Genug geholfen? Nein, sagt Barbara Blaha
Andrang in Sozialmärkten, lange Schlangen bei kostenloser Lebensmittelausgabe. Pfandleihen boomen – zu viele müssen Fernseher oder Handy eintauschen, weil sie Bargeld für Lebensmittel und Heizen brauchen. Studien zeigen: Kaum liegt die persönliche Teuerung über dem Durchschnitt, fangen die einmaligen Hilfszahlungen der Regierung viele nicht auf. Auch heuer werden Menschen unterhalb der Armutsgrenze bis hinauf in die Mittelschicht an Kaufkraft einbüßen.
Der Job der Regierung im Kampf gegen die Teuerung ist längst noch nicht getan. Die Einmalzahlungen aus 2022 sind für die untere Mittelschicht verpufft. Die Preise für Mieten, Heizen und Essen steigen weiter. Andere Länder – Spanien, Frankreich – machen vor, wie es besser geht. Dort werden Mieterhöhungen gedeckelt, die Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel gesenkt, Gas- und Stromrechnung eingefroren. Seit August sind die Preise dort kaum mehr gestiegen. In Österreich hingegen zogen sie kräftig an.
Die Aussichten sind für Geringverdiener 2023 nicht besser. Ihre Inflationsrate wird im ersten Halbjahr höher ausfallen als die der Besserverdiener, weil die Preise für notwendige Grundbedürfnisse stärker zulegen. Mieten etwa steigen 2023 deutlich schneller als die Gehälter. Fürs neue Jahr hat die Regierung zwar vereinzelt Hilfen beschlossen, doch die sind oft wenig treffsicher. Die Abschaffung der kalten Progression bringt nur Besserverdienern nennenswerte Summen. Die Inflationsanpassung der Sozialleistungen – eigentlich ein Meilenstein – bleibt auf halber Strecke stehen. Arbeitslose sind davon ausgeschlossen.
Der Staat soll auf die Bremse steigen, ja. Aber nicht bei den mittleren und unteren Einkommen, sondern bei Hilfen für die Wirtschaft. Denn während viele Menschen mit hohen Rechnungen ins neue Jahr schlitterten, rutschten zahlreiche Unternehmen bestens gepolstert hinüber. Die Regierung wird bis zu neun Milliarden Euro Energiekostenzuschuss an Unternehmer ausschütten – die teuerste Einzelmaßnahme gegen die Teuerung.
Konkret heißt das: Finanzkräftige Konzerne, die ein schlechtes Jahr durchaus übertauchen könnten, kassieren trotzdem bis zu 150 Millionen Euro Zuschuss. Ohne Gegenleistung. Kleine und mittlere Betriebe können sich Millionenförderungen holen ohne Nachweis, dass sie aufgrund der Energiekrise Verluste einfahren. Eine Kontrolle, ob Unternehmer das Geld für gestiegene Energiekosten doppelt einstreifen – zuerst Kunden Preise erhöhen, danach Förderung kassieren –, ist nicht vorgesehen.
Als wäre das alles noch nicht genug, senkt die Republik mit Jahresanfang großen Konzernen auch noch die Gewinnsteuern von 25 auf 24 Prozent. Sinkende Steuersätze auf Gewinne schlagen in der Staatskasse künftig ein Loch von gut einer Milliarde Euro. Jedes Jahr. Dabei sollten Konzerne künftig eigentlich höhere Steuern zahlen, wenn der Staat einen Teil ihrer Energierechnung übernimmt. Dieses Geld kann der Staat nämlich gut brauchen, um bei den Hilfen für die untere Hälfte der Gesellschaft kräftig aufs Gaspedal zu treten.
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Anders als Barbara Blaha sieht es der liberale Ökonom Lukas Sustala. Seinen Text können Sie hier lesen:
In "Cash & Clash" streitet die Gründerin des linken Momentum Instituts, Barbara Blaha, regelmäßig mit dem wirtschaftsliberalen Ökonomen, Lukas Sustala. Er leitet die Neos-Parteiakademie. Beide legen Wert darauf, parteiunabhängig zu argumentieren.
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