Gott statt Glamour

Gefährden Baumax-Krise und Sparzwang die berühmte Sammlung Essl?

Kunst. Gefährden Bauma-Krise und Sparzwang die berühmte Sammlung Essl?

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Der Befund war vernichtend. Als 1999 in Klosterneuburg das Essl Museum eröffnete, ließ die „Neue Zürcher Zeitung“ kein gutes Haar daran. „In diesem Museum präsentieren sich die Wiener Aktionisten als gesellschaftsfähige Opernball-Besucher“, mäkelte das Blatt. Der deutsche „Tagesspiegel“ entdeckte „eine erschreckend schwache Auftragsarbeit von Markus Lüpertz“.

Mehrheitlich reagierte die Öffentlichkeit jedoch positiv auf das neue Haus in den Ausläufern der Hauptstadt. Nicht nur die heimischen, auch die ausländischen Medien wussten das Engagement des Sammlers Karlheinz Essl zu würdigen: Schließlich machte er seine damals rund 4500 Werke umfassende Kollektion (heute besitzen er und seine Frau Agnes an die 7000 Objekte) als erster Österreicher in einem eigens dafür erbauten Haus zugänglich. Und er präsentierte eine taugliche Übersicht über die heimische Kunst nach 1945.

Seither gelang es dem Museum, sich zu etablieren. Neben bedeutenden heimischen Kräften wie Arnulf Rainer, Hermann Nitsch oder Maria Lassnig stellt man regelmäßig internationale Größen aus (Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Alex Katz), kümmert sich um den Nachwuchs mit Solo-Shows (derzeit Deborah Sengl), Emerging-Artists-Projekten sowie einem Preis für Kunst aus Ost- und Südosteuropa. Und man wagt ab und zu auch Unkonventionelles, zuletzt etwa eine über Facebook kuratierte Ausstellung.
Karlheinz Essl war zwar nicht der erste private Kunstkäufer, der sich selbst ein schnittiges Museum errichtete, allerdings folgte nach der Jahrtausendwende eine wahre Flut an vergleichbaren Häusern in ganz Europa. In Österreich eröffneten seither zwei neue Sammlermuseen mit cooler Architektur und passablem Programm (siehe Artikel hier). 2014 nun feiert der Museumsbau, entworfen vom Architekten Heinz Tesar, seinen 15. Geburtstag. Auch aus diesem Grund treten Karlheinz und Agnes Essl verstärkt als Kuratoren ihrer eigenen Sammlung auf und rücken deren Österreich-Schwerpunkt ins Zentrum. Kommende Woche eröffnet Herr Essl eine Schau mit noch streng geheimem Inhalt, wenige Wochen später präsentiert seine Frau Künstlerinnen aus der Sammlung. Im Herbst wird sie zudem eine Malereiausstellung kuratieren. Dies zumindest teilt sie während des profil-Gesprächs ihrem Mann in dessen zurückhaltend ausgestattetem Büro im Museum mit.

Die Essls haben mit dem glamourösen internationalen Jetset, der sich auf den Kunstmessen von Basel, Miami und London tummelt, so viel zu tun wie ein Mönch mit einem Oligarchen. Auf persönlichen Luxus legt das Paar, das die Goldene Hochzeit längst hinter sich hat, sichtlich geringen Wert. Zur Hochform laufen sie auf, wenn sie davon schwärmen, was die Kunst der Menschheit schenke und wie man dies im Haus zu vermitteln gedenke.
Dass die Essls zu zweit Interviews geben, kommt selten vor. Bald merkt man, warum: „Jetzt hast du mich schon wieder unterbrochen!“, ruft Agnes Essl während des Gesprächs aus, als ihr der Gatte ins Wort fällt. Die Geschlechterrollen sind der Generation entsprechend – sie wurde 1937 geboren, er zwei Jahre später – traditionell verteilt. Während Karlheinz Essl die Baumarktkette Baumax aufbaute, zog Agnes fünf Kinder auf. Die Familie, so erzählt sie später, komme bis heute etwa einmal im Monat zusammen. Sohn Karlheinz – er ist Komponist – hat im Museum ein eigenes Büro. Zum gemeinsamen Mittagessen im Museumscafé stößt dessen Bruder Martin dazu. Dieser führt das Familienunternehmen, das seit Jahren in der Krise steckt: Schwächelnde Standorte im Osten trieben den Konzern in die roten Zahlen, von Verkauf war schon die Rede. Die Familie Essl soll bereits zig Millionen aus ihrem Privatvermögen zugeschossen haben. Karlheinz Essl senior selbst verweigert freilich jede Auskunft dazu. Spätestens seit dem Herbst des Vorjahres, als wieder einmal vom hohen Schuldenstand des Konzerns die Rede war, kursierten Gerüchte: Die Banken, so hieß es, griffen bereits auf die Kunstsammlung zu. Diese wurde jedoch vor Langem in eine Stiftung eingebracht, die mit der Karlheinz und Agnes Essl Privatstiftung – in der das Familienvermögen geparkt ist – verbunden ist.

Auch der Museumsbetrieb mit seinen rund 50 Mitarbeitern kostet viel Geld. Zwar hieß es schon 2012, dass dafür die „Sammlung Essl gemeinnützige Privatstiftung“ gegründet wurde, in die demnächst die Kunstkollektion überführt werden soll. Dennoch stellt sich die Frage, woraus sich die Stiftung trägt. Und: Ist ihr Überleben gesichert? Karlheinz Essl dazu: „Natürlich weiß ich nicht, ob morgen der Dritte Weltkrieg ausbricht oder die Welt untergeht. Aber derzeit sehe ich das Museum nicht bedroht.“ Nicht nur das Privatvermögen speise das Museum, sondern auch Mieteinnahmen: In die Stiftung sind Immobilien eingebracht, über die der Betrieb mitbezahlt wird. Dennoch haben die Essls ihre Ankaufstätigkeit vorerst heruntergefahren.

Als Sparefroh ist der gebürtige Kärntner sowieso weithin bekannt. In der Wiener Galerienszene ist sein Ruf, nun ja, mittelprächtig: Freilich zeigen sich manche Kunsthändler durchaus glücklich über seine Sammel- und Ausstellungsaktivitäten. Andere dagegen weisen darauf hin, dass er sich gern 30 bis 40 Prozent Rabatt aushandle. Darauf angesprochen, wird der sonst so heiter-gelassene Industrielle leicht aufbrausend: „Das ist ja lächerlich. Ich kaufe nicht nur als privater Sammler, sondern auch für mein Museum. Also muss es entsprechende Konditionen geben, die andere Museen auch bekommen. Wir müssen das Haus finanzieren und sparsam sein. Wir haben keinen Geldesel und müssen alles hart erarbeiten.“ Essls Konditionen sind dennoch spektakulär: Öffentliche Museen können bestenfalls mit 20-prozentigen Nachlässen rechnen.

Essl verteidigt seine harten Verhandlungen. Schließlich sei es „normal, dass man einen guten Preis zu bekommen versucht – natürlich möchte man günstig kaufen“. Manch einer weigert sich, Prozente zu gewähren und kommt dann nicht ins Geschäft mit dem wichtigsten Sammler zeitgenössischer Kunst in Österreich. Doch über so profane Dinge sprechen die Essls ungern. Schließlich haben sie eine Mission.

profil: Das Programm des Essl Museums konzentriert sich in diesem Jahr exklusiv auf heimische Kunst. Müssen Sie teure Transportkosten einsparen?
Karlheinz Essl: Nein, das hat damit nichts zu tun. Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums unseres Hauses wollten wir ganz bewusst den Schwerpunkt der Sammlung zeigen. Unter anderem hinterfragen wir im Herbst, welchen Stellenwert die Malerei in der heutigen Generation besitzt.

profil: Das heißt, es gibt keinen Sparkurs?
Karlheinz Essl: Natürlich haben wir bei den Ankäufen zurückgeschraubt. Es gibt eben Zeiten, in denen man mehr sammelt, dann wieder weniger. Wir konzentrieren uns jetzt auf die Bestände. Von unseren 7000 Kunstwerken wurden viele noch nie öffentlich gezeigt.

profil: Kaufen Sie derzeit gar nichts an?
Karlheinz Essl: Doch. Aber wir müssen der Situation entsprechend kaufen und leisertreten. Dennoch könnten wir für die nächsten zehn Jahre Ausstellungen machen, in denen die Besucher stets Neues entdecken würden. Wir sind keine Kunsthalle, die auf Leihgaben angewiesen ist. Und wir müssen keine Besuchermassen anziehen wie die öffentlich finanzierten Museen. Für uns steht das Experiment im Vordergrund – das können sich diese nicht leisten. Wir haben auch sperrige Positionen im Programm: Die Gemälde von Kurt Kocherscheidt etwa hätte niemand ausgestellt. In der Öffentlichkeit ist nicht genug Interesse dafür da.

profil: Das Wiener Museum für Angewandte Kunst zeigte Kocherscheidts Arbeiten vor etwa zehn Jahren.
Karlheinz Essl: Ja, gut. Unsere Ausstellung ist aber gleich nach Deutschland weitergegangen, und alle wichtigen Zeitungen haben darüber berichtet.

profil: Die Sammlung Essl war ursprünglich stark in Ihrem Unternehmen Baumax präsent. Ist es Ihnen gelungen, Ihre Belegschaft zur Kunst zu bekehren?
Agnes Essl: Die Mitarbeiter dürfen sich bis heute Bilder für ihre Büros aussuchen. Am Anfang war das schwierig, da fragte sich angesichts der Gemälde von Georg Baselitz mancher: Was soll das denn heißen, wenn Personen auf Bildern kopfstehen?
Karlheinz Essl: Ungefähr ein Drittel unserer Mitarbeiter ist mittlerweile sehr kunstaffin. Das ist ein Lernprozess. Wenn die Kunst im Firmengebäude hängt, kann man sich ihr nicht entziehen.

profil: Das Museum veranstaltet auch Malseminare für Manager. Was genau passiert da?
Karlheinz Essl:<7b> Wir haben festgestellt, dass die gemeinsame Arbeit an der Kunst den Teamgeist stärkt. Üblicherweise hält jeder seine Position für die wichtigste. Aber man kann den Krieg nur gewinnen, wenn man gemeinsam kämpft. Unsere Erfahrung ist, dass Teamergebnisse viel besser sind als Einzelergebnisse. Kürzlich haben wir im Depot gigantische Tische mit Papierbahnen aufgestellt. Da wurden zwölf Manager aufgefordert, gemeinsam ein Bild zu malen.
Agnes Essl: Sie mussten jeweils auf die Malerei der anderen reagieren.
Karlheinz Essl: Zuerst malte jeder sein eigenes Bild. Dann hieß es: Kinder, ihr müsst das doch gemeinsam machen! So malte einer ins Bild des anderen und umgekehrt. In dieser Art ging es weiter, am Ende herrschte die reinste Euphorie. Wir bieten diese Trainings auch für andere Unternehmen an. Siemens und OMV nahmen das beispielsweise schon in Anspruch.

profil: Was holen Sie für sich selbst aus der Kunst?
Karlheinz Essl: Die Frage ist doch: Was ist mein Auftrag in dieser Welt? Kann ich etwas weitergeben, oder habe ich nur mich und meine Familie halbwegs über die Runden gebracht? Was hinterlasse ich? Diese Fragen stellt sich nicht nur ein religiöser Mensch, sondern auch ein Agnostiker. Die Kunst ist für das menschliche Leben ungeheuer wichtig, sie erweitert den Horizont. Künstler haben einen anderen Blick auf die Welt.

profil: Sie gelten beide als sehr gläubig. Sprechen Sie mit Künstlern über Religion?
Agnes Essl: Immer.
Karlheinz Essl: Es geht aber nicht darum, wer Recht hat. Es ist ja klar, dass jemand wie Hermann Nitsch einen anderen Zugang hat als ich. Wir sind Protestanten: Gott hat uns mit einem Auftrag in die Welt gesetzt. Dabei dauert das Leben ohnehin nur so kurz. Ich habe kürzlich von einer Galaxie gehört, die schon seit über vier Milliarden Jahren existiert. Im Vergleich dazu sind wir bloße Funken! Gott ist bei solchen Überlegungen eine wichtige Hilfe. Und wenn Sie sich über die Zehn Gebote hinwegsetzen, werden Sie sowieso auf die Nase fallen! Die sind eine Lebenshilfe, keine Last.

profil: Wie sammelt man zu zweit Kunst? Sind Sie sich immer einig?
Karlheinz Essl: Im Wesentlichen entscheiden wir gemeinsam.
Agnes Essl: Aber wenn ich allein unterwegs bin und ein Bild sehe, das gut in die Sammlung passt, habe ich manchmal keine Zeit mehr, um mit meinem Mann zu reden. Dann nehme ich es einfach. Mit einem Werk von Hans Bischoffshausen ging es mir beispielsweise so.

profil: Welche Künstler und Künstlerinnen haben Sie denn zuletzt entdeckt?
Agnes Essl: Ich bereite gerade eine Ausstellung vor, in der ich ausschließlich Künstlerinnen zeige. Da entdeckte ich einige Malerinnen wieder, die ich zwar schon vorher kannte, aber erst jetzt im Atelier besuchte – etwa Karen Holländer, Astrid Bechtold, Bianca Regl oder Eva Wagner. Wir haben 27 Künstlerinnen, die schon in der Sammlung vertreten sind, für unsere Ausstellung ausgewählt. Sie wurden noch nie gemeinsam gezeigt. Es soll ein Paukenschlag sein.

profil: Haben Sie schon einmal nachgezählt, wie viele Künstlerinnen in Ihren Beständen vertreten sind?
Agnes Essl: Aus Österreich sind es ungefähr 30.
Karlheinz Essl: Insgesamt sind es sicher viel mehr, schließlich haben wir 700 Künstlerinnen und Künstler in der Sammlung.

profil: Frauenausstellungen laufen Gefahr, Künstlerinnen zu ghettoisieren. Wäre es nicht wichtiger, deren Werke konsequenter anzukaufen oder Frauen schlicht die Hälfte der Einzelausstellungen zu widmen?
Karlheinz Essl: Wir schauen nicht darauf, ob jemand eine Frau oder ein Mann ist. Wir hatten schon viele Personalen mit Künstlerinnen, etwa Maria Lassnig, die eine ganz wichtige Position in unserer Sammlung darstellt.
Agnes Essl: Natürlich auch VALIE EXPORT und Elke Krystufek.
Karlheinz Essl: Krystufek hatte bei uns ihre erste Museumsausstellung überhaupt.

profil: Insgesamt sind Künstlerinnen in den Museen und Ausstellungshäusern noch immer nicht präsent genug. Daran ändern Frauenausstellungen leider auch nichts.
Agnes Essl: Heute studieren so viele Frauen an den Akademien oder Universitäten. Daher wird die Bedeutung der Künstlerinnen steigen. Und vielleicht werden ja auch andere Museumsleute meine Ausstellung sehen und die dort vertretenen Künstlerinnen für Personalen in Betracht ziehen.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer