Italien stellte mit 2:0 gegen Belgien alte Hierarchie her
Die Belgier waren als Weltranglistenzweite favorisiert in dieses Gruppe-E-Duell gegangen, die Italiener ob jüngster Leistungen bestenfalls als Co-Favorit. Nach ihrem 2:0-Erfolg haben sie nun jedoch Oberwasser.
Teamchef Antonio Conte war nach dem Sieg in Lyon weit davon entfernt, in Euphorie zu verfallen. "Wir haben noch nichts erreicht. Wir wissen, dass der Weg lang ist. Wir müssen genauso weiterarbeiten", sagte der Erfolgscoach und bat seine Truppe nach einer kurzen Nacht im Teamquartier von Montpellier Dienstagfrüh auch schon wieder zum Training. Den Jubel und die Feier hatten sich seine Akteure aber nicht nehmen lassen.
"Großartiges Team, großartige Gruppe. Und wir sind nur am Anfang", twitterte Verteidiger Giorgio Chiellini zu einem Bild der feiernden Mannschaft im Teambus. Stürmer Eder dachte auch schon an die nächste Aufgabe, am Freitag (15.00 Uhr) in Toulouse gegen Schweden: "Heute genießen wir diesen Sieg, aber ab morgen bereiten wir uns auf das nächste Spiel vor."
Contes Startelf gegen die Belgier wies ein Durchschnittsalter von 31 Jahren auf, die älteste Mannschaft in der EM-Geschichte. Der Routine und Cleverness der Italiener hatte Belgien kaum etwas entgegenzusetzen. Vor allem Italiens "BBC" in der Abwehr - wie Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini in Anlehnung an das Sturmtrio von Real Madrid genannt werden - überzeugte.
"Die Abwehr war fantastisch, sagte Torschütze Emanuele Giaccherini. Überschwänglich fiel der Jubel in der Heimat aus. "Was für ein Start der Azzurri! Wir sind die Nummer eins!", titelte der "Corriere dello Sport". Die "Gazzetta dello Sport meinte: "Heroisches Italien, Belgien K.o. Für uns war es ein begeisternder Start."
Lob gab es vor allem für Contes Taktik. Der 46-jährige künftige Chelesa-Trainer stellte sein Team perfekt ein. Italien spielte immer wieder mutig nach vorne, verteidigte kompakt und ließ damit nur wenig zu. "Taktisches Meisterwerk von Conte, der Belgiens Talente entschärft", kommentierte "Tuttosport". Bei den anderen Teams dürfte der Respekt vor der Turniermannschaft Italien nun wachsen.
Von veränderten Zielvorgaben wollte im Lager der Italiener trotzdem niemand etwas wissen. "Unser Ziel bleibt das gleiche: Wir wollen ins Achtelfinale", betonte Conte. Das wollen natürlich auch die Belgier, und das Erreichen dieses Ziels ist auch weiter durchaus realistisch. Es wird für die "Roten Teufel" aber enger als erwartet, ein Sieg (15.00) in Bordeaux gegen die bei einem Punkt haltenden Iren ist da wohl fast schon Pflicht.
Der enttäuschende Start schockte auch Trainer Marc Wilmots. "Wir haben individuelle Fehler gemacht", urteilte er. "Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um einzelne Spieler zu kritisieren. Wir müssen zusammenhalten, um uns fürs Achtelfinale zu qualifizieren." Viele Landsleute reagierten aber verbittert. "Die Stars ohne Mannschaft haben gegen eine Mannschaft ohne Stars verloren", meinte ein Anhänger pointiert.
In den verbleibenden beiden Spielen wird es nicht unbedingt leichter. Irland und Schweden haben zumindest je einen Zähler schon auf dem Konto und wittern die Chance, den Aufstieg zulasten der Belgier zu schaffen. "Wir sind in einer sehr schwierigen Position", meinte dazu treffend Verteidiger Jan Vertonghen, direkter Konkurrent von ÖFB-Teamspieler Kevin Wimmer bei Tottenham. "Es lastet nun ein großer Druck auf uns."