Fußball-WM 2014: 11 Gründe, warum Deutschland Weltmeister wird
Von Philip Dulle und Stephan Wabl
1) Europa
Als Deutschland 1990 zum bisher letzten Mal Weltmeister wurde, war Europa mitten im Umbruch: Mauerfall, Ende der Sowjetunion, Fall des Eisernen Vorhangs. Der unspektakuläre Andreas Brehme übernahm damals im Finale gegen Argentinien Verantwortung und schoss Deutschland per Elfmeter zum Titel. Doch das wiedervereinigte Deutschland wurde daraufhin nicht größenwahnsinnig, sondern übernahm gemeinsam mit seinen europäischen Freunden erneut Verantwortung à la Brehme und lenkte den Kontinent durch schwierige politische Zeiten. 24 Jahre später erlebt Europa erneut eine Krise. Ein Weltmeistertitel würde Deutschland daran erinnern, dass es eine Aufgabe zu erledigen gilt, die größer ist als das Land zwischen Flensburg und Konstanz.
2) David Alaba
Da bei der diesjährigen WM in Brasilien weder die Eckfahnen von einem österreichischen Hersteller sind, noch der VIP-Bereich von einem rot-weiß-roten Haubenkoch bewirtet wird, ist David Alaba der wichtigste Beitrag Österreichs zu diesem Turnier. Denn wo würden Spieler wie Philipp Lahm, Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger heute stehen, hätte sie unser David nicht Woche für Woche bei Bayern München bis an ihre Grenzen gefordert? Wenn also Deutschlands Kapitän Lahm am 13. Juli die WM-Trophäe in die Höhe reißen wird, können wir uns - leicht seufzend und gegenseitig zunickend - vor dem Fernseher sicher sein: An diesem Pokal klebt auch Alabas Schweiß.
3) Jürgen Klopp
Eines ist klar: Wird Deutschland nicht Weltmeister, ist Jogi Löw seinen Job als Teamchef los und die Rufe nach Jürgen Klopp als Nachfolger werden durch das ganze Land hallen. Und es würde dem lautstarken Dortmund-Coach schwerfallen, die Bittgesuche zu ignorieren. Vorbei wäre es dann aber mit dem allsamstäglichen Potpourri aus Grimassen, Wortspielereien und Lacheinlagen in der deutschen Bundesliga. Ein unsagbarer Verlust für jeden Fußballfreund von Parndorf bis Braunschweig. Deshalb: Jogi holt den WM-Titel, scheitert bei der EM in Frankreich 2016 in der Vorrunde, Kloppo übernimmt, alle zufrieden.
4) Miroslav Klose
Anti-Superstars braucht die Welt! Nach seinem WM-Durchbruch im Jahr 2002 gab sich der Newcomer bescheiden, schleckte Eis und erzählte den zahlreichen Reportern, wie sehr er sich in der deutschen Provinz beim 1. FC Kaiserslautern wohlfühle. Zwölf Jahre später hält der heute 36-Jährige bei 69. Treffern in 132. Länderspielen und hat damit Gerd Müller an der Spitze der ewigen Torjägerliste im deutschen Team abgelöst. Nun steht der nächste Rekord an: Klose fehlt nur mehr ein Tor, um mit Ronaldo in der Liste der besten WM-Torschützen aller Zeiten gleichzuziehen. Das dürfte gelingen. "Ich freue mich sehr auf die WM in Italien", sagte der Lazio-Rom-Legionär kürzlich. "Ich habe Italien gesagt, oder? Da war ich zuletzt wohl zu lange!", fügte er hinzu. Ein Mann der Ironie und des Understatements! Das unterscheidet Klose auch wohltuend von einem anderen Ex-Italien-Legionär und Geographie-Fachmann. "Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien", erklärte einst Andreas Möller. Klose wird mit einem WM-Titel und zwei Rekorden in die Geschichte eingehen - und dann ganz im Stile des Anti-Superstars zuhause wieder ein Eis schlecken.
5) Im Chaos liegt die Kraft
Ganz undeutsch scheint diesmal für die deutsche Elf noch vor dem ersten Match alles schiefzugehen: Jogi Löw verliert den Führerschein, Kevin Großkreutz pinkelt betrunken in einer Hotel-Lobby, Unmut der Bewohner von Santo André, wo Deutschland sein WM-Quartier bezogen hat, über Straßenabsperrungen und die hohe Polizeipräsenz sowie eine Liste voller verletzter und angeschlagener Spieler. All das wird Deutschland am Weg zum Titel nicht stoppen können, sondern im Gegenteil noch stärker machen. Und am Ende dieser Chaostrecke werden wir uns eingestehen müssen: Deutschland, das ist mittlerweile Improvisationskunst und Kreativität auf höchstem Niveau.
6) Angela Merkel
Wahre Fußballfreunde wissen: Weltmeisterschaften sind etwas für Schönwetterfans. Jedes Detail ist genau geplant, nichts wird dem Zufall überlassen, der Alkoholkonsum genau geregelt, unsaubere Fanbilder werden nicht übertragen und die Zuschauer dürfen mit Fanutensilien mit großen Sponsorenlogos im Gleichklang winken. Das ist der moderne Fußball: kalkuliert, langweilig, pragmatisch, bei Sonnenschein auf der Tribüne, bei Schlechtwetter vorm Fernseher. Und niemand verkörpert diesen Zustand besser als Deutschlands oberster Fußballfan: Kanzlerin Angela Merkel. Ein gewichtiger Grund, warum der Titel diesmal aber wirklich nach Deutschland gehen wird.
7) Österreichs Wirte
Die Touristen aus unserem deutschen Nachbarland geben jährlich Millionen an Euro bei unseren Wirten und Hoteliers aus. Umso weiter Deutschland bei der WM kommt, desto mehr Bier und Schnitzel werden sich unsere deutschen Freunde an den rot-weiß-roten Seen gönnen. Und wenn es am Ende dann den Pokal zu feiern gibt, wird der nächste Urlaub gleich gebucht - mindestens für die nächsten vier Jahre.
8) Franz Beckenbauer
Auch wenn er momentan ein paar Schwierigkeiten mit der FIFA-Ethik-Kommission hat, gehören Franz Beckenbauer und sein Gerede über das runde Leder sicherlich zum Erfrischendsten und Sympathischsten in der Altherrenrunde der offiziellen Fußballwelt. Lieber den "Kaiser" über den deutschen WM-Titel philosophieren hören, als Pele beim Schwadronieren über einen Erfolg der Seleção ertragen zu müssen.
9) Jubiläen soll man feiern
Am Montag, den 16. Juni 2014 startet Deutschland mit der Partie gegen Portugal in die WM in Brasilien. Es ist das 100. WM-Match der "Mannschaft". Das darf, muss und wird gefeiert werden. Aber erst ein bisschen später, nämlich nach dem 106. WM-Spiel Deutschlands, wenn der Pokal sicher in Jogi Löws Gepäck verstaut sein wird.
10) Elfmeterweltmeister
Die deutsche Nationalmannschaft ist Weltmeister im Elfmeterschießen. Viermal mussten die Deutschen bei einer Weltmeisterschaft bereits antreten und viermal haben sie auch gewonnen. Gutes Omen für die Mannschaft von Jogi Löw: Keine andere Mannschaft konnte sich häufiger auf diesem Weg durchsetzen.
11) Deutschland kann, muss aber nicht
Dreimal hintereinander hat es die deutsche Nationalmannschaft zuletzt bei einer Weltmeisterschaft mindestens ins Halbfinale geschafft. In Brasilien soll, nein: muss nun der Weltmeistertitel her. So die geläufige Meinung der deutschen Fußball-Experten, auf den Campingplätzen und in den Redaktionsstuben. Dass das DFB-Team um Jogi Löw zu den besten fünf Mannschaften der Welt gehört, steht außer Zweifel dennoch gibt es, auch im modernen Fußball, immer noch das unvorhersehbare Ende. Und das ist auch gut so.
Die Kollegen von autorevue.at sind da ganz anderer Meinung: 11 Gründe, warum Deutschland nicht Weltmeister wird.