Fußballkolumne: Eine Frage der Arschbacken
Andreas Müller richtete vor dem letzten Meisterschaftsspiel einen Appell an seine Mannschaft: „Wir haben viel Qualität im Kader. Sie sollen die Arschbacken zusammenknallen und einfach ihre Leistung bringen.“
Seine Worte klangen wie die Anfeuerungsrufe eines verzweifelten Anhängers. Dabei ist Müller der Sportdirektor des Vereins, sozusagen das strategische Hirn, zuständig für Spielphilosophie und Kaderzusammensetzung. Derzeit hört man von Müller vor allem Brachialrhetorik.
Beim Heimspiel gegen Altach dann das übliche Szenario: Rapid ideenlos im Offensivspiel. 22.000 Fans pilgerten gegen Altach ins Stadion – mit hohen Ansprüchen. Am Ende gab es ein 1:1 und dasselbe wie fast immer.
Der Verein hat vor der Saison die Herzen seiner Anhänger erreicht: ein neues Stadion, neue Millioneneinkäufe, große Ziele. Rapid soll wieder Meister werden, ließ der Verein verlauten. Die großen Träume waren in den letzten Jahren an den vielen Ausrutschern gegen die Außenseiter der Liga gescheitert. Der Trainer wurde deshalb mit Saisonende beurlaubt. Doch bislang ist die neue Saison für den ehrgeizigen Titelaspiranten ein einziges Desaster. Es gibt weiterhin keinen erkennbaren Plan gegen Mannschaften, die den Raum eng machen. Von elf Meisterschaftsspielen wurden bloß vier gewonnen. Und wieder sind die Dorfklubs der Liga die Stolpersteine. Trainer und Sportdirektor stehen in der Kritik. Rapid spielt ermüdend und ausrechenbar, es fehlt eine variantenreichere Strategie. Doch Andreas Müller analysiert an falscher Stelle.
Müller hat die Spielerkritik zu seinem Credo erhoben.
Der Sportdirektor gibt regelmäßig den erzürnten Zampano und kritisiert seine Spieler. Die Moralpredigten haben mittlerweile Tradition. „Viele Spieler träumen von der großen Bühne. Da muss ich mich schon so motivieren können, dass ich konstant mein Niveau abrufe“, meinte er zuletzt. Die Aussagen kommen regelmäßig und schablonenhaft. Müller hat die Spielerkritik zu seinem Credo erhoben.
Dabei hat der Deutsche viele neue Spieler, denen er jetzt fehlende Leidenschaft vorwirft, selbst geholt. Fixsterne der letzten Saison wurden ersetzt, zwei seiner Einkäufe wurden zu den teuersten der Vereinsgeschichte. Trotzdem bleibt Müller dabei: wenn es nicht läuft, laufen die Spieler zu wenig. Schon in der letzten Saison konnte Rapid elf Spiele gegen die Dorfklubs der Liga nicht gewinnen. Auch, weil die Spielidee gegen engmaschig verteidigende Gegner zunehmend einfältig erschien. Rapid probierte es mit dem immer selben Konzept, dass das immer selbe Ergebnis brachte: Ausrutscher gegen Außenseiter. Vor allem schien Rapid eine variantenreichere Spielweise zu benötigen. Einen Plan B, vielleicht gar einen Plan C. Trainer Zoran Barisic wurde offiziell aber wegen fehlender Siegermentalität beurlaubt. Nicht wegen der Erschöpfung seines strategischen Talents. „Ich habe immer angeprangert, dass die Spieler mehr Disziplin brauchen, dass man eine gewisse Härte gegenüber den Spielern zeigen muss“, erklärte Müller, nachdem er seinen einstigen Kollegen Mike Büskens als neuen Trainer geholt hatte.
Das zeigt: Büskens wurde anscheinend nicht deshalb verpflichtet, um Rapid strategisch weiterzuhelfen, sondern um den Spielern mehr Disziplin und Siegermentalität einzuimpfen. Die Verpflichtung eines Deutschen wurde anfangs von vielen Seiten begrüßt. Ein deutscher Trainer klingt immer auch ein wenig nach Internationalisierung des Betriebs. Mike Büskens kickte früher für den deutschen Traditionsverein Schalke04 als Spielerkollege des deutschen Rapid-Sportchefs Müller. Büskens größter Erfolg als Trainer war der Aufstieg mit Greuther Fürth in die deutsche Bundesliga. Ansonsten sieht seine Trainerbilanz eher trist aus. Wenige Erfolge, mehr Beurlaubungen. Deutsche Journalisten beschreiben ihn auf Nachfrage eher als Heißmacher denn als Taktikfuchs.
Eine ernsthafte Analyse abseits von Spielerkritik bleibt bislang aus.
Aber die taktische Ausrichtung des Trainers macht Müller derzeit gar nicht zum Thema. Während Sportdirektoren wie Ralf Rangnick ständig von Strategie und Spielphilosophie faseln, hört man Müller mehr wüten denn analysieren. Nach der 2:4-Niederlage in Ried kritisierte er, die Mannschaft sei keine Einheit. Rapid-Kapitän Stefan Schwab widersprach ihm prompt: Die Mannschaft sei eine Einheit, die Gründe liegen im sportliche Bereich. Müller schwächte wenig später ab: er wollte die Mannschaft bloß wachrütteln. Bei der Pressekonferenz vor dem Samstag-Spiel gegen Altach legte Müller unbeirrt nach: „Geh auf den Platz, reiß dir den Arsch auf, tu alles für dein Team – miteinander – dann wirst du die Spiele auch gewinnen.“ Müller klingt dabei mehr nach Fußball-Steinzeit als nach einem Strategen modernen Zuschnitts.
Gegen Altach waren die alten Probleme offensichtlich. Die Mannschaft hatte keine Ideen, um Löcher in die gut stehenden Abwehrreihen der Altacher zu reißen. In der Schlussphase erzielte Rapid den Ausgleich. Zu wenig für den Titelaspiranten, der bereits elf Punkte hinter Spitzenreiter Sturm Graz auf Rang fünf liegt. Sportdirektor Andreas Müller hält sich aber mit kritischen Tönen an der Strategie seiner Erfindung Mike Büskens zurück.
Eine ernsthafte Analyse abseits von Spielerkritik bleibt bislang aus. Die Moralpredigten Müllers verpufften. Die Spieler beteuern, im Spiel alles zu geben. Gegen Altach erkämpften sie den Ausgleich in Unterzahl.
Geht der Sportdirektor in sich, bleiben ihm nur zwei Gedankenspiele. Entweder sind die Spieler nicht nur lauffaul, sondern – nach den vielen Moralpredigten Müllers – auch schwerhörig oder stur. In Wahrheit scheint es wenig wahrscheinlich, dass ein Meisterschaftsanwärter durch die Bank faule und sture Spieler im Kader hat. Vor allem in einem Geschäft, in dem die Leistung der Spieler deren Bewerbungspapier für höhere Aufgaben darstellt. Die offensichtlichere Baustelle ist: Die Gegner wissen wie Rapid spielt und laufen mit passenden Gegenmitteln auf. Rapid hat ein strategisches Problem. Es lässt sich nicht mit Arschbacken zusammenknallen lösen.