Formel 1: "Dicke Luft" bei Mercedes nach Crash zwischen Rosberg und Hamilton
Wolff sprach neuerlich von "einem Worst-Case-Szenario". Getroffene Regeln seien gebrochen und Grenzen überschritten worden. Direkt nach dem zwölften WM-Lauf zur Formel-1-Saison am Sonntag hatten Wolff, Team-Aufsichtsrat Niki Lauda und die beiden Piloten schon kurz gemeinsam über den Vorfall gesprochen.
Wolff schließt Teamorder nicht aus
Welche Folgen der erneute Streit zwischen den beiden Titelkandidaten haben wird, ließ Wolff offen. Der Wiener deutete aber an, dass eine Teamorder denkbar sei. Mercedes büßte durch diesen von den Rennkommissaren nicht geahndeten Crash einen wahrscheinlichen Doppelerfolg ein. Rosberg baute durch Rang zwei seine WM-Führung auf 29 Punkte aus, Verfolger Hamilton stellte seinen Silberpfeil kurz vor Schluss aussichtslos zurückliegend in der Box ab.
Stein des Anstoßes war das Manöver von Rosberg in Runde zwei: Hamilton hatte einen perfekten Start hingelegt und sich in Führung gesetzt, wurde aber dann ausgerechnet vom Pole-Setter "torpediert". Der Deutsche attackierte seinen WM-Rivalen in Les Combes, steckte dann zwar zurück, traf aber mit dem Frontflügel das linke Hinterrad am Hamilton-Boliden. Durch den daraus resultierenden Reifenschaden musste der Brite an die Box, außerdem trug auch der Unterboden seines Autos einen Schaden davon, der Punkte unmöglich machte und schließlich die Aufgabe von Hamilton zur Folge hatte.
Lauda: "Das ist inakzeptabel"
Mercedes-Motorchef Toto Wolff kritisierte die Attacke von Rosberg als "gedankenlos". "Das war absolut inakzeptabel. Die Schuld liegt hier eindeutig bei Nico. Ich will ihn nicht zum Sündenbock machen, aber so etwas darf nicht mehr passieren", sprach Wolff Klartext. Und Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda meinte unmittelbar nach Rennende sichtlich verärgert: "Er (Rosberg, Anm.) hat ihm (Hamilton) in der zweiten Runde den Reifen aufgeschlitzt, das ist inakzeptabel und hat uns um einen möglichen Doppelsieg gebracht."
Diese harsche Kritik passte zum Tag des Sohnes von Ex-Weltmeister Keke Rosberg. Der 29-Jährige hatte zwar zunächst trotz kaputter Frontpartie die Führung inne, fing sich allerdings ironischerweise nach seinem ersten Boxenstopp ausgerechnet einen Reifenfetzen ein. Da dieser wie eine Windfahne an der Telemetrie-Antenne hing, war die Sicht des Deutschen beeinträchtigt. Erst nach drei Runden wurde Rosberg diesen behindernden Fremdkörper los.
Rosberg bei Siegerehrung ausgepfiffen
Und in Runde 16 fing sich Rosberg bei einem missglückten Angriff auf Vettel vor der Bus-Stop-Schikane auch noch einen "Bremsplatten" ein und musste deshalb schon in Runde 20 neuerlich an die Box. Dieser unplanmäßige Stopp kostete ihn letztlich den Sieg, den sich Ricciardo nach einem erneut fehlerlosen Rennen wie schon vor der Sommerpause in Ungarn sicherte. Der Red-Bull-Pilot durfte damit seinen insgesamt dritten GP-Triumph feiern, Rosberg wurde dagegen bei der Siegerehrung vom Publikum gnadenlos ausgebuht.
"Schade. Es ist in erster Linie schlecht gelaufen für das Team", meinte der WM-Spitzenreiter. Angesprochen auf die zweite Runde gab Rosberg zu Protokoll: "Ich wollte außen vorbei, dann haben wir uns unglücklicherweise berührt. Das hat das Rennen für uns beide beeinträchtigt, deshalb ist mein Team enttäuscht."
Doch die größte Enttäuschung machte sich natürlich bei Hamilton breit. "Das ist äußerst ärgerlich für mich, denn ich bin so gut gefahren. Ich bin traurig für das gesamte Team, er (Rosberg, Anm.) geht hingegen sicher glücklich von hier weg", betonte Hamilton und sprach von einem "ganz schwierigen Jahr". Zur Szene in Runde zwei wollte er sich nicht näher äußern. "Es zählt nicht, was ich denke, denn ich war vorne und habe einen Schlag von hinten bekommen. Vielleicht gibt es für ihn jetzt eine Strafe wie in der Schule. Aber was soll ich machen, er hat jetzt fast 30 Punkte Vorsprung", bemerkte der Ex-Weltmeister.
Hamilton: Rosberg-Crash war "Absicht"
Nach dem Mercedes-Teammeeting im Anschluss an das Rennen hat Lewis Hamilton sogar noch nachgelegt. Nico Rosberg habe zugegeben, den Crash in Runde zwei absichtlich herbeigeführt zu haben. "Er hat gesagt, es absichtlich gemacht zu haben. Er sagte, es machte es absichtlich", wiederholte der Brite gegenüber Medien. "Er sagte, er hätte es vermeiden können. Er sagte, 'Ich habe es getan, um etwas zu beweisen'."
"Ich war baff. Sie müssen ihn fragen, was er beweisen wollte", sagte Hamilton, während sich einen Stock tiefer, in der Hospitality-Zone von Mercedes, auch Rosberg der Presse stellte. Der Deutsche gab hingegen keine Einzelheiten preis. "Ich werde keine Details nennen, das wäre nicht das Richtige", erklärte der 29-Jährige. "Wir hatten eine Diskussion, was angesichts der Umstände wichtig ist, denn offensichtlich hat das, was passiert ist, das Team viele Punkte gekostet."
Wolff hoffte indes, dass Hamilton diesen Rückschlag schnell verdauen werde. "Er ist natürlich traurig über so eine Situation, aber er ist ein Profi und wird sich erholen", meinte der Wiener, der eine längere interne Aussprache ankündigte. "Jetzt werden wir die Konsequenzen ziehen." Gefragt, ob nun auch abseits der Rennstrecke die Fetzen bei der Silberflotte fliegen werden, lautete Wolffs klare Antwort: "Mit Sicherheit!"
(APA/Red.)