Powerlunch

Ein Gang mit … Nina Proll

Für Puls4 versucht Nina Proll gerade, Bundeskanzlerin zu werden. Ausgerechnet Nina Proll, die Schauspielerin, die sich in den vergangenen Jahren eigenartig in Richtung Rechts bewegt hat. Wobei, damit tut man ihr eigentlich unrecht.

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Nina Proll hat ein Haar in ihrer Vorspeise, und anders als ich bemerkt sie es nicht sofort. Das Haar ist beeindruckend lang und beeindruckend dick, farblich undefinierbar, tendenziell eher ins Gelbliche, Sahnesoßige gehend. Wie ein langer Spuckefaden hängt es jetzt aus ihrem Mund, es könnte auch eine sehr lange Spaghetti sein, jedenfalls zieht Proll es gerade hoch. Teenager können so was, einen Spuckefaden gaaanz langsam wieder hochziehen, Erwachsene schaffen das eher nur mit Nudeln, Proll jedenfalls zieht und zieht, und auf einmal stoppt sie. Seit wann sind in den gemischten Antipasti Nudeln? Sie schmatzt drei Mal, vier Mal, ganz schnell, dann rümpft sie die Nase. Da hat es doch was! Sie greift zum Mund und zieht das fette, ziemlich triefende Haar heraus. „Gut, es ist blond, könnte also von mir sein“, sagt sie, schmeißt das Haar weg und isst seelenruhig weiter.

Wir sitzen im Ristorante San Carlo, einem Italiener in der Mahlerstraße gleich bei der Oper, mehr oder weniger am Touristentrampelpfad durch die Innenstadt. Es ist Prolls Lieblingsitaliener in Wien, sagt sie, sie kommt öfter hierher, und so bemüht, wie der Oberkellner um sie herumscharwenzelt, könnte das auch stimmen, wobei man bei der fast schon übertriebenen Freundlichkeit der Kellner in diesen barocken Italo-Schuppen nie genau weiß, ob sie jemand wirklich kennen oder einfach zu viel im Klischee gebadet haben. Aber andererseits: Wer kennt diese blonde Frau, die da mitten im Gastgarten sitzt, Tonic trinkt und eine nach der anderen raucht, nicht?

Proll isst deutlich langsamer, als sie raucht, und kaum ist die Vorspeise weg, schon geht die nächste Zigarette. Es ist spannend, sich mit ihr zu unterhalten, im direkten Gespräch ist sie sehr viel differenzierter als in den Krawalltalkshows, sie hat dann viel mehr „Vielleicht – vielleicht aber auch nicht“ im Text.

Seit fast 30 Jahren gehört Proll zum Kulturinventar des Landes: Sie spielt in Film und Fernsehen, sie singt, schreibt Drehbücher, in ihren Stücken war sie manchmal ernst und manchmal lustig, manchmal auch ein bisschen deppert, und Letzteres hat sich verstärkt, seit sie vor ein paar Jahren eine neue Rolle ins Repertoire genommen hat: die des Talkshowgasts. In allen möglichen Krawallformaten von Puls4 bis Servus-TV schimpfte sie zuerst über Gendern und Feminismus, und seit der Pandemie über die Regierung, die Lockdowns und die Impfpflicht. Proll sieht sich als „mündige Bürgerin“ und will so behandelt werden, sagt sie, wobei nicht ganz klar ist, ob „mündig“ nicht vielleicht das falsche Wort ist. „Wütend“ könnte auch passen, wobei, nein, dafür ist Proll deutlich zu ironisch.

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.