Powerlunch

Eine Beilage mit … Sigi Maurer

Die Grüne Klubobfrau ist keine große Mittagesserin, sagt sie, aber man kann auch bei ein paar Pilzen etwas über Innenpolitik erfahren, über die ÖVP zum Beispiel oder Andreas Babler. Das kann helfen, Tage wie diese besser zu verstehen.

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Sigi Maurer sitzt im „Kelsen“, und sie ist mutterseelenallein, außer ihr ist im Restaurant im dritten Stock des Parlaments niemand zu sehen, und das ist sonderbar. Es ist ein Freitag, 13 Uhr, eigentlich die Zeit, in der der österreichische Politikbetrieb ins Wochenende rutscht. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat man das noch gemeinsam erledigt, über Parteigrenzen hinweg, und weil es in der Milchbar des Parlaments traditionell alles außer Milch zu trinken gab, hat das manchmal länger gedauert. Aber jetzt ist da niemand. Kein anderer Abgeordneter, kein Mitarbeiter, noch nicht einmal Journalisten. Gut, manche der üblichen Verdächtigen müssen koalitionsverhandeln, andere darüber berichten, aber doch nicht alle. Was ist da los? Ist das neu? Sigi allein im Hohen Haus?

Ich frage mich ja bei vielen, wie sie das aushalten, aber am meisten bei Christian Stocker.

Sigi Maurer

über den Neo-Parteichef der ÖVP

Wobei, vielleicht ist das gar kein schlechtes Bild: Die grüne Klubobfrau ist gerade die Einzige, die im Parlament die Stellung hält. Bei den Grünen sowieso: Da organisiert sie den Übergang von der Regierungs- zur Oppositionspartei, schaut, dass der Klub funktioniert und alle wissen, was sie zu tun haben. „Wir kümmern uns gerade um die Wiedereingliederung der Ministerinnen in den Parlamentsklub“, heißt das in ihren Worten, und das ist eine nicht ganz uninteressante Formulierung, weil sie ein bisschen was über die Hackordnung im grünen Machtgefälle verrät. Aber auch in der Politik insgesamt: Da ist Maurer im Moment die lauteste Stimme gegen die blau-schwarze Regierungskoalition – vor allem, weil die Grünen als einzige Partei wohl wirklich nicht für das Scheitern der schwarz-rot-pinken Koalitionsgespräche verantwortlich sind. Immer wieder reitet Maurer gegen die FPÖ, aber auch die ÖVP aus, ihre Videos auf Social Media sind dabei nicht ganz unwitzig. Man merkt ihnen an, dass Maurer Spaß daran hat, nicht nur alles super finden zu müssen. „Ich kann Opposition“, meint sie, „außerdem sind wir Grünen dafür ganz gut aufgestellt: Wir haben das stabilste und professionellste Team im Parlament, wir haben eine klare Vorstellung, was die Menschen von uns wollen und was gut für das Land wäre, und wir können das artikulieren, da mache ich mir keine Sorgen.“

Maurer sitzt auf der schwarzen Lederbank des „Kelsen“, die Hosenanzugs-Uniform der Koalitionäre hat sie gegen eine handelsübliche Jeans getauscht, sie ist bestens gelaunt, und das, obwohl sie gerade von einem Wahlkampfeinsatz im Burgenland kommt. Nur bei dem, was sie sagt, ist sie immer noch sehr vorsichtig. Vieles, vor allem über die ÖVP und Sebastian Kurz, ist off the records, und das, was sie über die internen Details der Dreier-Verhandlungen weiß, sowieso. Generell glaubt Maurer, dass weder die ÖVP noch die SPÖ noch Neos großes Interesse an einer Zusammenarbeit hatten, dass der ÖVP am Ende die Optionen entglitten und sich die ganze Geschichte verselbstständigt hat und dass auch die Chemie zwischen den Parteichefs nicht gestimmt hat. „Nehammer ist der Einzige, von dem ich wirklich denke, dass er es wollte“, sagt Maurer, „er ist ein integrer Typ und hat es wirklich versucht.“ Ansonsten seien aber SPÖ und ÖVP so zerstritten, dass da wohl nichts mehr geht: „Die beiden können einfach nicht mehr miteinander. Mir sagen ÖVPler, die Stimmung sei so zerrüttet wie 1934. Mittlerweile würden 25-jährige SJler:innen aus Wien-Neubau über die ÖVP so reden, als wären sie selbst im Karl-Marx-Hof gesessen und beschossen worden.“ Andreas Babler würde sich ganz ähnlich benehmen und alles, was auch nur bürgerlich riecht, ablehnen wie ein ÖVP-Abgeordneter die Erbschaftssteuer, und dementsprechend hätte er sich in den Verhandlungen wohl auch verhalten.

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.