"Hast du mich noch lieb?"

Gender-Debatte: "Hast du mich noch lieb?"

Kommentar. Manche Männer verweigern sich Hollywood-tauglicher Verbal-Romantik. Völlig zu Recht, meint Angelika Hager

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Ich mochte Hank Moody, den Antihelden aus der TV-Serie "Californication". Den Mann mit dem Knautschzonen-Gesicht, der durchaus verlässlich war, was seine Schreibblockaden, seinen Alkoholkonsum und seine Promiskuität betraf. Rundum wirkte er wie aus dem Schwarzbuch der feministisch orientierten Gender-Polizei entsprungen. Auch seine Grundsatzgespräch-Allergie fand ich herzerwärmend. Wenn einer seiner One- oder maximal Two-Night-Stands auf der Matte stand und das Tor zur Beziehungsarbeitshölle mit dem Satz "Wir müssen reden!" eröffnete, sah er diejenige nur sehr, sehr müde an und sagte: "Du hättest mich anrufen sollen. Ich hätte zwar nicht abgehoben, aber du hättest eine Message auf meiner Mailbox hinterlassen können. Eine Message, die ich übrigens gleich gelöscht hätte."

Eastwood und die Gefühle
Ganz im Sinne seines ideologischen Vorfahren Clint Eastwood, der Beziehungsdebatten gerne mit dem stoischen Satz "Wenn du eine Garantie willst, dann musst du dir einfach einen Toaster kaufen" vom Tisch wischte. Eastwood ging auch in die Anekdoten-Historie Hollywoods ein, als er von seinem Regisseur Sergio Leone beim Dreh irgendeines Italo-Westerns aufgefordert wurde, blicktechnisch nuanciertere Gefühle in die Kamera zu schießen. Seine Reaktion darauf wirkte mehr als gelangweilt: "Sergio, ich habe genau zwei Varianten in meinem Ausdrucksrepertoire: Mit Zigarillo oder ohne. Welche willst du?"

Dass ich diese Art von Kommunikationsökonomie, an der ich früher auch mehr als weniger verzweifelt bin, erfrischend finde, hat mit der Eso-Psychologisierung zu tun, mit der wir uns alle im letzten Jahrzehnt herumschlagen mussten. Im Ambiente von hohem Klangschalen-und Zimmerbrunnen-Faktor saß man plötzlich freiwillig unter Menschen beiderlei Geschlechts, die in grottenhäßlicher bequemer Freizeitkleidung über alles reden, reden, reden und wieder reden mussten. Über ihre Ängste, die böse Mutter, die sie mit zu viel Liebe erdrückt oder zu wenig emotional ausgehungert hatte, ihre psychosomatischen Beschwerden, ihre Energieblockaden und alles, was der britische Mensch gern unter der knochentrockenen Ansage "way too much information" zusammenzufassen pflegte. Bei ihrem Seelenexhibitionismus zermalmten dann alle gerne auch noch solche Phrasen-Baustücke wie "Und? Wie geht’s dir eigentlich damit?" oder "Das hat mich jetzt total irritiert" zwischen ihren Kauflächen.

"Was wurde eigentlich aus Gary Cooper?"
Man konnte sich in den Wie-geht’s-dir-damit-Orgien manchmal nur Tony Soprano anschließen, der seiner Analytikerin die Frage gestellt hatte: "Was wurde eigentlich aus Gary Cooper und dem stillen, amerikanischen Mann. Der hatte doch schließlich auch keinen Kontakt zu Gefühlen, sondern tat einfach, was zu tun war." Plötzlich verstand ich die blanken Nerven der Männer, die wir von Hugh-Grant-und-Julia-Roberts-Romanzen total verseuchten Weiber in der postkoitalen Vertrotteltheit oft mit Fragen aus dem Genre "Hast du mich noch lieb?", "Hättest du mich auf der Titanic in die ersten Rettungsboote geschubst?", "Wie sehr hast du mich eigentlich lieb?" gequält hatten. Der Mann war ja an sich der Meinung, dass seine bloße Anwesenheit Zuwendungsbeweis genug war. Was musste da noch groß die Farbkarte der Gefühle bemurmelt werden.

Auch beim Abgang ist Schweigen möglicherweise die kränkungsfreiere Lösung. Erinnern wir uns an den sensiblen Schriftsteller Mister Berger, der aus Carrie Bradshaws "Sex and the City"-Leben unter der Hinterlassung eines gelben Post-it-Zettelchens auf dem Kühlschrank verschwand, auf dem zu lesen stand: "I’m sorry. I can’t. Please don’t hate me." Diese Botschaft führte zu konzertierter Empörung bei lactosefreiem Decaf-Cappuccino und Blaubeerenmüsli. Doch wäre es Fräulein Brad-shaw wirklich lieber gewesen, eine Wahrheit wie "Es liegt nicht an mir, es liegt an dir" zu hören? Dann hätte sie es ja total persönlich nehmen müssen. Und wer will das schon?

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