „und wie es dann weitergeht, wissen wir alle, oder?“ (Äh, nein?) „Sagen wir so: I don’t do drugs.“ Aber heute geht nichts über einen guten Fernsehabend oder ein Essen mit Freunden in der eigenen Küche.
Ob sich die Kids, die heute „Influencer“ in die „Was ich einmal werden will“-Spalte in den Freundschaftsbüchern eintragen, ihr zukünftiges Leben so vorstellen?
Wenn man Michael Buchinger trifft, dann ist man mit ihm per Du, auch wenn man ihn noch nie gesehen hat. „Niemand nennt mich Herr Buchinger“, sagt er, „außer vielleicht ein paar Kinder.“
Buchinger redet mit vollem Körpereinsatz, auch wenn er auf der engen Guesthouse-Terrasse sitzt. Der Russe daneben schaut mittlerweile so, als würde er gleich Gegenmaßnahmen ergreifen. Das Spannendste ist aber Buchingers Art zu sprechen. Es klingt immer ein bisschen affektiert, leicht angefressen, vor allem aber extrem ironisch, und zwar egal, ob er jetzt einen Podcast einspricht oder ein Reel produziert oder im Guesthouse auf jede Frage mit „Gute Frage“ antwortet, mit Betonung auf „Gute“. Man weiß bei Buchinger nie, woran man ist, wann ihn ein Gespräch wirklich interessiert und wann er sich denkt: Boomer, seriously?
Er ist dabei nicht unnett, im Gegenteil, Buchinger ist ein Mensch, mit dem man gerne länger im Restaurant sitzen und gossipen würde, auch wenn man nicht weiß, ob er gerade eine gute Zeit oder doch das Gefühl hat, es würden ihm die Zehennägel einzeln ausgerissen. Und vielleicht macht ihn gerade das zu einem perfekten Influencer? Buchinger zeigt seinen Followern große Teile seines Lebens, sie kennen seine Küche, sein Wohnzimmer, das Bad und seinen Freund. Buchinger lebt davon, dass Menschen glauben, mit ihm befreundet zu sein, auch wenn er „wirklich Privates nie zeigen würde“ und außerdem die allermeisten davon im echten Leben noch nie gesehen hat. Wahrscheinlich braucht man eine Strategie, um damit klarzukommen, und was hilft da besser als Ironie?
Buchinger nimmt kein Dessert, das wusste er aber schon, bevor er zu Hause die Karte studiert hat. Seit Ende Oktober ist Buchinger 31, man sieht ihm das nicht unbedingt an, die sehr sehr gelben Haare halten ihn jung.
Buchinger nimmt kein Dessert, das wusste er aber schon, bevor er zu Hause die Karte studiert hat. Seit Ende Oktober ist Buchinger 31, man sieht ihm das nicht unbedingt an, die sehr sehr gelben Haare halten ihn jung. Aktuell hat er 112.000 Follower auf Instagram, er weiß das ganz genau, und er weiß auch, dass ihm mehr Frauen als Männer folgen. Seit einiger Zeit stagniert diese Zahl aber, und das liegt an Instagram selbst.
Vor allem jüngere Menschen nutzen mittlerweile eher TikTok, viele Influencer wie Buchinger ziehen nach, dort ist das Geschäft aber schwieriger, weil die Reichweite nicht mehr nur über die Followerzahl entsteht. „Was auf TikTok funktioniert und was nicht, das ist schwer vorauszusagen“, sagt Buchinger, was auch daran liegt, dass er die Plattform selbst gar nicht aktiv nutzt: „Ich will nicht noch eine App auf meinem Handy.“
Aber kann man mittelfristig weiter influencen, ohne Gefühl für TikTok? Oder wenn man älter wird? Hat er nicht Angst, irgendwann mal out zu sein? Buchinger bleibt da ziemlich gelassen. Er erzählt, dass er sich ja schon das eine oder andere Mal neu erfunden hat, dass er von YouTube auf Instagram gezogen ist, weil die Menschen keine acht Minuten langen Videos mehr sehen wollen, und dass er jetzt Podcasts macht, weil die Menschen das hören wollen, und dass er sich ja eigentlich mittlerweile als Comedian sieht. „Ich habe keine Ahnung. Ich hoffe, dass ich nicht irgendwann peinlich werde. Das möchte ich nicht. Ich hoffe, dass mir dann meine Follower sagen, dass ich nicht mehr lustig bin.“