Eva Linsinger

Eva Linsinger Die Uni-Lotterie

Die Uni-Lotterie

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Die Idee klang wunderbar. Endlich sollten nicht nur Söhne wohlbestallter Eltern, sondern alle Bevölkerungsschichten studieren dürfen, unbehindert von Barrieren wie Notendurchschnitt oder Gebühren. Diese ­Vision von Bildung für alle, die Vorstellung von einer Hochschule, die nicht das Privileg einer kleinen elitären Gruppe ist, passte zur Aufbruchsstimmung der Studenten an den Universitäten, die sich vom „Muff von 1000 Jahren unter den Talaren“ befreien wollten, wie es im damaligen Revolutionssprech hieß. Also schaffte die Regierung Bruno Kreisky die Studiengebühren im Jahr 1973 ab. Leider bestand die prächtige Idee den Praxistest nicht.

Der große und Jahrzehnte dauernde Feldversuch „freier Universitätszugang“ ist gescheitert. Zu den Söhnen haben sich mittlerweile Töchter gesellt, aber ansonsten ist die soziale Durchmischung an den Hochschulen nicht viel anders als in den siebziger Jahren. Damals wie heute entscheiden weder Intelligenz noch Leistung darüber, wer es in die höchste Bildungsstufe schafft und wer nicht. Die Auswahl erfolgt schon mit der Lotterie der Geburt. Wer das Glück hat, Akademiker oder Gutsituierte als Eltern zu haben, landet mit einer zehnmal so hohen Wahrscheinlichkeit in Vorlesungen und Seminaren wie Kinder, deren Eltern über die Pflichtschule nicht hinauskamen. Fast nirgendwo sonst in den OECD-Staaten ist die soziale Vererbung von Bildung so ausgeprägt. Arbeiterkinder sind an den Unis nach wie vor Exoten.

Das ist heute so ungerecht wie in den siebziger Jahren. Und die Abschaffung der Studiengebühren hat daran nichts geändert. Das allein sollte der SPÖ zu denken geben, wenn sie das Mantra der Gratisuniversität aufrechterhält. Ausgesiebt wird viel früher, und schon im Alter von zehn Jahren wird der Bildungsweg endgültig einzementiert. Eine gemeinsame Schule für alle bis 14-Jährigen könnte das ändern, doch leider ist die Lernkurve der ÖVP bei dem Thema überaus flach. Sie hat bei der Gesamtschule ihre ideologischen Scheuklappen, die SPÖ bei den Studiengebühren.

Dabei müsste man nur ein wenig rechnen. Die Schieflage des freien Universitätszugangs wird noch deutlicher, wenn man die Finanzierungsströme miteinkalkuliert. Alle sozialen Gruppen bezahlen mit ihrem Steuergeld für die Hochschulen – in den Genuss höherer Bildung kommen aber nur wenige. Die oberen und mittleren Schichten werden subventioniert, oder, im Klassenkämpferjargon ausgedrückt: Die viel zitierte Billa-Kassierin zahlt für das Studium des Arztsohnes.

Das ist klassische Umverteilung von unten nach oben. Es gab eine Zeit, in der das manchen Sozialdemokraten dämmerte: Mitte der neunziger Jahre begannen besonnene SPÖ-Politiker wie der damalige Finanzminister Ferdinand Lacina und sogar der damalige Nationalratspräsident Heinz Fischer laut darüber nachzudenken, ob Studiengebühren nicht sozial gerechter wären. Sie wurden prompt von der Parteispitze zurückgepfiffen. Studiengebühren waren auch damals ein Tabuthema, frei nach dem Motto: Kreisky irrte nicht. Punkt.

Logisch begründbar ist das nicht. Bildung hat eine Rendite, sogar eine unverschämt hohe: In keinem OECD-Land ist das Einkommensgefälle zwischen Hoch- und Geringqualifizierten so groß wie in Österreich. Männer mit Universitätsabschluss verdienen pro Arbeitsstunde um 70 Prozent mehr als ihre Kollegen mit Pflichtschulabschluss – netto, wohlgemerkt. Wenn sich die SPÖ schon, sehr zu Recht, den Kopf darüber zerbricht, wie Vermögende zur Kasse gebeten werden können, wären auch Ideen zur Besteuerung von Bildungsrenditen sinnvoll.

Denn es gibt kein vernünftiges Argument, warum für diese Einkommensvorteile nicht eine Gebühr zu entrichten sein soll. Am besten natürlich im Nachhinein, wie viele Staaten vorexerzieren, die erfolgreiche Modelle von Studienkrediten etabliert haben – zurückzuzahlen nach dem Abschluss, gestaffelt nach Einkommen.

Nein, Studiengebühren sind nicht das alleinige Wundermittel gegen die Finanzmalaise der Universitäten. Schon gar nicht, wenn sie – wie so vieles unter Schwarz-Blau-Orange – als Mogelpackung eingeführt werden und gar nie den Hochschulen zugutekommen. Aber Studiengebühren wären sozial gerecht. Auch wenn noch so oft das Gegenteil behauptet wird.

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