Fußballkolumne: Bei Rapid ist Kampf Trumpf
Der Trainer des Wolfsberger AC, Gerhard Struber, wirkte konsterniert, als er nach Spielende erleichtert zugab, froh darüber zu sein, keinen verletzten Spieler beklagen zu müssen. Rapid hatte gerade vor 21.000 Zuschauern ein 1:1 gegen den kleinen Kärntner Fußballklub geholt. Oder besser gesagt: erkämpft. Die Rapid-Spieler hatten versucht den aktuell erfolgreicheren Wolfsbergern die „Schneid abzukaufen“ und agierten weniger gegen den Ball, mehr gegen den Mann. Den Tiefpunkt bildete ein Foul des Rapidlers Mateo Barac, der mehrfach auf seinen am Boden liegenden Gegenspieler eintrat. „Es ist so wie es ist“, erklärte Trainer Didi Kühbauer danach, wenngleich er einschränkte, dass sein Spieler die Tritte nach dem eigentlichen Foulspiel „nicht mehr machen muss“.
Rapid, das überall das Vereinsmotto „Gemeinsam.Kämpfen.Siegen“ plakatiert, schärft gerade die eigene Identität. Schon vor Saisonbeginn erklärte Sportdirektor Zoran Barisic gegenüber profil: „Wir wollen spielen, was Rapid auszeichnet: Herz, Wille, Leidenschaft, Kampf, offensiv, angriffslustig.“ Zu oft wurde den Rapid-Spielern in der Vergangenheit zu wenig Einsatz vorgeworfen. Nun springen sie mit gestreckten Beinen durch die Gegend. Während die Liga-Vorbilder RB Salzburg, LASK und WAC ihrem Spiel auf dem Feld Dynamik verleihen, wirkt Rapid und die gezeigte Härte zuweilen hilflos. Der schmale Grat zwischen Härte und Brutalität wurde zuletzt nicht immer grazil bewältigt. Im Cupspiel gegen RB Salzburg spielte Rapid am Ende zu neunt.
Rapid zeigt den Fußball, den man bestellt hat: aus der Außenseiterrolle und überhart. Rapid spielt Kühbauer-Fußball; wie ein Kleiner, der es den Großen zeigen will. Das mag nicht passend sein für den Verein mit dem zweithöchsten Budget der Liga, aber überraschen darf es nicht. Didi Kühbauer überzeugte bei seinen Vereinen Admira, WAC und St. Pölten selten mit gepflegtem, mehr mit brachialem Fußball. Mit den Außenseitern versuchte er durch gezielte Beißreflexe mit den Großen mitzuhalten – was ihm gut gelang. Kühbauer war schon als Spieler ein Kämpfer und verkörperte damit perfekt die Rapid-DNA. Der Verein gewann Spiele immer wie Schlachten, nie wie Schach. Rapid-Tormann Richard Strebinger erzählte gegenüber dem „Kurier“ zuletzt, wie Trainer Kühbauer ein hitziges Trainingsspiel unterbrach: „Er hat gesagt, dass wir schon genug Verletzte haben und uns die Schienbeine nicht durchtreten sollten. Aber da war so ein Feuer drin, das überträgt sich dann auch auf das Wochenende.“
Rapid kämpft Fußball – mit Hang zur Brutalität und mit wenig Zuwendung für den eigentlichen Zweck: das Fußballspiel.
Gegen den Wolfsberger AC übertrug es sich besonders gut; der Kampf wirkte nicht löblich einsatzfreudig sondern eindimensional. Schon gegen den großen Erzfeind, den Red Bull-finanzierten Fußballklub aus Salzburg, trat man den Bullen wie tollwütige Steinböcke entgegen. Schon da war ersichtlich: Der Trainer tobte an der Seitenlinie, die Spieler auf dem Feld, so als habe man den heiligen Krieg gegen das Kommerz-Monster ausgerufen. Die neue Aggressivität erfasste zuletzt gar den Platzsprecher: „Hoid di Pappn“, raunte Andy Marek dem WAC-Trainer Struber zu. Rapid kämpft Fußball – mit Hang zur Brutalität und mit wenig Zuwendung für den eigentlichen Zweck: das Fußballspiel. Rapid tritt wie ein Außenseiter auf, der möglichst laut zu bellen versucht, um den großen Gegner einzuschüchtern. Dabei ist der Wolfsberger AC dem SK Rapid Wien grundsätzlich in allen Punkten unterlegen: finanziell, infrastrukturell, traditionell. Nur in einem Punkt hat der Kärntner Verein Rapid überholt: er spielt erfolgreicher Fußball. Mit Einsatz, aber nicht unfair. „Es hat sich ein Spiel mit vielen Zweikämpfen entwickelt, die nicht mehr im Rahmen waren“, erklärte WAC Trainer Struber. „Am Ende muss ich froh sein, dass alle fit vom Platz runter gehen. Das war schon ein bisschen irritierend.“ Rapid-Trainer Kühbauer konterte: Ich bin der Letzte, der meinen Spielern sagt, dass sie über die Grenzen hinaus gehen müssen. Komischerweise hat sich keiner verletzt.“ Struber konterte: „Es war in zu vielen Situationen Gefahr in Verzug, teilweise Vorsatz.“ Kühbauer: „Bei Vorsatz muss man vorsichtig sein. Das könnte man sagen, wenn sich einer verletzt hätte.“
Kühbauer bleibt so lange ein Feingeist, bis er wütend wird.
Nun muss natürlich nicht die halbe WAC-Mannschaft mit offenem Schienbeinbruch auf dem Feld liegen, damit der Vorwurf einer überharten Gangart gerechtfertigt ist. Auch die ausbleibende(n) rote(n) Karte(n) sind mehr dem Versagen des Schiedsrichterteams als der dosierten Rapid-Härte anzulasten. Fakt ist: Die Heimmannschaft verübte 21 Fouls, die Gastmannschaft nur elf. Während Didi Kühbauer in einem „Falter“-Porträt zu seinem Amtsantritt noch als Feingeist – der seine Spieler-Attitüde des aufbrausenden Radaumachers als Trainer ablegen konnte – porträtiert wurde, gibt er nun wieder den wütenden Brachialapostel. Er schreit sein Trainer-Gegenüber an („Spü di ned“; im Spiel gegen Salzburg zu Trainer Jesse Marsch) oder spricht nach überharten Spielen von „Männersport“. Kühbauer ist natürlich Kühbauer. In St. Pölten erzählt man noch heute, wie er wutschnaubend die Auflösung seines Vertrages forderte, um frei für seinen Herzensklub zu sein. Kühbauer bleibt so lange ein Feingeist, bis er wütend wird. Und nun scheint er seine Mannschaft damit erreicht zu haben, die nach Spielen nicht erkennt, wo man sich im wütenden Kampfmodus verirrt. Denn Siege gab es zuletzt sowohl gegen Hartberg und Wolfsberg nicht. Trotz Heimvorteil. Rapid hat von sechs Heim-Saisonspielen nur zwei gewinnen können. Auswärts dagegen noch nicht verloren und gar vier von fünf Spielen gewonnen.
Das ist dem Markenzeichen des Kühbauer-Fußballs geschuldet: Außenseiterfußball, der auswärts leichter umzusetzen ist als im eigenen Stadion, wo es auf Dominanz und spielerische Mittel ankäme.
Kühbauer und seine Spieler wollten nach dem 1:1 nicht ausschließlich über die harte Gangart sprechen, man habe schließlich ordentlich Fußball gespielt und nur unglücklich remisiert. Gegen Salzburg, den WAC und LASK müsse man eben härter zu Werke gehen, wolle man gegen den durchkonzeptionierten „Powerfußball“ nicht untergehen. Während die drei Liga-Vorbilder relativ schnell einen modernen Spielstil kreiert haben, entwickelt Rapid Härte als Gegenrezept, das gestern leicht zu einem, wenn nicht zu zwei Ausschlüssen hätte führen können. Nächsten Sonntag spielt Rapid in Salzburg, höchstwahrscheinlich wird erneut der heilige Krieg ausgerufen und die Spieler in Kampfpose versetzt. Nüchtern betrachtet bespielt Rapid wie erwartet die Außenseiter-Rolle und tut, was man vor der Saison angekündigt hat: Kämpfen. Bislang steht man damit auf dem vierten Platz.
Das rustikale Spiel mit Hang zur Brutalität mag traditionsverbundenen Anhängern gefallen, gegen (der Papierform nach) klar unterlegene Teams wie den Wolfsberger AC wirkt das immer noch große, aber relativ einfallslos und eindimensional agierende Rapid trotzdem wie im falschen Körper.