Roman Mählich war viele Jahre lang die Arbeitsbiene von Sturm Graz. Nun kommentiert er Fußball für den ORF. Und ist dabei irgendwie anders als die anderen Fußballexperten.
Roman Mählich schläft nicht in Sturm-Graz-Bettwäsche, das ist ihm wichtig zu sagen. Er hat zwar acht Jahre dort gekickt, hat mit Sturm in der Champions League gespielt, ist mit Sturm Meister geworden, über Sturm in die Nationalmannschaft und mit der zur Fußballweltmeisterschaft nach Frankreich gekommen – er hat also bei Sturm seine besten Fußballjahre verbracht. Aber sonst? Als Sturm Graz vor ein paar Tagen zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder österreichischer Meister geworden ist, haben jedenfalls einige Journalisten bei ihm angerufen und gefragt, was ihm das bedeutet. „Was sollte ich auf diese Frage sagen? Am besten gar nix. Ich hab dort gespielt, vor mehr als 20 Jahren, aber mehr verbindet mich nicht. Kann sein, dass man als Jugendlicher einen Lieblingsverein hat, aber später als Spieler bist du Opportunist. Du spielst dort, wo du einen Vertrag bekommst, ist ja logisch“, sagt Mählich. „Sturm ist verdient Meister geworden, weil sie den besten Fußball in diesem Jahr gespielt haben und es am meisten wollten. Aber für mich persönlich bedeutet das gar nix.“
In den ORF-Sendungen steht Mählich dann gern vor irgendeinem Analysetool, zeichnet Dinge an und erklärt Spielzüge. „Im Grunde ist das aber eine Show“, sagt er: „Wie willst du in den paar Minuten, die wir da haben, ein Spiel groß erklären?“
Wir sitzen im Kaffee Alt Wien in der Wiener Bäckerstraße, Mählich mag das Lokal, er sitzt hier häufiger, allerdings eher abends mit ein paar Freunden, und da auch nicht zum Essen. Mählich ist generell kein großer Esser, sagt er, vor allem das Mittagessen lässt er gern aus. Mit 52 Jahren und nicht mehr so viel Training wie früher muss man Prioritäten setzen, vor allem, wenn man so wie er jetzt alle paar Wochen bei „Fit mit den Stars“ vorturnt – eine Sendung, bei der sehr viele andere ehemalige Kicker keine guten Role Models mehr wären. Den gebackenen Zander, der vor ihm steht, hätte man deswegen vielleicht auch auslassen können, aber gut. Prioritäten, und das ist eben eine Kulinarik-Kolumne, auch wenn man es nicht immer gleich erkennt.
Nach seiner Spielerkarriere hat sich Mählich jedenfalls als Trainer versucht. Er war dabei aber nicht ganz so erfolgreich. Seit 2010 arbeitet er auch für den ORF und analysiert dort Fußballspiele. Bei der Europameisterschaft, die am 14. Juni beginnt, wird Mählich vor Ort und im Studio sein. Mählich analysiert immer gemeinsam mit Herbert Prohaska, und in diesem Setting ist er weniger für den Schmäh als für die Expertise zuständig.
„Ich bin in unserer Runde wohl der, der am besten informiert ist“, sagt Mählich: „Ich war bis vor Kurzem selbst noch Profi, ich bin nicht so weit weg vom aktiven Spielgeschehen. Außerdem bereite ich mich vernünftig vor, lese mich ein, schau mir im Internet Statistiken an.“ In den ORF-Sendungen steht Mählich dann gern vor irgendeinem Analysetool, zeichnet Dinge an und erklärt Spielzüge. „Im Grunde ist das aber eine Show“, sagt er: „Wie willst du in den paar Minuten, die wir da haben, ein Spiel groß erklären?“
Außerdem stellt sich für ihn ganz grundsätzlich die Frage, was man beim Fußball tatsächlich erklären kann. Klar gibt es mittlerweile jede Menge Tools und Daten und Fakten. Jeder Spieler ist vermessen, man kann jeden Laufweg nachzeichnen, und ein Experte, der das wissen will, kann in Echtzeit sehen, mit wie viel km/h ein Spieler anläuft und wann ihm die Puste ausgeht. Aber was bringt es? Wird das Spiel dadurch leichter zu verstehen? Und vor allem: zu gewinnen? „Was wirklich zum Erfolg führt, das weiß ja ohnehin keiner“, sagt er. Das ist ein leicht abgewandeltes Zitat von César Luis Menotti, dem kürzlich verstorbenen argentinischen Welttrainer und Fußball-Philosophen. Mählich hat die Menotti-Biografie gelesen, er findet ihn einen spannenden Typ, man könne von ihm schon einiges lernen, die Bücher von ihm sind jedenfalls interessant. Wobei er nicht alles nachvollziehen kann, sagt er. „Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die Fußball überhöhen und glauben, dass man mit Fußball die Welt erklären kann. Ich glaube das aber nicht. Am Ende ist Fußball ein Spiel und nicht mehr.“
Mählich sitzt im Alt Wien gleich beim Eingang, das Lokal ist um diese Uhrzeit so leer, dass man sich problemlos auch mit Cristiano Ronaldo treffen könnte oder mit David Alaba, und man würde trotzdem kein Aufsehen erregen. So leer habe ich das Alt Wien jedenfalls noch nie gesehen. Moment: Hat er da wirklich ein Flinserl im linken Ohr? Ein sogar eher großes, schwarz-weiß gefärbtes? „Das hab schon länger“, sagt Mählich, „mindestens schon ein halbes Jahr.“ Er hat sich wirklich als Mann jenseits der 50 einen Ohrschmuck stechen lassen? Er antwortet darauf nicht, sondern lächelt nur. Ja, hat er.
Wir sitzen im Kaffee Alt Wien in der Wiener Bäckerstraße, Mählich mag das Lokal, er sitzt hier häufiger, allerdings eher abends mit ein paar Freunden, und da auch nicht zum Essen. Mählich ist generell kein großer Esser, sagt er, vor allem das Mittagessen lässt er gern aus. Mit 52 Jahren und nicht mehr so viel Training wie früher muss man Prioritäten setzen, vor allem, wenn man so wie er jetzt alle paar Wochen bei „Fit mit den Stars“ vorturnt.
Mählich trägt ein Bruce-Springsteen-T-Shirt, aus seiner Tasche schauen sehr große Over-Ear-Kopfhörer von Bose heraus. Musik ist seine Leidenschaft, meint er, Springsteen findet er großartig, im Moment hört er aber sehr viel Patti Smith. Gerade hat er ihr Buch „Just Kids“ gelesen, in dem sie ihre Beziehung zum Fotografen Robert Mapplethorpe aufarbeitet. Jetzt hört er deswegen die Songs aus dieser Zeit nach, die er noch nicht kannte. Ganz offensichtlich ist Roman Mählich ein sehr interessierter Zeitgenosse, jemand, der auch mit Anfang 50 noch nicht fertig mit seinem Leben ist oder nur die Dinge verwaltet, in denen er einmal gut war. Er meint, dass er deswegen auch gar nicht mehr so viele Freunde aus dem Fußballerumfeld von früher hat. Hin und wieder geht er noch zu Events, aber nur selten, irgendwie gibt ihm das alles nicht mehr so viel. Er hat andere Interessen, neben der Musik engagiert er sich zum Beispiel fürs Integrationshaus und kümmert sich um Menschen, die weniger Glück hatten als er.
Beim Essen spricht er jedenfalls langsam, überlegt, bevor er antwortet, und wenn er keine Antwort hat, dann sagt er das auch. Mählich stellt oft Gegenfragen, und je weiter weg die Themen von der Fußballanalyse sind, desto zurückhaltender wird er. „Das weiß ich nicht“, antwortet er dann oft, und er klingt dabei nicht arrogant, sondern ehrlich: „Es gibt viele Menschen, die dann, wenn sie mit Journalisten reden, besonders schlau sein wollen. Mir liegt das nicht.“ Und das ist eigentlich ziemlich sympathisch.
Moment: Hat er da wirklich ein Flinserl im linken Ohr? Ein sogar eher großes, schwarz-weiß gefärbtes? „Das hab schon länger“, sagt Mählich, „mindestens schon ein halbes Jahr.“
Als Spieler war Mählich eine Arbeitsbiene. Er war der, der gelaufen ist, Löcher zugemacht und gekämpft hat. Vielleicht war er nicht der größte Techniker und auch keiner für die spektakulären Tore, das waren auch bei Sturm Graz andere, Ivica Vastić zum Beispiel. „Ich hab keine Weltkarriere gemacht, aber es war eigentlich ganz passabel“, so Mählich, und das stimmt erstens und ist zweitens für ihn vielleicht auch besser so. Immer wieder passiert es nämlich, dass Fußballer nach ihrer Profi-Karriere glauben, auch in anderen Branchen sehr erfolgreich zu sein – und ziemlich oft erweist sich das als Irrtum: „Ich hab das nie verstanden. Warum sollte jemand, nur weil er als Fußballer erfolgreich war, automatisch auch als Unternehmer gut sein?“
Er selbst hat das nie probiert. Nach wie vor hat er zwei Werbepartner, für die er hin und wieder Auftritte absolviert. Ansonsten arbeitet er für den ORF. „Mein Name wird da aber nie auf einer Einkommensliste auftauchen“, sagt er. „Außer, sie müssen mal die untersten Einkommen veröffentlichen.“ Er komme aber über die Runden, weil er nie einen Blödsinn gemacht habe.
Wie sollte er auch, so ganz ohne Sturm-Graz-Bettwäsche.
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Markus Huber
ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.