Foda, Schöttel, Milletich: Der ÖFB benötigt eine Reform
Und täglich grüßt das Trauerspiel. Das österreichische Nationalteam spielt bieder und berechenbar. In den viereinhalb Jahren seiner Teamchef-Ära konnte Franco Foda kein einziges Pflichtspiel gegen einen höher klassierten Gegner gewinnen. Trotz einer nie dagewesenen Internationalität der Mannschaft. Spielten bei der EM 2008 bloß fünf ÖFB-Kicker in den vier besten Ligen Europas, sind es nun mehr als zwei volle Mannschaften. Doch Alaba, Arnautovic, Baumgartner, Kalajdzic, Sabitzer, Laimer, Hinteregger & Co. erstarren im rot-weiß-roten Trikot regelmäßig zu Salzsäulen. Die Ausreden des Teamchefs sind sperrig und in der Endlosschleife hängen geblieben: Wieder einmal habe man zu langsam gespielt, sei nicht ins letzte Angriffsdrittel gekommen und keine Lösungen gefunden, um zu tun, was im Fußball nun mal zu tun ist: Tore schießen. Nun verfolgen die österreichischen Kicker-Lichtgestalten die Weltmeisterschaft im Fernsehsessel, während Wales (deren Spieler nur die Hälfte des Marktwerts Österreichs besitzen, aber in der Weltrangliste zehn Plätze besser klassiert sind) die Eintrittskarte fast gelöst hat.
Fodas Fußball ist gar nicht das größte Problem, sondern das tatenlose Zusehen des Verbandes. Der ängstliche und biedere Teamchef passt nicht zu den mutigen Spielern. Das ist seit vielen Jahren offensichtlich. Dazu kamen interne Streitigkeiten und Auffassungsunterschiede zwischen Trainer, Spielern und Betreuerstab. Sprich: Es harmoniert menschlich und fachlich nicht. Der Mannschaft fehlen Wiedererkennungswert und jegliche Entwicklung. Der Verband verschloss die Augen und beförderte den Stillstand. Das Dilemma ist groß. Der bloße Rauswurf des Teamchefs wird zu wenig sein. Der von den Landesverbandspräsidenten vor viereinhalb Jahren hastig installierte und seither in zurückhaltender Dankbarkeit agierende Sportdirektor Peter Schöttel diente den Männern zur Machtabsicherung, konnte aber erwartungsgemäß keine Vision für das Aushängeschild des österreichischen Fußballs entwickeln. Im Normalfall hätte der Verband diese To-do-Liste aufsetzen müssen: Welche Spieler stehen zur Verfügung, welche Art von Fußball spielen diese, welchen Trainer benötigt man dafür? Österreichs Kader besteht vorwiegend aus Männern mit Pressingerfahrung, Terriern aus der Red Bull-Schule oder Typen, die das in ihren Vereinen lange praktizierten. Dazu hat das dominante österreichische Nationalteam gegen zunehmend unterlegene Gegner sehr oft den Ball. Es bräuchte also einen Trainer, der die Stärken der Spieler forciert (oder zumindest nicht torpediert) und Lösungen für den vielen Ballbesitz erarbeitet. In der Fußballwelt gehört dieses Komptabilitäts-Prozedere zum Standard-Repertoire guter Vereinsführung.
Der Vertrag des Teamchefs läuft mit 31. März aus. Er wird wohl nicht verlängert werden. Doch damit endet das Chaos in der Regel nicht, sondern könnte erst beginnen. Denn: Wer sucht den neuen Teamchef? Sportdirektor Peter Schöttel, der einst drei wenig passende und durchaus unterschiedliche Teamchefkandidaten (Herzog, Foda, Fink) erwählte und die Entscheidung darüber den mächtigen Landesverbandspräsidenten überließ, ohne eine Präferenz abzugeben? Mit Schöttel und Foda saßen in den letzten Jahren zwei Männer an den Steuerhebeln, die nie mit der Spielweise der ÖFB-Kicker in Berührung kamen, weder als Spieler noch als Trainer. Das riesige Missverständnis endete gestern mit dem erneuten Aus (nach dem vierten Platz hinter Israel, Schottland und Dänemark) in der WM-Qualifikation. Im ÖFB gab es schon vor Monaten die Überlegung Schöttel und Foda gemeinsam vor die Tür zu setzen. Doch bald setzte sich die Erkenntnis durch: Wer sucht dann die sportliche Führung aus? Es blieben bloß die Landeskaiser; also Juristen, Manager und Ex-Bürgermeister, die neben der finalen Entscheidung dann auch die fachliche Auslese zu orchestrieren hätten. Das wäre eine doppelte Überforderung der ehrenamtlichen Amateur-Funktionäre, die trotz geringer Fachkompetenz bei den großen sportlichen Entscheidungen kräftig mitmischen. Der größte Sportverband des Landes befindet sich in einer selbst geschaffenen Geiselhaft.
Konzept Hoffnung als Trugschluss
Sportdirektor Peter Schöttel wird also auf die Suche nach einem neuen Teamchef gehen müssen. Doch der Mann, das wird immer wieder deutlich, erkennt die Probleme nicht. Als der sportlichen Führung Ideenlosigkeit im Ballbesitz vorgeworfen wurde, versprach Schöttel keine Lösung des Problems, sondern verwies darauf, dass bald ohnehin stärkere Gegner warten würden, die Österreich nicht gänzlich den Ball überlassen. Das Konzept Hoffnung stellte sich als Trugschluss heraus.
Als Italien vergangenen Sommer Europameister wurde, sehnte Schöttel Transfers seiner Teamspieler ins Land des Champions herbei. Dabei spielen viele in der Deutschen Bundesliga idealerweise genau jenen Pressingfußball, der ihre Stärken zur Geltung kommen lässt.
Österreichs Nationalteam kratzt vom Kaderwert an den Top-10 der Weltrangliste, rangiert aber nach sportlichen Maßstäben weit dahinter auf Platz 30. „Wir haben einen Kader, der nicht ganz einfach zu führen ist“, betonte Sportdirektor Schöttel nach der 1:2-Niederlage in Wales. Es gelte „unterschiedliche Stile“ zu vereinen: Red-Bull-Pressingmonster und verspielte Buben, die mit dem Ball tänzeln. „Das unter einen Hut zu bringen, ist schwierig“, betonte Schöttel. Dabei hätte der ÖFB alle wünschenswerten Zutaten zur Verfügung: Spieler, die Druck erzeugen und welche, die spielerische Lösungen finden. Auch klassische Pressingteams wie RB Salzburg benötigen gute Lösungen im Ballbesitz. Das eine darf das andere ohnehin nicht ausschließen. Der Riesenvorteil des idealen Kaders ist für den Sportchef aber offenbar ein Riesenproblem.
Nun bliebe noch der Verbandspräsident Gerhard Milletich, Burgenländer und SPÖ-naher Verlagschef. Zum Amtsantritt betonte er, als Ex-Obmann des SC/ESV Parndorf zu wissen „wie der Hase läuft“. Kurz darauf zählte er öffentlich den Teamchef an, beauftragte Sportdirektor Schöttel mit der Suche nach einem Nachfolger, um nach zwei Siegen mit Testcharakter gegen Israel und Moldau doch alles beim Alten zu belassen. Milletich ist ein fußballbegeisterter Mann, doch für eine Einschätzung der sportlichen Qualitäten seines Führungspersonals, das betont er selbst, fehlt ihm der Sachverstand.
Machtspiele lähmen die Entwicklung
Teamchef-Suchen enden beim ÖFB zumeist in Schlammschlachten. Die machtbewussten Männer im Entscheidungsgremium sind sich zuweilen spinnefeind und neigen zum poltern. Milletich hat zahlreiche Feinde unter den Männern. Grabenkämpfe könnten erneut die sportliche Entwicklung ausbremsen. Noch dazu gräbt der ÖFB bei der Personalwahl zu wenig tief, man bewegt sich im Kreise der üblichen Verdächtigen. Die Namen Andreas Herzog und Peter Stöger werden ins Spiel kommen. Beim ÖFB hätte man einen Rauswurf der Deutschland-Trainerstars Oliver Glasner oder Adi Hütter herbeigesehnt, um die Männer dann um Gehaltseinbußen zu bitten und an deren Patriotismus zu appellieren. Die Situation wäre weniger verzwickt, würde der ÖFB den Trainermarkt tiefgehender sondieren und auch spannende, weniger bekannte Kandidaten auf dem Zettel haben, die niemand auf dem Zettel hat. Red Bull Salzburg exerziert das vor: Marco Rose, Roger Schmidt oder Matthias Jaissle kannte niemand, ehe sie zu gefeierten Trainerstars wurden.
Beim ÖFB lähmen Machtspiele die Entwicklung. Nach dem Rauswurf des Foda-Vorgängers Marcel Koller ging es auch dem, bei vielen Landespräsidenten verhassten, Sportdirektor Willi Ruttensteiner an den Kragen. Er müsse die Verantwortung für das Scheitern des Teamchefs tragen, hieß es. Was würde diese Logik für die jetzige Situation bedeuten: Wenn Schöttel den unpassenden Foda vorschlug und ihn Landeskaiser (samt Bundesliga-Vertretern) erwählten, wer trägt dann aktuell die Verantwortung für das hausgemachte Scheitern einer für österreichische Verhältnisse außergewöhnlichen Spielergeneration?
Der Status quo: Beinahe ein halbes Jahrzehnt wurde ein hochklassiger Kader nicht ausreichend entwickelt, wurde bloß die Pflicht erfüllt, oft nicht einmal das. „Wir müssen eine Lösung finden – die kann mit oder ohne Foda sein“, betonte Präsident Milletich kurz nach dem Spiel. Was der ÖFB-Chef dabei übersieht: Der Rauswurf des Teamchefs löst nicht das Problem, das der Verband im Machtrausch vor viereinhalb Jahren selbst geschaffen hat: Niemand der derzeitigen Akteure sollte den nächsten Teamchef suchen.