Fegatelli: Rossinis Lied von der Leber
Streng anatomisch betrachtet ist die Rede vom Omentum majus, dem großen Netz. Es hält einen Teil der inneren Organe zusammen und schützt sie vor Entzündungen und Infektionen. Jenes vom Schwein hat seit der Antike auch eine wichtige kulinarische Bedeutung: Das sogenannte Schweinsnetz umhüllt Gerichte verschiedener Kulturen; es besteht aus feinem, hochwertigem Fett, das sich beim Garen auflöst und Speisen saftig und mürb erhält; siehe auch: faschierter Braten. In der Schweiz wickeln sie eine Wurst namens Adrio darin ein. Hierzulande wird das Schweins-netz seit keltischen Zeiten für etwas verwendet, das heute Saumaise heißt – ein Laibchen aus Schweinefleisch, Innereien, Rollgerste und Gewürzen, das in Kärnten unter dem Namen „Maischalan“ gebraten und mit Sauerkraut serviert wird, im Waldviertel gerne auch geräuchert zu Tisch kommt.
Ich muss an dieser Stelle als Aperitif die köstliche Anekdote über Saumaisen servieren, die meine Frau mit einer sehr auf Etikette und Noblesse bedachten Bekannten erlebte: Sie saßen in einem bodenständigen Landgasthaus, studierten die Karte und bestellten. Meine Frau erbat einen Schweinsbraten, ihre Begleiterin sagte in bester französischer Aussprache: „Ich hätte gerne die Somähs bitte.“
Aber wie verwendet man Omentum majus am besten? Gute Fleischereien können Schweinsnetz mühelos besorgen und haben es oft sogar vorrätig, wenn schon nicht frisch, so zumindest tiefgekühlt. Das ist aber kein Problem, denn das Gewebe muss ohnehin vor Verwendung gewässert werden, wobei es rasch auftaut. Nach einer Stunde und zweimaligem Wechseln des zimmerwarmen Wassers ist es einsatzbereit.
So verfahre ich nun bei einem Klassiker der toskanischen Küche, den es seit Jahrhunderten gibt: fegatelli. Im 16. Jahrhundert schrieb Pietro Aretino vom vestire de i fegatelli, dem Ankleiden der Leber mit Omentum majus. 1868 erschienen Heinrich Heines „Novellistische und Englische Fragmente“, deren achtes Kapitel ein hochamüsantes Sprachfeuerwerk über die kulinarischen Eigenheiten europäischer Länder ist. Heine schwärmt: „O, wie sehne ich mich manchmal nach den lombardischen Stuffados und Zampettis, nach den Fegatellis, Tagliarinis und Broccolis des holdseligen Toskana! Alles schwimmt in Öl, träge und zärtlich, und trällert Rossinis süsse Melodien …“
Fegatelli gibt es in verschiedenen Formen: als Laibchen gebraten oder frittiert und als Spieße. Ich bevorzuge Letztere (im Sommer übrigens gerne auch gegrillt). Mein Rezept ist eine Anlehnung an den Klassiker „Die echte italienische Küche“ und den Riesenwälzer der „Accademia italiana della cucina“ über Italiens Regionalküchen.
Für acht Spieße benötige ich etwa 700 Gramm Schweinsleber im Ganzen; wer Medici oder Antinori heißt, wird vielleicht die geschmacklich etwas elegantere Kalbsleber wählen, was aber nicht mehr dem Grundgedanken der bäuerlichen Küche der Toskana entspricht. Die Leber schneide ich in 5 cm große Würfel. Dann bereite ich eine Art Rub für das Organ vor: Ich mahle je 1 EL wilde Fenchelsamen und schwarzen Pfeffer, 2 EL fein geschnittenen Salbei, 1 handtellergroßes Stück Schüttelbrot, 2 Knoblauchzehen und 1 TL geriebene Zitronenschale in der Gewürzmühle mittelfein und wälze die Leberstücke darin. Dann zupfe ich pro Spieß 3 kleinere Lorbeerblätter vom Strauch oder wässere getrocknete für 15 Minuten in kaltem Wasser.
Weiters verlangt jeder Spieß nach einer Scheibe Baguette (nicht dicker als die Leber), die ich quer halbiere und mit Schweineschmalz bestreiche. Nun breite ich das gewässerte und vorsichtig ausgedrückte Schweinsnetz aus, lege die Leberstücke darauf und schneide das Netz so, dass ich jedes Stück wie ein Paket darin einschlagen kann. Das alles stecke ich abwechselnd auf Holzspieße: Lorbeer, Leber, Brot, Lorbeer, Leber, Brot und noch einmal … Manche Rezepte sehen im Übrigen zusätzlich einige Scheiben Pancetta pro Spieß vor.
Die Spieße brate ich in Olivenöl erst forsch, dann mäßig an, salze sie dabei sparsam und lasse sie im 120 Grad warmen Ofen kurz nachziehen. Ein zarter Druck mit dem Zeigefinger bedeutet mir, dass die Leber noch ganz leicht rosa und nicht hart ist. Dazu gibt’s gar nichts, denn das Brot steckt ja auch schon am Spieß. Oh doch, Chianti Classico!