Es gibt wenige Pfarrer, die ihren Job so weltlich anlegen wie Toni Faber, der Dompfarrer von St. Stephan. Das macht ihn angreifbar – aber auch sehr spannend.
Der siebte Himmel hat nicht nur eine Bar, er ist auch angenehm ruhig und liegt knapp über Toni Fabers Schlafzimmer. Ich weiß das, weil ich gerade mit ihm dort stehe. „Das da drüben ist meine Dienstwohnung, eine Maisonette: Oben das Schlafzimmer, unten der Wohnbereich“, sagt er und deutet aus dem Fenster auf das Nachbargebäude. „Manchmal wär’s nicht schlecht, wenn es einfach eine Seilbahn rüber gäbe.“ Es ist ein Witz, den er wahrscheinlich nicht zum ersten Mal macht, er lacht dabei aber so, als wäre er ihm gerade eingefallen, und das ist eine Gabe, die für seinen Beruf eine gewisse Grundvoraussetzung ist: Taufen, Begräbnisse, Segnungen, es gibt gar nicht so viele Gelegenheiten, bei denen die Gesellschaft nach einem Pfarrer ruft, und wer es da trotzdem schafft, seine Predigt immer neu klingen zu lassen, der ist klar im Vorteil.
„Gehen wir zum Kirchenwirt“, hatte er zunächst vorgeschlagen, das war auch so ein Witz. Faber hatte damit das „Do & Co“ im Haas-Haus gemeint. Kirchenwirt deswegen, weil es gleich gegenüber dem Stephansdom liegt, und zweitens im „Do & Co“ immer die gleichen Leute hocken, wie am Stammtisch im Dorf. Dann entschied er sich aber doch für den „siebten Himmel“, das „Ristorante Settimo Cielo“ im obersten Stock des Hotel Royal in der Wiener Singerstraße. „Da sind weniger Leute“, hatte Faber gesagt, und auch für ihn ist das in manchen Situationen ein Asset.
Denk ich mir manchmal meinen Teil? Natürlich. Finde ich manche Menschen sonderbar? Klar. Aber erstens frage ich nicht nach, wann jemand zuletzt in der Messe war. Und zweitens nütze ich die Bühne ja auch für meine Botschaften.
Toni Faber
Faber ist nämlich bekannt wie ein bunter Hund. Seit 26 Jahren ist er Dompfarrer und legt seinen Job sehr breitenwirksam an, man kann auch sagen „weltlich“. An sechs Tagen pro Woche hat er Abendtermine, an den meisten davon sogar zwei bis drei. „Wenn mich wer einlädt, dann komme ich“, sagt er, und er wird eingeladen: Faber eröffnet Geschäfte und tauft Schiffe, er segnet Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Würstelstände, er ist bei Musical- und Theaterpremieren genauso dabei wie bei allen möglichen unrunden Geburtstagen. Man kann das ungewöhnlich finden, vielleicht sogar befremdlich. Ein Pfarrer, der mit beiden Beinen im prallen Leben steht, und zwar vor allem dort, wo es ganz besonders glitzert und so echt ist wie im Aufwachraum von Artur Worseg? Aber andererseits: Vielleicht passt ein Geistlicher gerade dort ganz gut hin?
Toni Faber ist im echten Leben sehr viel schmächtiger, als ihn die „Seitenblicke“-Kameras wirken lassen. Er trägt einen schwarzen, gut sitzenden Anzug, „Slim Fit“ hat man diesen Schnitt bei Sebastian Kurz genannt. Er wirkt sehr asketisch, auch außerhalb der Fastenzeit. Nein, für ihn kein Menü, Faber bestellt lediglich Lachsfilet auf Kichererbsen und Senfblatt (27,90), über das man nicht mehr sagen muss, als dass es routinierte Hotelküche ist. Dazu Mineralwasser, prickelnd. „Eine Segnung ist eine schöne Gelegenheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu zeigen“, sagt er. „Klar laden mich Menschen ein, weil ich ihnen Publicity bringe. Aber das gilt ja umgekehrt auch. Denk ich mir manchmal meinen Teil? Natürlich. Finde ich manche Menschen sonderbar? Klar. Aber erstens frage ich nicht nach, wann jemand zuletzt in der Messe war. Und zweitens nütze ich die Bühne ja auch für meine Botschaften.“
Auch wenn die Bühne sehr speziell ist. Wenn Faber erzählt, dann klingt das wie ein „Seitenblicke“-Podcast. Seine Schnacken und Schnurren handeln vom Richard (Lugner) dem er schon bei der vorletzten Hochzeit gesagt hat, dass er „lieber nicht zu viel versprechen soll“, und vom Niki (Lauda), der ein ganz besonderer Mensch war. Er erzählt von der Birgit (Sarata), die das Geschäft des Gebens und Nehmens kennt wie keine andere, und vom Christian (Rainer), den er verpflichtet hat, eine Laudatio auf ihn zu halten – bei der Verleihung des Goldenen Spargels im Marchfelderhof.
Die Namen fliegen da nur so über den Tisch, Faber kennt offenbar wirklich Gott und die Welt. In seinen Erzählungen schmilzt eine Zwei-Millionen-Metropole auf die Größe einer Kleinstgemeinde, in der jeder jede kennt und vor allem die Verfehlungen, die eigenen wie die der anderen. In Fabers Welt ist Wien ein Dorf und er der Dorfpfarrer, ein neuer Don Camillo, und ich frage mich instinktiv, wer eigentlich sein Peppone ist, der Job ist ja seit dem Tod von Helmut Zilk verwaist. Das ist alles lustig und auch ein bisschen surreal, weil die Society-Welt, zu der Faber gehört, ja eigentlich immer mehr an Bedeutung verliert, und vielleicht passt auch das ganz gut. Faber kennt das ja schließlich auch aus seinem Day Job.
Die Leute kommen zu mir, weil sie wissen, dass ich nicht perfekt bin. Sie vertrauen mir, weil sie glauben, dass ich eine Ahnung von ihren Problemen habe.
Toni Faber
Denn was ist der Job eines Pfarrers heute, in einer Gesellschaft, in der es Psychotherapie auf Krankenschein gibt und man sich Spiritualität auch im Yoga-Studio abholen kann, kostengünstiger und meistens skandalfreier als im Domkapitel? Es gibt jeden Tag sieben Messen im Stephansdom, Faber selbst hält eine davon selbst, „aber nicht mehr die um 6.30 Uhr. Jetzt mit 62 Jahren muss ich nicht mehr alles machen.“ Abgesehen davon sei Öffentlichkeitsarbeit eine seiner wichtigsten Aufgaben. „Auf die Lebensrelevanz des Glaubens hinweisen“, nennt er das, und er ist selbst sein bestes Testimonial. „Die Leute kommen zu mir, weil sie wissen, dass ich nicht perfekt bin“, sagt er. „Sie vertrauen mir, weil sie glauben, dass ich eine Ahnung von ihren Problemen habe.“
Tatsächlich gibt es über Faber viele Geschichten: Dass er mal nach einer Weintaufe den Führerschein abgeben musste, und dann noch ein paar andere Dinge, die nur interessant sind, weil Faber Pfarrer ist. Off Records spricht er da auch sehr offen drüber, in einer Direktheit, die überrascht, und zwar nicht nur für einen Pfarrer. Aber all das zeigt wohl auch nur, dass er wirklich mitten im Leben steht und Kirche in einem neuen Slim-Fit-Anzug präsentiert.
Toni Faber wirkt asketisch, auch außerhalb der Fastenzeit. Nein, für ihn kein Menü, Faber bestellt lediglich Lachsfilet auf Kichererbsen und Senfblatt, über das man nicht mehr sagen muss, als dass es routinierte Hotelküche ist. Dazu Mineralwasser, prickelnd.
Faber ist ein guter Erzähler, er hat einen trockenen Humor und ein breit gefächertes Interesse. Neben Theologie hat er ein paar Semester Kunstgeschichte studiert, man merkt das auch daran, dass er immer wieder Ausstellungen organisiert. Zuletzt ließ er den Hochaltar des Stephansdoms vom nicht ganz unumstrittenen Gottfried Helnwein verhüllen: Das sorgte für so viel Wirbel, dass sich schließlich das Domkapitel einschaltete und die Kunstaktion abbrechen ließ. Faber hält das für einen Fehler, aber er will jetzt lieber kein Öl mehr ins Feuer gießen und denkt sich seinen Teil.
Und auch das kann er gut: Faber ist wohl auch theologisch ein Pragmatiker, mit Fundamentalismus hat er seine Probleme, und zwar mit Katholischem genauso wie mit dem anderer Glaubensgemeinschaften: „Das Problem ist, dass die Fundis mittlerweile auch auf den sozialen Medien sind. Und sie nutzen sie besser und intensiver als die Liberalen.“ Das mache sie lauter und verschaffe ihnen ein Gewicht, das sie in der realen Welt gar nicht haben, meint Faber.
Er selbst ist nicht erst seit dem Helnwein-Tuch ein Feindbild für manche Rechtsausleger in der katholischen Kirche, und das weiß er auch. Seine Auftritte und sein Lebenswandel sorgen immer wieder auch kirchenintern für Getuschel, er komme damit aber gut zurecht, sagt Faber. Geplant hat er, dass er noch ein paar Jahre als Dompfarrer im Amt bleibt. Bis 75 wollte er ursprünglich arbeiten, meint er, aber je älter er werde, desto weniger Probleme hätte er damit, nicht bis ganz zum Ende durchzudienen. Faber trinkt seinen großen Espresso aus und meint: „Ich habe das große Glück, auf nichts und niemand angewiesen zu sein.“
Auch wenn er dann von seinem Schlafzimmer aus nicht mehr direkt in den siebten Himmel sieht.
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Markus Huber
ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.