Die Isländer im Freudentaumel.
Geschenkter "Aufstand der Zwerge"?

Fußballkolumne: Geschenkter "Aufstand der Zwerge"?

"Kabinenpredigt", die profil-Fußballkolumne. Wie ein neuer Qualifikations-Modus kleinere Fußball-Länder glücklich macht, jedoch gleichzeitig sportliche Sinnfragen aufwirft.

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Schon vor Start der EM-Qualifikation für die Endrunde in Frankreich 2016 war klar: Noch nie würde es so einfach werden, sich für ein Großereignis zu qualifizieren. 54 Nationalteams waren angetreten, 24 Quali-Plätze gab es zu vergeben – nur 30 UEFA-Mitglieder würden also schließlich auf der Strecke bleiben. Nach Adam Riese ergibt dies ganz konkret: 4/9 aller angetretenen Teams dürfen tatsächlich auch bei der Endrunde dabei sein. Angesichts dieses Modus‘ ist es nicht wirklich verwunderlich, dass sich einige kleinere Nationen derzeit im Fußball-Freudentaumel befinden: Allen voran die Isländer und Albaner, denen es jeweils zum ersten Mal überhaupt gelang, sich für ein Großereignis zu qualifizieren. Ihre Premiere bei Europameisterschaften feiern außerdem die Mannschaften aus Nordirland (WM-Teilnahmen 1958, 1982 und 1986), Wales (WM-Teilnahme 1958) und der Slowakei (WM-Teilnahme 2010). Mit dem Play-Off-Teilnehmer Bosnien-Herzegowina (WM-Teilnahme 2014) könnte ein weiterer EM-Debütant hinzukommen.

Angesichts dieser Tatsachen ist es natürlich für ein großes Fußballland wie den Niederlanden umso schwerer zu verdauen, es nicht einmal in die Play-Off-Runde geschafft zu haben. Die „Oranjes“ können sich jedoch zumindest damit trösten, bei den letzten beiden Weltmeisterschaften immerhin die Plätze 2 und 3 belegt zu haben.

Ob eine Qualifikation, bei der schließlich nur knapp die Hälfte der Teams auf der Strecke bleibt, sportlich wirklich sinnvoll ist, sei dahingestellt.

Welche sind aber eigentlich jene europäischen Länder, die es – trotz immer freundlicher werdender Qualifikations-Modi – überhaupt noch nie geschafft haben, sich für eine WM oder EM zu qualifizieren? Ein genauerer Blick auf die 54 UEFA-Mitglieder macht klar, dass es da gar nicht mehr allzu viele gibt.

Die höchstgereihte Nationalmannschaft, die noch nie bei einer Endrunde dabei war, ist Montenegro (Platz 31 im aktuellen UEFA-Ranking). Das verwundert wenig, existiert die Republik doch erst seit 2006. Bei der überwiegenden Mehrheit der anderen Nationen ohne Endrundenteilnahme (Estland, Litauen, Armenien, Weißrussland, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Mazedonien und Kasachstan) handelt es sich ebenfalls um Länder, die erst in den letzten 25 Jahren ihre Unabhängigkeit erlangten. Neben den wohl letzten verbliebenen Fußballzwergen (Luxemburg, Färöer, Liechtenstein, Malta, Andorra, San Marino und Gibraltar) sind daher überhaupt nur zwei Nationen auszumachen, bei denen quasi seit jeher so etwas wie fußballerische Tristesse herrscht: Zypern, das sich angesichts von nur knapp einer Million Einwohner eigentlich recht wacker schlägt, und ... Finnland. Letztere muss man schließlich wohl als „notorisch erfolgloseste“ Fußball-Nation Europas bezeichnen. Arme Suomis.

Aber noch einmal zurück zum eigentlichen Thema: Natürlich hat es etwas durchaus Charmantes, wenn auch kleinere Fußballnationen einmal die Chance bekommen, bei einem Großereignis dabei zu sein. Den Isländern, den Albanern, den Nordiren und Walisern sei es von ganzem Herzen gegönnt. Manche dieser Länder hätten es sicherlich auch nach dem "alten" Modus zur EURO geschafft. Ob eine Qualifikation, bei der schließlich nur etwas mehr als die Hälfte der Teams auf der Strecke bleibt, jedoch sportlich wirklich sinnvoll ist, sei trotzdem einmal dahingestellt.