Also, worüber wollen wir reden?
Ehrlicherweise gibt es für neugierige Menschen seit einigen Monaten vor allem ein Thema, wenn es um Veronika Bohrn-Mena geht: Gemeinsam mit ihrem Mann ist die 38-Jährige nämlich eine der Hauptdarstellerinnen in der Affäre Lena Schilling. Welche Rolle die beiden in dieser eigenartigen Telenovela spielen, darüber kann man streiten: Für die einen sind sie Helden, für die anderen Opfer, für wieder andere Querulanten, und wer weiß, vielleicht sind sie ein bisschen von allem. Aber unabhängig davon wabert die Schilling-Show nun schon seit Monaten durch die Berichterstattung, immer wieder mit neuem Klatsch und Irrsinn angereichert, und eigentlich stellt sich schon längst die Frage, ob man Bohrn-Mena mit der Reduktion auf ihre Rolle als Serena van der Woodsen nicht ziemlich unrecht tut. Die Frau ist Expertin für prekäre Beschäftigungsverhältnisse, sie hat mehrere Sachbücher geschrieben, hat sich in der ÖH engagiert und für die Gewerkschaft gearbeitet, außerdem ist sie gern gebuchte Fernsehtalkerin für diverse Formate auf Puls24 und ServusTV. Die Frau hätte eigentlich Dinge zu erzählen, die über Gossip und Kinderkram hinausgehen.
Zum Waldviertler Sepp
Was es hier gibt: Hausmannskost
Was man hier probieren sollte: Eierschwammerl
Wen man hier trifft: Einheimische und Wochenend-Waldviertler
Wer hier nicht mehr gern hergeht: Lena Schilling
Wovor man sich in Acht nehmen sollte: Wespen und dem Gossip vom Nebentisch
„Ich war immer unangepasst“, sagt sie jetzt, schon in der Gewerkschaft sei das so gewesen, damals, als sie in der GPA versucht hat, das Thema atypisch Beschäftigte und schlecht bezahlte Praktika hochzuziehen. Ihr damaliger Chef habe sie in dieser Rolle aber unterstützt, erzählt sie: „Er wusste, dass jede Organisation jemand braucht, der ein bisschen Unruhe ins System bringt.“ Als Wolfgang Katzian dann ÖGB-Chef wurde und Barbara Teiber ihm nachfolgte, dürfte sich das geändert haben. Was genau passiert ist, darf Bohrn-Mena nicht sagen: „Ich habe eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben.“ Jedenfalls verließ sie die Gewerkschaft und kümmert sich seit damals gemeinsam mit ihrem Mann um ihre „Comun“-Stiftung. Diese besteht mehrheitlich aus Menschen, die den Anteil an KPÖ-Wähler:innen in einem Ort ebenfalls als Parameter für Lebensqualität nehmen würden, und weil Lena Schilling bis zu einem gewissen Zeitpunkt auch bei „Comun“ mitspielte, frage ich nicht weiter nach. Die Gefahr, auf schlüpfrige Details zu stoßen, ist mir einfach zu groß.
Bohrn-Mena isst langsam, ungewöhnlich langsam. Wir sitzen schon seit mehr als einer Stunde zusammen, und während mein „Sepp-Burger“ samt einer Riesenportion Pommes (11,90 Euro) längst verdrückt ist, hat sie immer noch jede Menge Schafkäse im Speckmantel auf Blattsalat (9,90 Euro) vor sich. Das liegt aber vor allem daran, dass Veronika Bohrn-Mena viel zu erzählen hat. Dass sie „nie Politikerin werden wollte“, zum Beispiel, „da hat mir die Eitelkeit gefehlt. Man muss eine Rampensau sein und den Leuten vermitteln, dass man sich für sie einsetzen will.“ Wir reden über die Sozialdemokratie im Allgemeinen („Die SPÖ ist so ein Cliquen-Ding, das war schon an der Uni so, ich wollte da nie dazugehören. Auch heute gibt es in der Partei eine Clique, die immer nur bis zur nächsten Wahl denkt. Aber das ist falsch, weil man dadurch jeden Anspruch, jeden wirklichen Veränderungswillen verliert.“) und über Andreas Babler im Speziellen: „Er ist kein Christian Kern, aber das muss er auch nicht sein. Andi ist bodenständiger, hemdsärmeliger. Er könnte beweisen, dass man kein Intellektueller sein muss, um Kanzler zu werden.“ Aber so ganz überzeugt scheint Bohrn-Mena vom SPÖ-Spitzenkandidaten nicht mehr zu sein. „Es gibt offenbar Menschen in seinem Umfeld, die ihm einreden, dass er sich mehr in der Mitte positionieren muss, und ihn dann in einen Anzug stecken und zu den Bregenzer Festspielen schicken. Aber warum eigentlich? Wenn die Mitte ökonomisch schmäler wird, dann wird sie das auch politisch. Ein SPÖ-Kanzlerkandidat könnte sich also ganz klar links positionieren.“
Aber macht Babler nicht ohnehin gerade das? Ist es nicht, im Gegenteil, eher das Problem an seiner Kampagne, dass er sich als Held einer Welt inszeniert, die schon längst untergegangen ist? Veronika Bohrn-Mena schüttelt den Kopf: Für sie geht Links-Sein doch deutlich über eine überkolorierte Verstaatlichten-Inszenierung und einen breiten Vollkasko-Dialekt hinaus. Ich probiere es nochmals: Wollte sie wirklich nie ein Mandat? Nie näher an die Politik ran, vielleicht auch nur in der zweiten Reihe, als Politikberaterin? „Nein“, sagt sie nochmals, „ich will nicht abhängig von Parteien sein, ich will nicht für Apparate arbeiten. Parteien bringen nur einen bestimmten Typ Mensch hervor, und so will ich nicht sein.“
Veronika Bohrn-Mena ist eine schlaue Person, das sagt jeder, der sie schon länger kennt. Man kann mit ihr über sehr viele Themen reden, vor allem über Politik. Nach zwei Stunden haben wir Babler durch und Faymann auch, den sie übrigens für das größte Übel der Sozialdemokratie hält („Er wollte immer die Botschaft, dass alles spitze läuft und das Land keine Probleme hat, das hat jeden Diskurs zerstört.“). Wir waren bei der Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer, die Bohrn-Mena seit gemeinsamen ÖH-Tagen kennt, und ohne eine Verschwiegenheitserklärung zu brechen kann ich sagen: Beste Freundinnen werden die beiden nicht mehr. Wir haben über die kommenden Nationalratswahlen geredet und die Koalitionsoptionen danach, wir haben die großen Probleme der Linken durchdiskutiert und auch die kleineren, wir waren bei der KPÖ und deren Spitzenkandidaten, und am Ende bin ich richtig stolz auf mich, weil ich das Thema Lena Schilling kein einziges Mal angesprochen habe.
Aber das musste ich gar nicht. Veronika Bohrn-Mena ist von sich aus vier Mal zur Causa prima abgebogen. Ich habe mitgezählt.