Gerichtsurteil

Das sind die besten Alternativen zum klassischen Gansl in Wien

Ganslburger, Ganslleberkäs und Ganslcarpaccio: Bei Figlmüller, Nigls und im Handwerk Restaurant geht man es kreativer an.

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Sie sind heuer für das Begleichen der Rechnung beim Ganslessen zuständig? Dann kommt Ihre Panik nicht von ungefähr. Die Botschaft der Gastronomie, dass der Vogel einen immensen Aufwand macht – und dass das irgendwer auch zahlen muss –, ist bei den meisten Menschen in den letzten Jahren angekommen. Immerhin: Im Vergleich zu vergangenen Jahren sind heuer keine sonderlich rasanten Preissprünge zu beobachten. Falls man die Mitzitant aber einmal nicht ganz so groß einladen will oder einfach keine Lust auf das klassische Ganslviertel hat – hier sind drei Alternativen:

Burger (Bild ganz oben): Brioche und Brösel, Rotenturmstraße
Geschlagene 40 Minuten muss man anstehen, bis man an einem Montagmittag beim von der Schnitzeldynastie Figlmüller betriebenen High-End-Schnitzelsemmel-Stand „Brioche und Brösel“ einen Ganslburger erhält. Dass es hier sehr tolle, an dieser Stelle schon besprochene Schnitzel-, Tafelspitz- und neuerdings auch Leberkäseburger gibt, hat offenbar die Runde gemacht. Der an sich schon süße Brioche-Bun wird durch die Gansleinlage noch süßer. Zum gezupften Gansl kommen Zwiebelmarmelade, (viel) rohes Rotkraut, (wenig) Eisbergsalat, Preiselbeermayo, Agavensirup, geriebene Orangenschale und Kadayif, auch Engelshaar genannt und vom Seinszustand her frittierte Teigfäden, zwischen die Brötchenhälften. Das ist ganz schön viel – und obwohl der Burger sehr gut schmeckt, gibt es ein paar Kleinigkeiten: Das Rotkraut und die Orange sind so dominant, da hat die Gans es schwer. Auch wirkt das Unterfangen ein bisschen zu weich – der Kadayif schafft nicht genug Biss.

Stimmung: stehen bleiben
Empfehlung: urban (mit Traditionsverbundenheit) 
Preisverhältnis: Ganslburger um 12,80 Euro 
Brioche und Brösel: Rotenturmstraße 21, 1010 Wien 

Knödel (Bild oben) und Leber: Nigls, Rankgasse
Beim Ottakringer Schnitzelwirt „Nigls“ gegenüber der Klinik Ottakring geht es klassisch zu, und man kann hier ruhig ordentlich Hunger mitbringen, klein sind die Portionen nicht gerade. Der Ganslfleischknödel dauert 25 Minuten, aber es braucht halt Zeit, bis das Wasser oder der Dampf die von Erdäpfelteig umhüllte Ganslfülle erreicht hat. Dass der Teig dabei möglicherweise ein bisschen zu weich geworden ist, darf als schwer zu vermeidender Küchenkompromiss durchgehen. Liebevoll garniert und präsentiert sind die zwei Knödel jedenfalls, einmal mit Petersilie und einmal mit Schnittlauch. Kräftig abgeschmeckter Ganslsaft dazu – fertig ist das einmal dekonstruierte, dann wieder zusammengefügte klassische Ganslgericht. Zur gebackenen Ganslleber gibt es nicht viel zu berichten, sie ist schön gold-gelb gebacken und angenehm fettarm – für ihre Verhältnisse, versteht sich. Der fantastische Erdäpfel-Mayo-Salat verschont den von der Wiener Süßigkeit oft geplagten Kärntner Gaumen: säuerlich, selbst gemacht, super.

Stimmung: alte Schule
Empfehlung: trotzdem nicht auf einen Krankenhausaufenthalt warten
Preisverhältnis: Gebackene Ganslleber um 18,80 Euro, Ganslfleischknödel um 18,90 Euro 
Nigls Gastwirtschaft: Rankgasse 36, 1160 Wien

Carpaccio und Leberkäse (Bild oben): Handwerk Restaurant, Neubaugürtel
Das „Handwerk Restaurant“ im Arcotel Wimberger wirkt ein bisschen altmodisch,  aber das Ambiente hat ja meistens keinen direkten Einfluss aufs Küchenkönnen. Hier bekommt man die Gans in nicht ganz alltäglichen Ausformungen. Gestartet wird mit einem sous-vide gegarten Ganslbrust-Carpaccio, und das schmeckt ähnlich, wie es  eine sous-vide gegarte Entenbrust tun würde. Das Carpaccio ist recht klassisch geraten: Es gibt Frisée-Salat, geriebenen Comté, die Cassis-Feigen und das Orangenmus liefern Raffinesse – sehr gut. Zum Leberkäse: Angepriesen wird die Portion als extrem groß, auf Anraten des Service möge besser keine Vorspeise davor bestellt werden. Dann kommen drei kleine Scheiben Gansleberkäse von sehr kompakter Struktur. Dieses Geschäftsmodell verstehe ich nicht, den Leberkäse auch nur halb: Hätte ich nicht gewusst, dass es sich hier um keinen klassischen Leberkäse handelt, ich hätte es nicht gemerkt – er ist vielleicht ein bisschen feiner. Als Beilage gibt es Brot und frittierte Pimientos, die Pfefferoni des Großstadtmenschen.

Stimmung: ein bisschen altbacken
Empfehlung: nicht auf das Service hören und ruhig Vorspeise und Hauptspeise bestellen
Preisverhältnis: Ganslbrust-Carpaccio um 17,90 Euro, Gansl-Leberkäs um 18,90 Euro 
Handwerk Restaurant: Neubaugürtel 34–36, 1070 Wien

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.