Dieser Termin hatte sehr nach Plan begonnen, nach ihrem Plan, soll heißen: Die Vorbereitung war unfassbar nervig. Erst fanden wir kein Lokal, weil sich Hossa an einem Ort treffen wollte, an dem sie rauchen kann. Dann fanden wir ein Lokal, mussten aber umdisponieren, weil das Amerlingbeisl dienstagmittags geschlossen hat. Dann mussten wir wegen einer spontanen Terminkollision verschieben. Jeder Kontakt war maximal mühsam, weil Hossa nicht direkt, sondern nur über ihre Agentur mit mir kommunizieren wollte, was die Kommunikation doch deutlich verlangsamt und verkompliziert, aber wozu hat man sonst eine Agentur in Berlin? Als wir endlich einen Termin (ein Dienstag), eine passende Uhrzeit (14 Uhr) und ein Lokal (das Europa) hatten, wollte Hossa auf einmal nichts mehr essen, was für eine Fresskolumne nicht ganz unproblematisch ist. Ich versuchte, sie zu überzeugen („Das ist eine Fresskolumne!“), war aber erfolglos („Nein“). Schlussendlich würge ich einsam einen Cheeseburger runter (12,50 Euro, ein bisschen lieblos, zu lange gebraten und mit viel zu krossem Patty; ganz offensichtlich geht es im Europa nach wie vor nicht um die Küche, sondern darum, eine Unterlage zu schaffen oder eine Ablenkung, damit beim Date die Pausen zwischen den Sätzen nicht zu unangenehm lang werden), und ich bin wild entschlossen, sie auftragsgemäß zu hassen. Eine leichte Übung.
Aber andererseits, was ist so schlecht daran, jemand mal mit etwas Ablehnung und gesunder Skepsis zu betrachten? Macht Distanz einen Menschen nicht vielleicht deutlich ernsthafter – und interessanter?
Wir reden darüber, wie schwierig es ist, immer witzig zu sein, wie es ist, wenn ein Witz danebengeht, und wie sich Auftritte anfühlen, wenn man eigentlich nicht so gut drauf ist („Ich sage das immer gleich vor dem Auftritt, wobei es mir die Leute nicht immer glauben, du kannst auf der Bühne ja sowieso immer alles erzählen, die Leute wissen nicht, ob es erfunden ist oder nicht.“). Hossa erklärt mir den Unterschied zwischen Kabarett und Stand-up-Comedy („Stand-up ist viel direkter, es ist so, als würdest du die Leute immer wieder neu kennenlernen und dich um sie bemühen. Kabarett ist im Vergleich dazu mehr wie Theaterspielen, weil du mehr nach Skript arbeitest.“) Dazwischen verschwindet sie gedanklich immer wieder in ihrer Tierarztpraxis. „Es gibt wenig Orte, an denen man so viele unterschiedliche Menschen trifft wie in einer Kleintierpraxis“, sagt sie, und schiebt dann sofort wieder ihr Thema des Tages nach: „Wenn du einen ganzen Tag lang kastriert hast, dann gehst du am Abend heim und hast wirklich etwas geschafft.“ Instinktiv frage ich mich, ob wir darüber auch dann in dieser epischen Breite diskutieren würden, wenn ich eine Frau wäre, und falls nein, was sie mir damit eigentlich sagen will. Soll ich Angst vor ihr haben? Die hatte ich schon davor, Hossa ist auch im Internet ungemein schlagfertig – und schnell.
Wir bestellen weitere Getränke, Hossa ist damit beschäftigt, ständig neue Zigaretten zu rollen, offenbar raucht sie wirklich extrem gern, und muss außerdem ihren Hund im Zaum halten, der noch lieber sein Revier verteidigt, als sie Zigaretten raucht. Wir reden über gemeinsame Bekannte, und je weiter sich das Gespräch von einem klassischen Interview wegbewegt, desto angenehmer wird es. Hossa hat offenbar sehr viel gelesen, und zwar nicht nur die Kurzzusammenfassung auf Twitter, sie kennt die halbe Stadt, und je kürzer die Sprechpausen bei unserem Treffen werden, desto böser, auch gegen die eigene Bubble, werden ihre Witze. „Es gibt Witze, die würd ich nie im Netz veröffentlichen, weil ich weiß, dass dann manche über mich herfallen würden – auf der Bühne kann ich sie aber trotzdem machen“, sagt sie, und ich kann das bezeugen: Nicht alles an Tereza Hossa ist woke genug für die Klasse für Transdisziplinäre Kunst auf der Angewandten.
Wir bestellen Kaffee, Hossa erzählt ein paar Indiskretionen über prominente Journalisten und Superressortleiter, die mich instinktiv zusammenzucken lassen, vielleicht will ich doch nicht alles wissen, was sie weiß. Je länger wir reden, desto netter wird sie, und als ich das anspreche, zuckt sie zusammen. „Schreib das bloß nicht“, sagt sie, ich verspreche aber gar nichts. Dann muss sie los, zurück in die Kleintierpraxis. Ich frage sie noch, was heute in der Ordination passiert. Nichts Besonderes, meint sie, normaler Dienst. Kastriert wird nämlich nur am Vormittag.